Blitzer Zu Unrecht geblitzt? So wehren Sie sich

Blitzeranlage, stationär Foto: Götz Mannchen 7 Bilder

Die Kronenstraße in Freiburg/Breisgau zählt zu den Verkehrsknotenpunkten der Stadt. Doch in der Nacht gilt Tempo 30 – genauer: von 22 bis 6 Uhr.

Das wird auch kontrolliert, unter anderem durch zwei fest installierte Messgeräte. Was aber, wenn die städtischen Beamten versäumen, die Zeitsteuerung der Geräte von Sommer- auf Winterzeit umzustellen? Nach diesem Fauxpas, der wirklich passierte, arbeiteten die Radaranlagen ab 21.00 Uhr auf Hochtouren. Im Minutentakt wurden alle Fahrzeuge geblitzt, die schneller als 30 km/h waren.
Versagt haben die Ordnungshüter auch auf der A  2 in Niedersachsen. Obwohl die elektronischen Schilderbrücken mit ihren Tempovorgaben wegen Reparaturarbeiten abmontiert waren, blieben die fest installierten Blitzer in Betrieb. Ergebnis: Verkehrsteilnehmer wurden zu Unrecht geblitzt.

Ohne Rechtsanwalt und Gutachter hat man kaum Chancen

Meist liegen die Fehler nicht so klar auf der Hand und für die Betroffenen ist es sehr viel komplizierter, sich zu entlasten. Ohne erfahrenen Rechtsanwalt und Gutachter besteht da kaum eine Chance. Wie soll man nachweisen, dass die Polizei, so geschehen in Hamburg, mit einem nicht geeichten Radargerät unterwegs war? In diesem Fall waren 3.200 Autofahrer betroffen. Es ging um Bußgelder von insgesamt 100.000 Euro.
Oder in Kassel: Die Stadt beauftragte einen externen Dienstleister. Erst nach etlichen Beschwerden stellte sich heraus, dass die Kameras nicht richtig ausgerichtet waren und zudem nicht den Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) entsprachen. Zwei Gutachten waren erforderlich, bis sich die Stadt endlich bequemte, die fragwürdigen Anlagen abzuschalten.
In weiteren Fällen stießen Rechtsanwälte auf veraltete Messprotokolle und Gutachter auf Lichtreflexe, die den Messsensor des Blitzgerätes irritiert und letztlich zu einer Fehlmessung führten. In diesen Fällen bleibt den Ordnungshütern nur, das Verfahren einzustellen.

Fehlmessungen sind keine exotischen Ausnahmen

Sind solche Fälle exotische Ausnahmen? »Keineswegs«, sagt Frank Hillmann, Rechtsanwalt in Oldenburg und einer der besten Verkehrsrechtler Deutschlands. »Bis zur Hälfte aller Blitzer-Strafen sind angreifbar oder gar schlicht falsch«, schätzt Hillmann. So sieht es auch Rechtsanwalt Gregor Samimi, Fachanwalt für Verkehrsrecht: »In 60 Prozent aller von mir angestrengten Verfahren kann ich meinen Mandanten helfen. Oft gelingt die Einstellung, manchmal fallen die Punkte weg oder das Fahrverbot wird gestrichen.«
In einer Untersuchung der Sachverständigengesellschaft Verkehr, Unfall, Technik (VUT) wollen die Fachleute sogar in 80 Prozent aller begutachteten Fälle technische oder formale Fehler der Ordnungsämter entdeckt haben.

Ein Drittel aller Messungen sind angreifbar: Acht Prozent sind falsch, bei 25 Prozent liegt mangelhafte Beweisführung vor


Dabei ist die Messtechnik nicht das Problem. »Dass die Technik spinnt und aus 100 km/h einfach 120 macht, die Zeiten sind längst vorbei. Die Technik als solche arbeitet in der Regel zuverlässig«, sagt Olaf Neidel, Sachverständiger für Verkehrsüberwachungsanlagen. »Die Fehler passieren beim Aufbau und bei der Bedienung der Technik sowie bei der Auswertung der Messdaten und Fotos«, erklärt Neidel. »Die Geräte sind anspruchsvoll und die Messbeamten wissen häufig gar nicht, was sie da tun.«
Auf einen speziellen Aspekt weist Johann-Markus Hans von der  Deutschen Hochschule der Polizei in Münster hin. Die Kommunen, so meint er, würden die Geräte oft nur schlampig installieren und sich mit den Bußgeldern die Kassen füllen. So sei es kein Wunder, dass bei Radarkontrollen häufig Messfehler auftreten.
»Aber auch bei der Polizei sind es in erster Linie Installations- und Bedienfehler, die zu fehlerhaften Messungen und anfechtbaren Bußgeldbescheiden führen«, ergänzt Rechtsanwalt Jost Kerger vom ADAC. Ein Grund dafür sei, dass jede Kommune ihr Personal eigenständig lernen lasse, wie ein Blitzer bedient wird, sagt Hans. Er fordert deshalb eine einheitliche Ausbildung von Polizei und Kommunen.
Selbst modernste Blitzersäulen seien unter diesen Umständen nicht fehlerfrei, so Klaus Renaud, Anwalt für Verkehrsrecht. Ein weiterer Grund sei aber auch fehlerhafte Software. So fordern die Experten des Verkehrsgerichtstags in Goslar einerseits eine verbindliche Aus- und Fortbildung des Messpersonals sowie einheitliche Messprotokolle.

Behörden müssen ein standardisiertes Messverfahren einhalten

AvD-Verkehrsrechtsexpertin Dorothee Lamberty weist darauf hin, dass ein standardisiertes Messverfahren nur dann vorliegt, wenn das Messgerät in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller vorgegebenen Bedienungsanleitung eingesetzt wird. Und dies nicht nur bei der eigentlichen Messung, sondern auch bei dem der Messung vorausgehenden Gerätetest. Entsprechend müssen die Mitarbeiter beim Auswerten prüfen, ob bei der Messung alle Anforderungen erfüllt wurden. Hieran mangele es aus Sicht des AvD viel zu häufig.
Damit betroffene Autofahrer die Messung überprüfen können, müssen die Messakten vollständig sein und plausible Beweismittel vorliegen. Allerdings belegt eine Untersuchung der Sachverständigengesellschaft VUT-Verkehr, dass viele Bußgeldbescheide ohne geklärte Beweislage erlassen werden.
Genau hier liegt das Problem. Der AvD hält dieses Vorgehen für inakzeptabel und unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für mehr als bedenklich.
Immerhin sind derzeit 4,1 Millionen Geschwindigkeitsverstöße in Flensburg registriert. Doch die Blitzer messen oft falsch. Experten haben etwa 15.000 Bußgeldverfahren ausgewertet und kamen zu einem erstaunlichen Ergebnis: Acht Prozent der Vorwürfe waren falsch, in 25  Prozent der Fälle war die Beweis­führung zumindest mangelhaft. Fazit: 33  Prozent der gerichtlich überprüften Messungen waren angreifbar.

Fahrer müssen ihre Unschuld vor ­Gericht beweisen

»Nicht alles, was die Bußgeldbehörden und Messbeamten produzieren, ist auch wirklich rechtens. Vieles ist auch zweifelhaft oder kann zumindest in einem anderen Licht betrachtet werden«, sagt der Jurist Hillmann. Am höchsten ist die Fehlerwahrscheinlichkeit seiner Ansicht nach bei der Lasermessung. Zu den klassischen Fehlbeschuldigungen zählen auch die undeutlichen Blitzerfotos.
Wer sich zu Unrecht beschuldigt fühlt, sollte Einspruch gegen den Bußgeld­bescheid einlegen. Dazu hat der Fahrer nach Zustellung des Bußgeldbescheides zwei Wochen Zeit.
Allerdings gilt dabei die Beweislastumkehr. Das Gericht geht immer davon aus, dass die Angaben der Bußgeldstelle richtig sind. Das heißt, der Betroffene muss beweisen, dass ihn keine Schuld trifft. »Dazu braucht er in der Regel einen Anwalt«, sagt Jost Kärger vom ADAC. Unter Umständen sei für die Entlastung sogar das Gutachten eines Sachverständigen notwendig.
So könne manchmal nur ein Anthropologe beweisen, dass das Blitzerfoto nicht den Angeschriebenen zeigt. »Bei Sachverständigengutachten sollte man die Kosten nicht unterschätzen«, warnt der Experte. »Wenn Sie sich 150 Euro Bußgeld sparen, aber 4.000 Euro für den Sachverständigen bezahlen, sollten Sie sich das gut überlegen.«

Radarwarner - Was ist erlaubt und was nicht?

Radarwarner gibt es als eigenständiges Gerät und als Zusatzfunktionen fürs Navi oder Handy. Allerdings untersagt die StVO, »ein technisches Gerät zu betreiben oder betriebsbereit mitzuführen, das Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzeigt« (§ 23 Abs. 1b).  Wer dagegen verstößt, dem drohen vier Punkte und 75 Euro Bußgeld.
Als betriebsbereit gelten Blitzerwarner, die während der Fahrt problemlos aktiviert werden können. Eigenständige Blitzwarngeräte darf die Polizei beschlagnahmen und vernichten. Nicht so Navigeräte und Handys, das gilt als unverhältnismäßig.


Die beliebtesten Standorte - Vorsicht Blitzer

• Brücken sind als Messstelle beliebt, weil Blitzgerät oder Fahrzeug schlecht erkennbar sind.
• Bushaltestellen sind für Autos tabu, also Vorsicht, wenn dort ein Pkw steht.
• Unter Leitplanken lassen sich Lichtschranken gut verstecken.
• Ortseinfahrten sollten erst 150 Meter nach dem Ortsschild überwacht werden. Nur in begründeten Fällen gelten Ausnahmen.
• Weiße Striche am Fahrbahnrand deuten auf Lichtschranken hin. Mithilfe der Markierungen überprüfen die Beamten die korrekte Ausrichtung von Dreifachschranken.

Bußgeld - Einspruch

Wenn Punkte oder ein Fahrverbot drohen, sollte man prüfen, ob sich ein Einspruch lohnt. Die Krux dabei: Die Beweislast liegt immer beim betroffenen Fahrer. Fehler in Bußgeldbescheiden sind nicht ohne Anwalt und häufig nicht ohne Gutachter nachzuweisen. Gut, wer eine Verkehrsrechtsschutzversicherung besitzt. Nur ein Anwalt bekommt Akteneinsicht.
Sind die Fristen gewahrt, das Foto o. k.? Ist die Akte vollständig, liegt das Messprotokoll vor, war das Messgerät geeicht, richtig installiert und der Beamte geschult? Entsprach der Ort der Messung den Vorgaben des Landespolizeigesetzes? Häufig muss ein Gutachter zur Klärung herangezogen werden. Da entstehen schnell Kosten in Höhe von 1.000 bis 2.000 Euro.

Neues Gesetzt - Jetzt noch Punkte abbauen

Bis zum 1. Februar 2014 können Verkehrssünder noch Punkte abbauen, denn die neue Regelung kennt diese Maßnahmen nicht mehr.

So geht´s:
Bei bis zu 8 Punkten: Durch spezielle Aufbauseminare lassen sich vier Punkte tilgen.
9 bis 13 Punkte: Durch spezielle Aufbausemi­nare lassen sich zwei Punkte tilgen.
14 bis 17 Punkte: Durch verkehrspsychologische Beratungen lassen sich zwei Punkte tilgen.
Die Kosten der Maßnahmen liegen zwischen 200 und 300 Euro.