Dieselaffäre Wie geht's weiter mit dem Diesel?

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Firmenwagen fahren mit Diesel. Doch diese Formel könnte angesichts der aktuellen politischen Lage nicht mehr aufgehen. Der Selbstzünder zwischen Fahrverbot, Nachbesserung und Wertverlust.

Planungssicherheit ade. Daran ändern auch die Ergebnisse des Diesel-Gipfels der Bundesregierung nicht viel, denn ob ein kostenloses Software-Update die erwünschten Verbesserungen der zu stickoxidhaltigen Stadtluft bringt, muss sich erst noch erweisen. Fahrverbote in Innenstädten sind damit jedenfalls nicht vom Tisch. 

Erst Mitte Juli 2017 hatte das Stuttgarter Verwaltungsgericht die Gesundheit der Menschen über das Recht auf Mobilität gestellt und die Wirksamkeit von Nachrüstungen über die Software bezweifelt. Um die Luft nachhaltig zu verbessern, genüge es nicht, Dieselfahrzeugen an nur Tagen mit erhöhter Schadstoffbelastung auszusperren. Das Stuttgarter Urteil könnte Signalwirkung auf andere Kommunen haben, die ebenfalls die gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxide nicht einhalten.

Feinstaubalarm Fahrverbot Foto: Fotolia
Die erhöhten Feinstaub-Werte brachten die Umweltdebatte in Stuttgart zum Rollen. Aktuell geht es aber nicht um Feinstaub, sondern um Stickoxide.

Fahrverbote sollten vermieden werden

Baden-Württemberg wollte Fahrverbote unbedingt vermeiden und setzte auf Nachrüstungen älterer Diesel. Doch die Richter meinen: Das Land darf sich nicht darauf verlassen, dass die Autoindustrie tätig werde. Die Richter gaben damit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe statt. „Das Verkehrsverbot verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil der Gesundheitsschutz höher zu gewichten ist als das Recht auf Eigentum und die allgemeine Handlungsfreiheit der vom Verbot betroffenen Kraftfahrzeugeigentümer", erläuterte Richter Wolfgang Kern seine Entscheidung. Ob das Land Baden-Württemberg in Berufung geht, soll entschieden werden, wenn die angekündigte schriftliche Urteilsbegründung geprüft wurde, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums.

Axel Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverband Fuhrparkmanagement sieht das Urteil kritisch. Firmenfuhrparks seien zum Großteil mit verbrauchsärmeren Dieselfahrzeugen ausgestattet, viele davon mit Euro 5. Die würden häufig in den Innenstädten eingesetzt, im Lieferdienst beispielsweise. Ein Fahrverbot würde die Belieferung des Handels und der Unternehmen in den Innenstädten ebenso gefährden wie die Nachfrage nach Produkten und Arbeitsplätzen. Der Verband verweist auf Berlin: Dort gebe es rund 650.000 Pendler, 80 Prozent mit Dieselfahrzeugen, die zu ihrem Arbeitsplatz fahren und in den Städten Umsatz machen.

Cayenne S E-Hybrid Foto: Porsche
Porsche muss die Abgasbehandlung bei 22.000 Cayenne nachbessern. Bis Porsche eine neue Software für die Fahrzeuge liefert, die erst vom Kraftfahrtbundesamt genehmigt werden muss,dürfen keine Cayenne Diesel mehr zugelassen werden.

Porsche darf keinen Cayenne Diesel mehr zulassen

Es könnte zu einer Revision des Stuttgarter Urteils vor dem Oberverwaltungsgericht in Leipzig kommen. Bislang wollen sich die Autobauer mit Software-Updates begnügen. Das wäre mit etwa 300 Millionen Euro Kosten die billigere Lösung, denn technische Nachrüstungen könnten leicht mit 1.500 Euro pro Fahrzeug zu Buche schlagen. VW jedenfalls plant, 1,5 Millionen Fahrzeuge mit einer aktualisierten Software auf einen Stand zu bringen, der Fahrverbote verhindert. Damit würden insgesamt vier Millionen Fahrzeuge auf Kosten des Herstellers zurück in die Werkstatt geholt. Laut ADAC drücken solche Veränderungen die Emissionen aber lediglich um etwa 20 Prozent.
 
Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer hält Software-Updates für riskant: „Niemand weiß, welche Folgen es für den Motor hat, wenn die Abgasreinigung beim Diesel bei niedrigeren Temperaturen einsetzt“, sagte er. Nicht nur der ADAC fordert technische Nachrüstungen und rät, derzeit keine Diesel-Pkw zu kaufen. „Unsere Empfehlung ist, mit einem Neuwagenkauf eventuell noch zu warten, bis im Herbst Modelle mit dem Standard Euro 6D auf den Markt kommen", sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker der Wochenzeitung „Die Zeit“. Axel Schäfer vom Fuhrparkverband fordert die Automobilindustrie auf, die Prioritäten so zu verändern, dass die Weiterentwicklung schadstoffarmer Alternativen ganz oben auf der Agenda stehe. "Technische Lösungen sind Fahrverboten vorzuziehen. Es sollten für eine dauerhafte Schadstoffreduzierung saubere und emissionsarme Fahrzeuge entwickelt und vermarktet werden. Kurzfristige Fahrverbote lösen einen hohen wirtschaftlichen Schaden aus."
 
Noch vor dem Gipfel hielt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Software-Verbesserungen nur für einen ersten Schritt und sah  die Autobauer an einem Wendepunkt. „Die Kumpanei, die es zwischen Teilen der Bundesregierung und der Industrie gegeben hat, muss enden“, sagte sie. Die jüngsten Kartellvorwürfe hätten weiteres Vertrauen zerstört. Sie sprach von einem „allerletzten Weckruf“ und betonte, die Aufsicht über die Branche müsse verstärkt werden.
Unterdessen hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mit einer verpflichtenden Rückrufaktion wegen Abgasmanipulationen für 22.000 Porsche Cayenne mit Dreiliter-Dieselmotor durchgegriffen und noch ein Zulassungsverbot für das Modell mit dem von Audi zugelieferten 4.2 V8-Diesel ausgesprochen, obwohl auch der Euro 6 erfüllt. Medienberichten zufolge soll Dobrindt allerdings bereits 2016 von der illegalen Software bei Porsche gewusst haben.

Verliert der Diesel seinen Steuervorteil?

Ein gewichtiges Argument für den Diesel war immer seine Wirtschaftlichkeit, sowohl was den Verbrauch als auch was die Steuern angeht. Während der im Vergleich zum Benziner geringere CO2-Ausstoß weiterhin für die Antriebstechnik spricht, könnte es mit dem finanziellen Vorteil über kurz oder lang vorbei sein. Als erster führender FDP-Politiker stellt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart die Subventionierung durch den Staat infrage, weil sie mittelfristig nicht zu rechtfertigen sei. In der „Rheinischen Post“ plädierte er für einen sanften Übergang und betonte, allen müsse klar sein, „dass die Dieseltechnologie eine Übergangstechnologie ist“.

Keine Haftung bei Updates
 
Software-Updates können die NOx-Werte verbessern. So bietet beispielsweise Daimler eine „freiwillige Servicemaßnahme“ für inzwischen mehr als drei Millionen Fahrzeuge an. Da diese aber kostenlos ist, bestehen keine Sachmängelhaftungsrechte für die Arbeiten. Grundsätzlich muss der Kunde beweisen, dass etwa technische Defekte auf das Update oder ein fehlerhaftes Aufspielen zurückgehen, warnt der ADAC.