Transporter-Crashtest Unterschätzte Gefahr

Crashtest Wildhaus 2015 Foto: Melanie Duchene 9 Bilder

Lieferwagen und Transporter sind besonders häufig in Unfälle verwickelt. Ein Crashtest der Axa-Versicherung zeigt, was bei Ablenkung und Unaufmerksamkeit passieren kann.

Die Polizisten staunen bei ihrer Streife am 30. Juni auf der A 27 bei Cuxhaven nicht schlecht: Vor ihnen fährt ein Transporter, bei dem zwischen Radkasten und Reifen kaum noch Platz ist. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Das Fahrzeug wiegt über 5,3 Tonnen obwohl nur 3,5 erlaubt sind. Den 51-jährigen Fahrer erwarten nun ein hohes Bußgeld sowie ein Punkt in Flensburg.

Knapp 2,2 Millionen Kleinlaster auf deutschen Straßen

Wegen Fällen wie diesem will der Kraftfahrtversicherer Axa auf die Gefahr von Lieferwagen im Straßenverkehr aufmerksam machen. Kleintransporter verursachten 2013 auf Deutschlands Straßen knapp die Hälfte aller Nutzfahrzeug-Unfälle mit Toten oder Verletzten.

Weil für 3,5-Tonner ein Pkw-Führerschein genügt, sitzen kaum ausgebildete Berufskraftfahrer hinter dem Steuer. Die Kleinlaster sind auch deshalb beliebt, weil das Sonntagsfahrverbot nicht gilt. 2014 wurden 16 Prozent mehr Transporter verkauft als 2010, mittlerweile sind knapp 2,2 Millionen auf deutschen Straßen unterwegs.

Dementsprechend steigen die Unfallzahlen: In rund 60 Prozent der Fälle sind Lieferwagen-Fahrer die Hauptverursacher. Was dabei genau passiert, zeigen Crashtests von Axa Winterthur im schweizerischen Wildhaus.

In der ersten Simulation rennt ein Kind zwischen zwei geparkten Autos auf die Straße, der Lieferwagen kann nicht mehr rechtzeitig bremsen. Das Kind prallt mit voller Wucht gegen die steile Front des Fahrzeugs und wird 17 Meter weit durch die Luft geschleudert. Ein Raunen geht durchs Publikum: Niemand will sich die Verletzungen des Kindes vorstellen, wenn der Unfall real wäre. Der Fahrer dagegen bleibt unversehrt.

Genaue Anweisungen von Auto-Vermietern

"Kinder sind besonders gefährdet", erklärt Unfallforscherin Bettina Zahnd von Axa Winterthur. "Bei einer Kollision wird ihr Kopf von der hohen Motorhaube und der steilen Front getroffen – schwerste oder sogar tödliche Verletzungen sind die Folge."
Weil für private Fahrer die großen Autos ungewohnt sind, unterschätzen sie die Dimensionen. Deshalb fordert Axa Instruktionen von den Auto-Vermietern. "Genaue Anweisungen und eine Probefahrt sind unerlässlich", sagt Zahnd. Im Moment komme das noch viel zu selten vor. Besonders nützlich sind Transporter bei Umzügen oder nach einem Möbelkauf. Vorsicht ist aber angebracht. Zum Beispiel der vergrößerte tote Winkel oder eine falsche Beladung führen zu Unfällen. "Oft sind Transporter über- oder falsch beladen", berichtet Zahnd. Die Zahlen spiegeln das wider: Laut Axa verursachten in Deutschland 2014 privat genutzte Lieferwagen 44 Prozent mehr Sachschäden als Pkw.

Dimensionen werden oft falsch eingeschätzt

Der zweite Crashtest widmet sich darum dieser Problematik. Ein Transporter mit Planenauflieger kollidiert mit einem Hindernis in Form einer Tiefgarageneinfahrt. Es knallt und kracht, Möbel und Co. bersten und fliegen in alle Richtungen. "Der Fahrer hat die Höhe seines Wagens falsch eingeschätzt", erklärt die Unfallforscherin.

Auch im gewerblichen Bereich sieht Zahnd Handlungsbedarf: "Wir fordern eine Weiterbildungspflicht, damit sich die Fahrer mehr dem Thema Sicherheit widmen." Denn Unaufmerksamkeit und Ablenkung können schlimme Folgen haben und die fallen bei Transportern ungleich heftiger aus.

Das zeigt der dritte Crash: Ein Lieferwagen kracht lautstark mit 70 km/h in eine stehende Kolonne. Alle Autos werden beschädigt, doch vor allem der hinterste Pkw muss Blech lassen – die Insassen werden schwer verletzt. "Dem Transporter-Fahrer selbst passiert aber nichts", erklärt Zahnd.

Die richtige Technik verbunden mit der serienmäßigen Einführung könnten einen solchen Unfall vermeiden. Die Fahrzeughersteller haben in Sachen Sicherheit aufgerüstet. Einen Abstandswarner und vier weitere Sicherheitssysteme hat zum Beispiel Daimler 2014 für den Sprinter auf den Markt gebracht – ohne Aufpreis gibt es davon aber nur den Seitenwind-Assistenten, der über Sensoren Windböen erkennt und nahezu vollständig kompensiert. "Eine serienmäßige Ausstattung mit der gängigen Sicherheitstechnologie wäre wünschenswert", sagt Zahnd. Vielleicht gäbe es Unfälle wie in Wildhaus dann tatsächlich nur noch in der Theorie.