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Innenraum der Zukunft Wenn das Fahren zur Nebensache wird

PKW Studio Foto: YFAI 11 Bilder

Autos sollen in den nächsten Jahren autonom fahren. Außendienstler können die Zeit im Auto dann zum Arbeiten nutzen. Die Autoindustrie macht sich deshalb schon Gedanken über das Cockpit der Zukunft.

Im Jahr 2015 startet einen Revolution. Zunächst noch ganz sanft, dann immer umwälzender. "In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird sich im Auto-Innenraum viel mehr ändern als in den vergangenen 100 Jahren", prognostiziert Han Hendriks, Innovationschef beim Interieur-Spezialisten Yanfeng Automotive Interiors. Nun zeigt sein Unternehmen mit der Innenraum-Studie ID16, was er meint.

Zunächst ist überrascht, wer in die seitlich offene SUV-Karosse schaut: So viel wird sich auf den ersten Blick gar nicht ändern. Der Viersitzer wirkt mit hellem Leder, Klavierlack und gemasertem Holz edel und modern, aber nicht wirklich futuristisch. Dabei haben Hendriks und sein Team mehr als 30 Neuerungen zwischen Armaturenbrett und Laderaumkante versteckt. Unauffällig, aber Teile mit großer Wirkung. Die wohl spektakulärste Innovation zeigt sich, wenn man den "Auto Drive"-Knopf auf dem Lenkrad drückt. Dann nämlich erklingt ein Warnton, bevor sich das Volant langsam vom Fahrer zurückzieht, während dieser gleichzeitig mit dem Sitz nach hinten fährt.

Zeit und Platz zum Arbeiten

Das Auto übernimmt daraufhin selbst das Steuer, der Mensch hat Zeit für anderes. Etwa zum Arbeiten. Zu diesem Zweck gibt es in der Mittelkonsole ein ausklappbares Tischchen, wie man es von den Chef-Sitzplätzen im Fond großer Limousinen kennt. Wer sich lieber mit seinen Passagieren unterhält, kann seine Sitzlehne auf Knopfdruck einige Grad nach innen schwenken. Folgt der Beifahrer diesem Beispiel, sitzt man leicht zugeneigt nebeneinander. Viel mehr Zuwendung ist zunächst nicht möglich, will man die Sicherheit bei einem Unfall nicht gefährden.

Denn in der Startphase des autonomen Fahrens, die Hendriks für 2025 erwartet, wird es noch keine luftigen Lounges mit filigranen Sitzen geben, wie sie Zukunftsstudien von Autoherstellern gelegentlich ankündigen. Weil längst nicht alle Autos selbstständig fahren werden, müssen sich auch die autonomen Modelle weiterhin an die bekannten Sicherheitsstandards bei Sitzen, Airbags und Karosseriestruktur halten. Zudem wird wirklich autonom nur zeitweise gefahren, etwa auf der Autobahn. Wer wieder in die Stadt einfährt, drückt dann nach Yanfeng-Vorstellung erneut den "Auto Drive"-Knopf, worauf sich Gestühl und Lenkrad wieder in ihre gewohnten Positionen begeben. 

Leichtbau und Produktionskosten spielen ebenfalls eine Rolle

Die Studie beschränkt sich jedoch nicht darauf, Ideen zum Autonomie-Trend zu liefern. Yanfeng hat noch andere wichtige Zukunftsströmungen ausgemacht, etwa den vor allem aus China getriebenen Trend zu immer mehr Luxus und Individualität. So zeigt der Zulieferer mit der Studie auch neuartige Produktionstechniken, die besonders kostengünstige Lederverkleidungen für den Innenraum ermöglichen. Oder Türverkleidungen aus einem Guss, die gegenüber den aktuellen, zusammenmontierten Modellen bis zu 40 Prozent Gewicht sparen. Das soll Autoherstellern helfen, die immer strengeren Emissionsgrenzen einzuhalten, ebenfalls eine künftige wichtige Anforderung.

Neben derartigen Innovationen, die eher den Fachmann freuen, gibt es in der ID16-Studie aber auch noch eine ganze Reihe cleverer Details, die möglicherweise bald in Serienautos einziehen werden. So etwa eine beheizbare Armlehne, antibakterielle Beschichtungen für das Lenkrad oder einen neuartigen Sonnenbrillenhalter im Dachhimmel. Dieser klappt nicht wie üblich an einem Scharnier auf, sondern fährt vertikal herunter, so dass die Brille nicht mehr versehentlich herausfallen kann. Ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten für Pkw-Innenräume ermöglicht eine neuartige Innenraumbelüftung. Statt auf die bei vielen Designern verhassten Gebläse-Düsen setzt sich auf einen schmalen Luftschlitz, der sich in den Fugen des Armaturenbretts durch das komplette Fahrzeug zieht. Das sieht nicht nur gut aus, sondern erlaubt auch einen Luftstrom, der den leichten Böen eines Waldwindes nachempfunden sein soll.

Ob und welche Komponenten des ID16 in Serie gehen, hängt von den Automobilherstellern ab. Laut Hendriks haben diese bereits sehr positiv auf das Innenraum-Konzept reagiert. Der Endkunde kann sich nun auf der IAA in Frankfurt (17. Bis 27. September) ein eigenes Bild machen.