Dashcam Rechtslage weiterhin unklar

VW Caddy, Flotte, Fuhrpark, Dummy Foto: Foto: VW, Montage: firmenauto

Videos sind als Beweismittel zwar zugelassen, doch trotzdem sollte man keine Dashcam in Firmenwagen einbauen.

Sind Videoaufnahmen vom laufenden Verkehr – etwa von Kamerasystemen oder Handys, die hinter der Frontscheibe angebracht sind – sowie deren Verwertung vor Gericht nun erlaubt  oder nicht? Auch weiterhin gibt es beim Thema Dashcam keine Rechtsicherheit. Zwar hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem aktuellen Beschluss es für "grundsätzlich zulässig" erachtet, ein Video aus einer sogenannten Dashcam zu verwerten – jedenfalls bei der Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten (Beschluss vom 4. Mai 2016, AZ.: 4 Ss 543/15). Sicher ist aber laut Rechtsexperten nur – dass nichts sicher ist.

Zwar handelt es sich bei dem Beschluss nach Angaben des OLG um die erste obergerichtliche Entscheidung zu der Fragestellung, ob Dashcam-Videos als Beweismittel vor Gericht grundsätzlich zuzulassen sind. "Aber der Beschluss bringt nichts Neues, er bestätigt nur, was die Untergerichte und auch der Verkehrsgerichtstag in Goslar sagen – dass es unbedingten Handlungsbedarf durch den Gesetzgeber gibt", sagt Rechtsanwältin Daniela Mielchen aus Hamburg.   

Eingriff in die Persönlichkeitsrechte

Das Problem: Die Nutzung von Dashcam-Daten stellt nach §6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG, Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen) einen Eingriff in die  Persönlichkeitsrechte unbeteiligter Verkehrsteilnehmer dar – so sehen es die Verwaltungsgerichte. Die Strafgerichte – und auch das OLG Stuttgart – sehen deshalb in §6b BDSG noch lange kein Beweisverwertungsverbot. Für sie ist die Analyse und Auswertung der Daten ein ideales Beweismittel zur Unfallaufklärung im Bußgeld- und Strafverfahren. Also stehen sich im Falle der Dashcam das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Maßnahmen für eine effektive Strafverfolgung gegenüber.

"Bei dem Beschluss des OLG  Stuttgart gewinnt in der Abwägung der effektive Rechtschutz gegen den informationellen Selbstschutz", sagt Mielchen. In dem vorliegenden Fall ging es um einen Rotlichtverstoß. Den Tatnachweis führte das Amtsgericht Reutlingen allein aufgrund eines Videos, das ein anderer Verkehrsteilnehmer anlasslos mit einer Dashcam aufgenommen hatte.

In dem Fall wiegt der Schutz von Leib und Leben für das OLG deutlich schwerer, die informelle Selbstbestimmung muss also zurücktreten. Auch weil "Intensität und Reichweite des Eingriffs" im konkreten Fall sehr gering seien, wie das OLG schreibt, und das Video nur "mittelbar die Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeuges ermögliche, nicht den Kernbereich privater Lebensgestaltung" oder seine Privatsphäre zeige.

Eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit haben nach Ansicht des OLG auch die Bußgeldbehörden bei Verfahrenseinleitung und der Prüfung der Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen vorzunehmen. Aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes (§ 47 OWiG) stehe es den Bußgeldbehörden frei, ein Verfahren, das ausschließlich auf den Nachweis durch Dashcams beruhe, nicht weiter zu verfolgen.

Behörden haben Ermessensspielraum

So lange es keine gesetzliche Regelung gibt, ist die Auswertung und Nutzung der Daten in einem Verfahren also auch weiter vom Ermessen der Behörden und der Abwägung der Interessen abhängig. Wer eine Dashcam betreibt, kann also nicht zwangsläufig darauf setzen, dass sie auch als Beweismittel vor Gericht zugelassen wird.

Ganz im Gegenteil: "Das Betreiben solcher Kameras, die den öffentlichen Raum ständig auf zeichnen, ist nach wie vor nicht erlaubt", hebt Mielchen hervor. In Einzelfällen könne nach Angaben der Fachanwältin für Verkehrsrecht eine solche Kamera in Gefahrensituationen mit strafrechtlicher Relevanz vielleicht helfen – wenn etwa ein Lkw-Fahrer von einem Pkw-Fahrer gefährlich überholt oder auf einer Strecke öfters geschnitten werde. Dann könne der Fahrer die Kamera anlassbezogen einschalten.

Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer solchen Situation kommt? Und was ist gewonnen, wenn die Kamera-Aufzeichnungen gar das eigene Fehlverhalten dokumentieren und dann gegen den Betreiber eingesetzt werden? "Grundsätzlich sollte man hier zwischen Nutzen und Nachteil deutlich abwägen", sagt Mielchen. Wer eine Dashcam dauerhaft laufen lasse, dem drohen zudem eine Untersagung des Betriebs und in einigen Ländern auch empfindliche Bußgelder. "In diesem Fall gilt: Besser Finger weg von der Kamera", sagt Rechtsanwältin Mielchen.

Das Urteil

Wegen eines Formfehlers hatte das Verwaltungsgericht Ansbach dem Kläger im sogenannten Dashcam-Verfahren zwar Recht gegeben (Urteil vom 12. August 2014, Az.: AN 4K 13.01634). Maßgeblich ist aber die Auffassung des Gerichts, dass das Bundesdatenschutzgesetz heimliche Aufnahmen unbeteiligter Dritter grundsätzlich nicht zulasse und derartige Aufnahmen einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der von den Filmaufnahmen betroffenen Personen darstellen. Die  Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und den Interessen der heimlich gefilmten Personen falle daher zu Ungunsten des Klägers aus