Dienstwagenklassiker Mercedes W 116 Vom Bock zum Gärtner

Mercedes W 116 Foto: Archiv 4 Bilder

Ab 1972 war der W 116, besser bekannt als Mercedes S-Klasse, das Maß aller Dinge in der automobilen Oberklasse. Anfangs musste man jedoch bis zu 24 Monate warten ehe man sich hinter das edle Volant setzen durfte.

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. So in etwa lautet der Befund für die Karriere des W 116, jenem opulenten Zweitonner, der den Namen S-Klasse prägte und doch zum Öko wurde. 1972 stellte Mercedes das neue Flaggschiff vor. Auf dem Pariser Salon zeigte der 3,5-Liter-V8 dank seiner 225 PS der Konkurrenz sofort, wo der Hammer – Pardon – der Stern hängt. Dem Wettbewerb der­art enteilt, durften ihn die Schwaben sogar ungestraft in Senfgelb mit tarngrünen ­Velourssitzen ausliefern. Nach angemessenen 24 Monaten Wartezeit, versteht sich.

Eine Art Prunksitzung auf ­Rädern

Schneller ging es beim 1975 lancierten SEL 6,9. Bestückt war er mit einem knapp sieben Liter großen Spritvernichter. Eine Art Prunksitzung auf ­Rädern, freilich nur etwas für drängelnde Staatschefs. Allerdings nicht für Amerikas Präsident Jimmy Carter. Der erließ Ende der Siebziger in Folge der Ölkrise eine gesetzliche Verbrauchsvorschrift. Der Durst der Herstellerflotten sollte ­sukzessive sinken. So mancher Übergrößen-Dampfer aus De­troit musste den Anker werfen.

Ein Turbodiesel für die US-Kunden

Mercedes aber plante, die Lücke ausgerechnet mit dem W 116 zu füllen. Der Bock auf Rädern wird zum Gärtner, spöttelten Kritiker. Aber: Der Konzern hatte einen Fünfzylinder-Turbodiesel auf den Sindelfinger Einfahrbahnen im legendären C 111 getestet und für gut befunden. Flugs setzte man das Teil in die S-Klasse und verkaufte den Wagen in den USA als 300 SD. Der erste serienmäßige Turbodiesel in einem Pkw wurde dort zum Erfolg. In Deutschland dagegen war der Diesel nach Ansicht der Kunden noch nichts für die Oberklasse. Taxiunternehmer griffen vielleicht zum Selbstzünder. Oder Landwirte mit Vorliebe für halbe Tennisbälle auf ihren Anhängerkupplungen. Aber ganz bestimmt nicht der Herr Direktor. So saugte der W 116 hierzulande ausschließlich Benzin in die Brenner. So um die 18 Liter im Durchschnitt. Das ging so lange gut, bis die ersten "Ich bin Energiesparer"-Aufkleber am Heck des Vordermanns das Ende einer Ära ankündigten: 1980 schließlich war Schluss mit der Sauferei.