Fahrbericht Mercedes E-Klasse Fahren oder fahren lassen?

Mercedes E-Klasse Foto: Mercedes 20 Bilder

Auf dem Weg zum autonomen Fahrzeug: Die neue Mercedes E-Klasse lenkt, bremst und überholt selbstständig. Doch der wahre Fortschritt liegt in den anderen Sicherheitssystemen und den sparsamen Motoren.

Nach zehn Modellgenerationen nähert sich die E- endgültig der S-Klasse an. In den gehobenen Versionen ist das klassische Armaturenbrett zwei frei konfigurierbaren, bis zu 31 Zentimeter großen Bildschirmen gewichen. Auf denen läuft hoch aufgelöstes High-Tech-Kino in Form von virtuellen Instrumenten und Navi-Karten mit Internet-Daten. Die Tasten auf dem Lenkrad reagieren auf horizontale Wischbewegungen eines Fingers und das Head-up Display spielt alle wichtigen Fahrinfos ins Blickfeld des Fahrers. Radar- und Ultraschallsensoren vermessen die Straße bis zu 300 Meter vor sowie den Bereich seitlich und hinter dem Auto, Kameras liefern gestochen scharfe Bilder ins Cockpit. Das Auto bremst im Notfall automatisch, kommuniziert mit seiner Umwelt, lässt sich per App ferngesteuert in die Garage zirkeln. Auf Wunsch hält es sich an Tempolimits und lenkt auf der Autobahn selbst. Wenn’s sein muss, wechselt die neue E-Klasse sogar die Spur und überholt, ohne dass der Fahrer mehr tun muss als zu blinken. Die erste Hürde auf dem Weg zum autonomen Fahren scheint also genommen. Prima, dann können wir uns also entspannt zurücklehnen. Können wir? Und vor allem: wollen wir?

Ist dieses Auto zu intelligent für unsere Zeit?

Die Realität auf unseren Straßen sieht anders aus. Auf unserer Testfahrt in Portugal bremst unser E 300 an einer Mautstelle tatsächlich zuverlässig auf die erlaubten 40 km/h. Doch weil das Tempolimit erst 300 Meter später aufgehoben wird, treiben uns überholende und wild gestikulierende Autofahrer den Schweiß auf die Stirn. Bei der nächsten Zahlstation legt das Auto grundlos eine Vollbremsung hin. Wenig später verabschiedet sich der Lenkassistent in einer leichten Autobahnkurve und wir nehmen die gestrichelte Linie unter die Räder. Und warum wir beim Spurwechsel nicht selbst kurz am Lenkrad drehen sollen, erschließt sich uns (noch) nicht. Zumal uns die Technik nach ein paar Sekunden ermahnt, doch bitte das Steuer wieder zu übernehmen.

Ist dieses Auto womöglich zu weit für unsere Zeit? Oder sind wir und unser heutiges Umfeld einfach noch nicht bereit für diese schöne neue Fahrzeug-Welt? Wahrscheinlich beides. Andererseits sind die vielen Hilfssysteme der E-Klasse sinnvoll und hilfreich. Sie können Unfälle verhindern oder zumindest deren Folgen mindern. Etwa, wenn der Fahrer ungebremst auf ein Stauende zurast und die E-Klasse den Notanker wirft. Oder wenn sie stoppt, weil ein ohnmächtiger Fahrer das Steuer loslässt und auf Warntöne nicht reagiert. Oder wenn plötzlich ein Kind auf die Straße rennt und die Lenkung dem Fahrer hilft auszuweichen.

Preise auf Niveau des Vorgängers

Nebenbei dürfte die E-Klasse eine der stilvollsten Business-Limousine auf dem Markt sein. Die Auswahl der Zierleisten reicht vom tiefschwarzen Hochglanz-Lack über offenporige Hölzer bis hin zum Dekors im Yacht-Look. Der Innenraum lässt sich in 64 Farbtönen ausleuchten und eine High-End-Anlage von Burmester beschallt die Kabine im 3D-Sound. Das alles gibt’s natürlich nicht in den Basismodellen. Die starten bei 38.070 Euro (alle Preise netto) für den E 200 beziehungsweise 39.600 Euro für den E 220 d und kosten damit minimal mehr als die vergleichbaren Modelle des Vorgängers.

Mit dem Modellwechsel geht auch eine neue Motorengeneration an den Start, darunter ein Vierzylinder-Diesel mit zwei Litern Hubraum. Dessen Entwicklung hat sich Daimler 2,6 Milliarden Euro kosten lassen. Heraus kam ein kompaktes Voll-Aluminium-Aggregat, das die gesamte SCR-Abgasreinigungstechnik im Motor integriert. Das spart Platz und Gewicht. Außerdem ist der Motor so fit für den Einbau in andere Modelle, da er die Abgastechnik gleich mitbringt. Im 220d leistet er 194 PS, 24 mehr als im Vorgänger. Zu Beginn wird er mit der Neungang-Automatik ausgeliefert und verbraucht nur 3,9 Liter (102 g CO2), gut 20 Prozent weniger als der bisherige E 220 Bluetec mit Siebenstufen-Automatik. Im Sommer folgen der 200 d mit 150 PS, die Handschalter sowie der 258 PS starke 350 d mit sechs Zylindern.

Bei den Benzinern reicht die Palette der Vierzylinder von 183 bis 245 PS. Dazu kommt im E 300 ein Sechszylinder mit 333 PS sowie mit dem 300 e ein 286 PS starker Plug-in Hybride, der 30 Kilometer weit elektrisch fahren soll. Allradantrieb und AMG-Versionen stehen ebenso auf der Agenda wie das T-Modell, das im Herbst 2016 bei den Händlern stehen soll.

Der Vierzylinder läuft extrem leise

Erster Eindruck des E 220 d: ein fast unhörbarer Flüsterdiesel mit enormer Antrittsstärke, genügend Potenzial für alle Überholvorgänge und kaum spürbaren Schaltvorgängen. Speziell mit der Luftfederung Airmatic entsteht ein fast schon sänftenartiges Schwebe-gefühl, doch auch die Standard-Federung bügelt Schlaglöcher und Straßenschäden glatt. Hier kommt die E- der S-Klasse schon sehr nahe.

Gleiches gilt für die zahlreichen Business-Anwendungen. Schließlich wird die E-Klasse vorwiegend als Geschäftswagen genutzt. Ihr Fahrer kann sich über Satelliten, Internet und Mobilfunktechnik mit dem Fahrzeug verbinden. Er kann Ziele oder Routen vom heimischen PC oder über eine App ins Navi übertragen, die Standheizung vom warmen Wohnzimmer aus einschalten oder einfach nur das Auto verriegeln. Auch ein interner Hotspot lässt sich einrichten, sofern der Fahrer einen entsprechenden Datenvertrag abschließt.

Mit Hilfe der in Android-Smartphones der neuesten Generation eingebauten Nahbereichs-Sender lässt sich das Handy in der Mittelkonsole kabellos laden. Der NFC-Chip kann aber auch den Fahrzeugschlüssel ersetzen. Dann hält der Fahrer einfach sein Handy ans Schloss und schon wird der Wagen entriegelt. Ein Telefon speichert die Zugangsdaten von bis zu acht Autos ab. So könnte beispielsweise ein autorisierter Parkplatzwächter die Fahrzeuge jederzeit rangieren, ohne die Schlüssel horten zu müssen.

Keine perfekte Smartphone-Integration

Ganz perfekt läuft die Smartphone-Integration allerdings nicht. Während Fahrer eines VW oder Audi zwei Telefone parallel per Bluetooth anschließen und so privates und geschäftliches Handy gleichzeitig nutzen können, muss sich der E-Klasse-Pilot für ein Telefon entscheiden. Und wenn die Bord-Navi läuft, kann er nicht gleichzeitig Apple Car Play nutzen. Besonders ärgerlich für Musikliebhaber: Streaming Dienste und Online- Radio können sie nur per Bluetooth übers Handy abrufen. In der Praxis bedeutet dies: anhalten und auf dem Smartphone herumtippen. Und dass weder Android Auto noch Apple Car Play mit dem Basis-Radio funktionieren, würde man bei der "intelligentesten Limousine der Business-Klasse" ebenfalls nicht vermuten.

So bleibt als Fazit die Erkenntnis, dass dieses Auto mehr kann als wir benötigen. Bis wir uns zeitungslesend quer durch Europa chauffieren lassen, werden noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen. Solange nehmen wir das Steuer selbst in die Hand, und umso lieber in einem so komfortablen Auto wie der E-Klasse.

Betriebskosten
Mercedes E 350 d Mercedes E 220 d Mercedes E 200
Basisdaten
Grundpreis ohne MwSt. 46.725 Euro 39.600 Euro 38.070 Euro
Teuerung während der Nutzungsdauer 7.442 Euro 6.307 Euro 6.064 Euro
Gebundenes Kapital 35.113 Euro 29.346 Euro 28.042 Euro
Feste Kosten pro Jahr
Kapitalverzinsung 2.949 Euro 2.465 Euro 2.355 Euro
Abschreibung 6.326 Euro 5.604 Euro 5.472 Euro
Kfz-Steuer 361 Euro 204 Euro 114 Euro
Typklasse HP/TK/VK 20/28/26 20/28/26 16/21/25
Haftpflichtversicherung * 1.983 Euro 2.215 Euro 1.798 Euro
Kaskoversicherung * 2.577 Euro 2.577 Euro 2.358 Euro
Unterstellung/Garage 555 Euro 555 Euro 555 Euro
Summe feste Kosten/Jahr 14.751 Euro 13.620 Euro 12.652 Euro
Summe feste Kosten/km 73,8 ct 68,1 ct 63,3 ct
Variable Kosten pro km
Kraftstoff 6,2 ct 5,2 ct 10,3 ct
Reifen 3,0 ct 2,1 ct 2,1 ct
Wartung und Reparatur 13,3 ct 12,5 ct 12,2 ct
Summe variable Kosten/km 22,6 ct 19,8 ct 24,6 ct
Gesamtkosten
Gesamtkosten pro km 96,4 ct 87,9 ct 87,9 ct
Quellenangabe Betriebskosten
Daten berechnet von Dekra Dekra Dekra
Stand 3/2016 3/2016
Versicherung * Versicherung jeweils bei 70 Prozent mit 500 Euro Selbstbeteiligung, einschließlich Teilkasko mit 150 Euro Selbstbeteiligung. Versicherung jeweils bei 70 Prozent mit 500 Euro Selbstbeteiligung, einschließlich Teilkasko mit 150 Euro Selbstbeteiligung. Versicherung jeweils bei 70 Prozent mit 500 Euro Selbstbeteiligung, einschließlich Teilkasko mit 150 Euro Selbstbeteiligung.
Ausstattungsversion Basis Basis
Technische Daten
Mercedes E 220 d Mercedes E 200 Mercedes E 350 d
Karosserie
Aufbau Limousine Limousine Limousine
Zahl der Sitzplätze 5 5
Motor/Antrieb
Kraftstoff Diesel Super Diesel
Anzahl Zylinder 4 4 6
Hubraum 1.950 cm³ 1.991 cm³ 2.987 cm³
Leistung 143 kW (194 PS) bei 3.800/min 135 kW (184 PS) bei 5.500/min 190 kW (258 PS) bei 3.400/min
Drehmoment 400 Nm bei 1.600/min 300 Nm bei 1.200/min 620 Nm bei 1.600/min
Getriebe automatisch manuell automatisch
Anzahl Gänge 9 6
Antrieb Hinterrad Hinterrad
Preis
Grundpreis ohne MwSt.Herstellerangabe 39.780 Euro 36.150 Euro 46.725 Euro
Ausstattung Basis Basis
Abmessungen/Gewichte/Reifen
AußenmaßeLänge x Breite ohne Spiegel x Höhe 4.923 x 1.852 x 1.468 mm 4.923 x 1.852 x 1.468 mm 4.923 x 1.852 x 1.468 mm
Radstand 2.939 mm 2.939 mm
Leergewichtvollgetankt inkl. 75 kg Fahrer 1.680 kg 1.575 kg
Zuladung 640 kg 640 kg 640 kg
Zulässiges Gesamtgewicht 2.320 kg 2.215 kg 2.440 kg
Reifengröße vorne 205/65 R 16 205/65 R 16 225/55 R 17
Reifengröße hinten 205/65 R 16 205/65 R 16 225/55 R 17
Fahrleistung und Verbrauch
Beschleunigung 0-100 km/h 7,3 s
Höchstgeschwindigkeit 240 km/h
VerbrauchHerstellerangabe 3,9 l/100 km 6,1 l/100 km 5,1 l/100 km
CO2-AusstoßHerstellerangabe WLTP 102 g/km 140 g/km 133 g/km
Effizienzklasse A+ B A
 
Slnr 104053 104056 104054