Seine Alleinstellung hat Nissans Crossover Qashqai längst verloren. Und die Konkurrenz rückt näher. Zeit für ein nicht ganz fertiges Update.
Am Anfang war der Qashqai. Aus der Not geboren, um in der Kompaktklasse Golf & Co. Paroli zu bieten, erfand Nissan vor genau zehn Jahren den pfiffigen Crossover. Seitdem hat sich der Bestseller, der sich in der zweiten Generation zum klassischen Kompakt-SUV mauserte, weltweit 2,3 Millionen mal verkauft. In Europa ist er sogar Nissans Nummer Eins und auch in Deutschland ist der Qashqai mit rund 28.000 Verkäufen in 2016 die Cash-Cow im Stall des Kölner Importeurs. Rund ein Fünftel (22 Prozent) davon waren gewerbliche Zulassungen. Doch die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht und rückt dem einstigen Solitär auf die Pelle. Höchste Zeit für eine Auffrischung – auch wenn die Technik noch gar nicht so weit ist.
Neues Design, neue Technik
Auch wenn Dimensionen und Länge mit 4,39 Meter Länge unverändert geblieben, ist das neue Design des Qashqai auf den ersten Blick zu erkennen. Vor allem die Front erscheint nun wuchtiger, mit V-förmigem Kühlergrill, optisch hervorgehoben durch noch breitere Chrom-Streben samt Markenlogo und Blechkanten auf der Motorhaube.
Das Ganze flankiert von Scheinwerfern, die sich wie Schwertspitzen in die Front schneiden und dessen spitzwinkligen Formen sich in den Rückleuchten am Heck wiederholen, das nun ebenfalls noch einen Tick breiter und bulliger wirkt. Wobei der angedeutete Unterfahrschutz in Form zweier silberfarbenen Bleche, die unter den modifizierten Stoßfängern hervorlugen, nach Überzeugung von Produktmanager Ryan Gains "den Premium-Charakter unterstreichen". Überhaupt, trommelt der europäische Marketing-Mann, sei der neue Qashqai der "ultimative Crossover", der sich nun auch mit der Premium-Liga messen kann.
Beispiel dafür sei ein neu entwickelter Abstandstempomat inklusive Stau- und Spurhalte-Funktion namens "Pro Pilot", der den "ersten Schritt zum autonomen Fahren darstellt". Allerdings ist das System, das bei vielen Konkurrenten schon länger zum optionalen Repertoire gehört, erst im Frühjahr nächsten Jahres verfügbar. Und auch die gängige Smartphone-Anbindung via Android Auto, Apple CarPlay oder MirrorScreen können die Japaner auf unbestimmte Zeit noch nicht anbieten. "Wir arbeiten noch daran", sagt Produktentwickler Kimihiro Kusayanagi. Was umso mehr verwundert, als ihr neuer Micra schon seit Anfang des Jahres damit herumfährt. Immerhin gibt es eine neue Autohold-Funktion, die den Wagen an Steigungen bis zu drei Minuten festhält und erst beim Tritt aufs Gas loslässt.
Liebe zum Detail
Ein Hauch Premium verbreiten einige Interieur-Details wie etwa das neue Lenkrad, das unten abgeflacht und mit dickerem Kranz besser in der Hand liegt sowie mit größeren Öffnung einen ungehinderten Blick aufs Kombiinstrument erlaubt. Ziernähte, neue Lüftungsdüsen und Türgriffe, eine Ledermanschette am Gangwahlhebel, ein neu konfiguriertes Multimedia-System mit 7-Zoll-Touchscreen sowie die ergonomisch geformten
Monoform-Integralsitze (ab Ausstattung N-Connect) schaffen dazu ein hochwertigeres Ambiente. Und weil "Kunden den Qashqai auch mit dem Audi Q3 vergleichen", wie die deutsche Produktmanagerin Julia Temath weiß, gibt es zum Markstart im August neben den vier bisherigen Linien Visia (ab 17.219 Euro / alle Preise netto), Acenta (+3.361 Euro), N-Connecta (+2.017 Euro) und Tekna (+1.933 Euro) für weitere 2.521 Euro extra noch eine besonders hochwertige Topvariante Tekna + mit Bose-Soundsystem, Nappaleder-Sitze und Assistenzsystem-Paket inklusive Querverkehrs- und Müdigkeitswarner, Totwinkel-Assistent sowie Ein- und Ausparkroboter.
Unabhängig von der Ausstattung deutlich komfortabel getrimmt, sind Fahrwerk und Laufkultur. Stoßdämpfer und Federn wurden nachjustiert, lästige Nickbewegungen damit deutlich reduziert. Für die schnelle Kurvenhatz taugt der Qashqai deshalb zwar immer noch nicht, aber gemeine Verwerfungen und Bodenwellen bügelt der Crossover souverän weg. Auch die Lenkung wurde spürbar direkter, wodurch der SUV präziser zu dirigieren ist. Einziger Kritikpunkt sind die etwas zu langen Schaltwege des serienmäßigen Sechsganggetriebes. Dafür reagiert die stufenlose CVT-Automatik Xtronic nun nicht mehr so nervös. Dank neuer Dämmmaterialien und Dichtungen sowie dickeren Scheiben in den Türen sank außerdem der Geräuschpegel im Innenraum. Hinzu kommen vom Flugzeugbau inspirierte Aerodynamik-Elemente am Unterboden, die den Luftwiderstand und damit die Fahrgeräusche reduzieren.
Bei den Antrieben hingegen hat sich wenig getan. Nach wie vor gibt es zwei Turbobenziner mit 115 PS und 163 PS sowie zwei Turbodiesel mit 110 PS und 130 PS. Bei den Benzinern ist der größere 1,6-Liter die bessere Wahl, der sowohl im Standardsprint auf Tempo 100 als auch mit kräftigen 240 Nm Drehmoment im Durchzug einigermaßen flott unterwegs ist. Allen Unkenrufen zum Trotz bleibt jedoch auch im Qashqai der Diesel das standesgemäße Triebwerk, vorzugsweise der größere der beiden Selbstzünder mit 1,6 Liter Hubraum, der mit 320 Newtonmeter die 1,5 Tonnen schwere Karosse mühelos voran schiebt und den Spritdurst mit 4,7 Liter nach Norm einigermaßen zügeln kann.