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Renault Zoe Auf Langstrecke mit einem Elektroauto

Renault Zoe Foto: Hans-Dieter Seufert 7 Bilder

Um den Renault Zoe richtig auszuprobieren, überführte FIRMENAUTO den Stromer per Achse von Köln nach Stuttgart.

Welch bescheuerte Idee, mit einem Elektroauto in einem Rutsch 400 Kilometer weit von Brühl bei Köln nach Stuttgart fahren zu wollen. Vor allem an einem Tag, an dem Orkan Niklas die halbe Republik lahmlegt. Jetzt habe ich es tatsächlich mit der ersten Batterieladung 145 Kilometer weit bis nach Bingen geschafft, und nun schüttet Niklas den Regen kübelweise über meinem weißen Renault aus. Natürlich ist die RWE-Station nicht überdacht, natürlich liegt das Ladekabel im Kofferraum.

Rückblick: Am Morgen starte ich mit dem Zoe von der Renault-Hauptverwaltung in Brühl. Ausgerüstet mit roamingfähigen Ladekarten von EnBW, Mobility House und Plugsurfing. Mit ihnen kann man bundesweit bei verschiedenen Stromversorgern Strom zu zapfen. Ein wenig mitleidig drückt mir Pressechef Thomas May-Englert den Schlüssel des weißen Stromers in die Hand. „Melde Dich, wenn Du angekommen bist!“ Dass ein Journalist einen elektrisch betriebenen Testwagen selbst abholt, ist er nicht gewöhnt. Normalerweise werden die Autos den Redaktionen bequem auf einem Tieflader serviert.

Nur 2.500 Ladesäulen? Apps helfen bei der Suche

Was dem Einsatzzweck eines Stromers auch eher entspricht. E-Autos sind für urbane Ballungsgebiete gedacht oder für Pendler, die immer wieder die gleiche Strecke fahren. Aber nicht für lange Reisen. Wer will schon alle 120 Kilometer eine Ladesäule suchen? Zumal es bundesweit nur rund 2.500 Stück gibt. Meistens dort, wo man sie am ehesten braucht: in großen Städten.

Aber ich bin optimistisch: Die übersichtliche App von Plugsurfing hilft bei der Suche und sicherheitshalber habe ich vorher schon am PC die Route gescannt. Bonn, Koblenz, Boppard, viele Zapfmöglichkeiten gibt es nicht entlang der B9 rheinaufwärts.

Das Auto erklärt sich von selbst

Der Viersitzer erklärt sich von selbst, sieht innen aus wie jeder andere Kleinwagen. Geräumiger Innenraum, wenige Knöpfe, ein gut ablesbares TFT-Display, das übersichtlich den Füllstand der 22 kWh großen Batterie, Reichweite und Geschwindigkeit anzeigt. Einsteigen, Startknopf drücken, Automatikhebel auf D und los geht’s. Optimistische 180 Kilometer Reichweite verkündet der Zoe beim Start in Brühl. Das sollte locker für die knapp 150 Kilometer bis Bingen reichen. Vorsichtshalber drücke ich aber doch die Eco-Taste. Sie begrenzt die Leistung des 88 PS starken E-Motors und schaltet die Klimatisierung auf Sparstufe. Man weiß ja nie.

Aber auch im Eco-Modus geht’s fix voran. Genauso fix sinkt jedoch die angezeigte Reichweite. Aber das war zu erwarten, wenn man mit über 100 Sachen über die Schnellstraße rollt. Also lassen wir‘s etwas ruhiger angehen. Hinter Bonn auf der B9 am Rhein entlang entspannt sich die Lage. Tempo 80 schont den Akku und die Nerven. Knapp zwei Stunden und 110 Kilometer später bläst mich Niklas am Ortsschild von Boppard vorbei. Weiterfahren oder laden? 45 Kilometer seien zu schaffen, meldet der Zoe, fünf mehr als nach Bingen. Also weiter. Links grüßt die Loreley durch den Regen, rechts recken sich schemenhaft die Zinnen von Burg Schönburg in die tief hängenden Wolken.

Heizung und Klimaanlage ziehen Strom

Obwohl sich Niklas als eisiger Gefährte erweist, lasse ich die Elektro-Heizung laufen. Das kostet zwar wertvollen Strom, doch wir wollen den Zoe unter normalen Bedingungen testen. Auf dem Rhein tänzeln Schaumkronen, Schiffe kämpfen mit dem Wind. Bei Kaub taucht mitten im Fluss Burg Pfalzgrafenstein auf. Letzte Chance, noch eine Ladestation vor Bingen zu erreichen, in Lorch auf der anderen Rheinseite. Auf Fähre habe ich aber keine Lust, vertraue dem Zoe und seiner Reichweitenangabe. 23 Kilometer schafft er angeblich noch, das ergibt einen Notfall-Puffer von zwei Kilometern. Jetzt darf nichts schief gehen. Ob die Ladestation funktioniert? Ob sie auch frei ist?

Am Ende ist alles ganz entspannt. Die RWE-Säule verbirgt sich hinter einem Restaurant im Park. Ruckzuck ist das Auto verkabelt. Da die Säule den in der Ladekarte integrierten RFID-Chip nicht lesen kann, starte ich den Ladevorgang über die App von Plugsurfing. Mit klammen Fingern fixiere ich die integrierte Kamera und lese den QR-Code ein. Das würde sogar nachts klappen, denn die Entwickler haben daran gedacht, eine Taschenlampe zu integrieren. Schon nach wenigen Sekunden kommt die Info: „Laden geht ok“.

1,5 Stunden und ein ausgiebiges Mittagessen später peile ich Karlsruhe an. Schnell ist klar: Über die Autobahn wird das nichts. 140 Kilometer gemütlich auf der Landstraße wären machbar, doch ich möchte ja irgendwann ankommen. Als letzte Alternative auf der Route davor nennt die Ladekarte das nur 90 Kilometer entfernte Neustadt an der Weinstraße.

Mit 100 bis 120 km/h schwimmt der Zoe im dichten Verkehr mit. Schnell ausscheren und einen Lkw überholen? Kein Problem. Nur die Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h verkneife ich mir, um die 192 Zellen des Lithium-Ionen-Akkus nicht zu schnell leer zu saugen.

Die Säule auf dem Gelände des ADAC Pfalz begrüßt den Besucher mit dem Hinweis, dass man gerne kostenlos laden kann. Eine nette Geste, die allerdings kaum in Anspruch genommen wird. Bis Ende März hätten sich gerade mal elf E-Autos angedockt, sagt ADAC-Assistentin Stefanie Kühner und über das ganze Jahr 2014 hinweg waren es sogar nur 20.

Ob’s daran liegt, dass der ADAC schon um 17 seine Pforten schließt und man auch am Wochenende nicht laden kann? Kühner glaubt das nicht: „Es gibt einfach noch zu wenig E-Autos.“ Stimmt, Ende 2014 waren in Deutschland nur 18.948 Stromer zugelassen. Die von der Bundesregierung angepeilte Million Elektroautos ist bis 2020 wohl kaum zu schaffen.

Stadtwerke Karlsruhe parken Ladesäule zu

Dass E-Autos die Exoten auf deutschen Straßen sind, bestätigt der ungläubige Gesichtsausdruck des Pförtners bei den Stadtwerken Karlsruhe. „Sie wollen hier laden? Haben Sie überhaupt eine Ladekarte?“ Jawohl, habe ich, und die Säule auf dem Betriebsgelände ist öffentlich zugänglich. Theoretisch, denn Besucher scheinen sich nicht dorthin zu verirren. Warum sonst ist sie komplett zugeparkt von orangefarbenen Lieferwagen der Stadtwerke? Dass ich mich auf dem Grünstreifen von der Seite an die Säule heranpirschen kann, hilft auch nicht: Sie ist defekt. Kein Problem, nur ein paar Kilometer füllt die nächste öffentliche Steckdose in nur 20 Minuten die 22 kWh fassende Lithium-Ionen-Batterie wieder auf.

Der Rest ist schnell erledigt: Nach weiteren 90 Autobahn-Kilometern ist Stuttgart erreicht. Reine Fahrtzeit: 4 Stunden und 14 Minuten für 370 Kilometer, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 65 km/h. Ohne die Ladepausen. Insgesamt war ich fast acht Stunden unterwegs, habe für knapp 20 Euro Strom verbraucht und die Erkenntnis gewonnen: Mit einem E-Auto ist vieles möglich, aber nicht alles sinnvoll.