Mobileye Sicherheit zum Nachrüsten

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Mobileye hat einen kamerabasierten, nachrüstbaren Kollisionswarner entwickelt. Flotten können ihn mit ihrer Telematik verknüpfen und so das Fahrverhalten beeinflussen.

Dass Kollisionswarner und Notbremssysteme, Spurhalteassistenten und Totwinkel-detektoren das Autofahren sicherer machen, ist unbestritten. Doch längst nicht jeder neue Geschäfts- und Firmenwagen ist mit Fahrhelfern ausgerüstet. Besonders mau sieht es in Funktionsflotten mit Lieferwagen und Transportern aus.

Dabei gibt es valide Zahlen über den positiven Einfluss von Fahrhelfern. 2009 untersuchte die Axa Winterthur den Zusammenhang von Aufprallwarnung und Schleudertrauma. Ergebnis: Wären die Fahrer 1,5 Sekunden vorher gewarnt worden, hätten sich 90 Prozent der Auffahrunfälle vermeiden lassen. Und laut einer Umfrage von Dekra würden sich 54 Prozent der Autofahrer einen vorausschauenden Notbremsassistenten wünschen.

Smartphone-große Frontkamera

Mit Mobileye gibt es nun ein Nachrüstsystem in Form einer Smartphone-großen Frontkamera sowie einem Anzeigeinstrument, das am Armatureninstrument montiert wird. Zum Umfang gehören eine vorausschauende Kollisionswarnung, die auch Fußgänger erkennt, Abstands- und Spurhaltewarner sowie eine Tempolimitanzeige. Das Eye Watch genannte Rundinstrument sieht schick aus und würde auch in einem Premiumfahrzeug nicht stören. Gewarnt wird optisch und akustisch.

Sämtliche Daten lassen sich über eine Schnittstelle in Telematik- und Fuhrparkverwaltungssysteme integrieren. Der Flottenmanager kann sich also jederzeit einen Überblick über das Fahrverhalten seiner Kollegen verschaffen. "92 Prozent aller Autounfälle gehen auf Fehler der Fahrer zurück", sagt Lior Sethon, Europachef von Mobileye. "Solange wir den Fahrer nicht ersetzen können, müssen wir ihn technisch unterstützen."

Mobileye begann 1999 als Start-Up, Software für On-Board-Kameras und Abstandsradar zu entwickeln. Mittlerweile greifen nahezu alle Fahrzeughersteller auf die Technik des israelischen Unternehmens zurück. Sie findet über Assistenzsysteme von Zulieferunternehmen wie Delphi den Weg in Neuwagen. Zehn Millionen Fahrzeuge haben das System an Bord.

Warnen, nicht überwachen

Zu den Kunden der Nachrüstlösung zählen Unternehmen wie Pepsi, Vodafone, Intime oder Veolia, die vorwiegend Nutzfahrzeuge damit ausrüsten. "Mit unserem System lassen sich die Unfallzahlen extrem senken", sagt Sethon und verweist auf eine Untersuchung des israelischen Finanzministeriums. Danach haben sich die Unfallzahlen der Mobileye-Nutzer im ersten Jahr nach Einbau um 45 und im dritten Jahr um 80 Prozent verringert. Die 2014 in 40.000 Fahrzeuge eingebauten Fahrhelfer hätten beigetragen, 422 leichte und 22 schwere Unfälle zu verhindern, sowie sechs Menschen das Leben gerettet. Mit entsprechenden finanziellen Folgen: Reparaturen, Ausfallzeiten, Krankenhauskosten und mehr hätten sich auf 89 Millionen Euro summiert. Als Konsequenz schreibt Israel inzwischen Kollisionswarner und Spurhalteassistenten für Busse und Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen vor.

Auch andere Länder unterstützen Assistenzsysteme: In Japan werden Senioren steuerlich entlastet, Singapur finanziert Flottenbetreibern 70 Prozent der Einbaukosten. Ein Problem haben aber alle Unternehmen. Sie müssen ihre Fahrer vom Nutzen der Technik überzeugen. "Wir wollen keine Daten aufzeichnen, sondern Unfallzahlen senken", sagt Sethon. "Wenn die Fahrer das verstehen, ziehen sie mit."

Mitarbeiter fahren weniger aggressiv

In der Praxis läuft das so ab: Ein Unternehmen rüstet alle oder einen Teil der Fahrzeuge mit Mobileye aus und lässt das System zuerst im so genannten blinden Modus laufen. Die Kollegen fahren wie gewohnt, bekommen aber keine Warnmeldungen. Im Flottenmanagement jedoch wird jedes zu dichte Auffahren oder jedes Überfahren der Spur aufgezeichnet. Dabei unterscheidet das System zwischen gefährlichen Situationen und aggressivem Fahrverhalten. An diesen Daten orientiert sich das Unternehmen, wenn das System nach sechs Wochen für die Fahrer aktiv geschaltet wird.  "Bei Coca-Cola HBC verringerten sich innerhalb von vier Wochen die Warnungen wegen zu dichtem Auffahren um 40 Prozent, die Kollisionswarnungen um 50 Prozent und die Spurverlassens-warnungen um 80 Prozent", sagt Sethon.

Und der Israeli schüttelt gleich einen weiteren Kunden als Referenz aus dem Ärmel: den britischen Autoteile-Lieferanten Euro Car Parts. 2.400 Peugeot Partner, 200 Filialen und ein großes Problem mit Auffahrunfällen, da die Autos viel rangiert und meist im Stadtverkehr bewegt werden. Bevor sich das Unternehmen 2015 an Mobileye wendete, seien jedes Jahr 60 Prozent der Transporter in Unfälle verwickelt gewesen. An rund 65 Prozent der Crashs hatten die Fahrer Schuld. "Nach dem blinden Phase reduzierte unser Assistenzsystem die Warnmeldungen um 80 Prozent", behauptet Sethon. Außerdem hätten die 2.400 Lieferwagen durch die vorausschauende Fahrweise 7,4 Prozent weniger verbraucht, wodurch Euro Car Parts Spritkosten in Höhe von 800.000 Euro pro Jahr eingespart habe.

Erfolge aus der Praxis

Sethon rattert die Erfolgsmeldungen herunter. C.R. England, größter Tiefkühllieferant der USA: 37 Prozent weniger Unfallkosten pro Meile. Johnson & Johnson: Verbrauch der Pkw-Flotte um 15 Prozent gesenkt. Generali Versicherung: 30 Prozent Rabatt für Unternehmen, die Mobileye einsetzen.

Speziell für Lkw und Busse lässt sich das System um einen Totwinkelwarner erweitern, dessen vier Kameras den Bereich vor und seitlich neben dem Fahrzeug überwachen. Sie erkennen stehende und sich bewegende Radfahrer und Fußgänger. Laut dem European Transport Safety Council sind die im Stadtverkehr besonders gefährdet. 2011 bis 2013 waren bei 22 Prozent aller in der EU getöteten Fußgänger und bei 24 Prozent der im Verkehr ums Leben gekommenen Radfahrer Nutzfahrzeuge beteiligt.