Europas größtes Infrastrukturprojekt Neue Perspektiven für Paris

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Neue Metro, neue Straßen, neue Wohngebiete – mit Europas größtem Bauprojekt will die
französische Hauptstadt bis 2030 die gesamte Infrastruktur umkrempeln.

Zwölf Millionen Menschen, 19 Prozent von Frankreichs Bevölkerung, leben in und um Paris. Damit ist Paris nicht nur Frankreichs Hauptstadt, sondern Europas Region mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Mit den entsprechenden Mobilitätsproblemen. Die Stadt erstickt in Verkehr und Abgasen, Millionen Pendler drängen sich in der überfüllten Metro. Einen Geschäftstermin pünktlich zu erreichen wird zum Vabanquespiel.

Jetzt gibt es Pläne, bis 2030 die gesamte Verkehrsinfrastruktur zu modernisieren. Für den Fall, dass Paris die Olympiade bekommt, könnte das Mammutprojekt "Grand Paris" sogar schon bis 2024 Fahrt aufnehmen, mit der Expo 2025 als einem zusätzlichen Antrieb. Grand Paris wäre dann nicht nur das größte europäische Projekt und die drittteuerste Baustelle der Welt, sondern würde die Mobilität in der französischen Hauptstadt grundlegend verändern.

Herzstück des Vorhabens ist eine fahrerlose Metro, der sogenannte Grand Paris Express. Sie soll zahlreiche Außenbezirke mit dem Zentrum, den Flughäfen und den Hauptbahnhöfen verbinden. Vier Metrolinien werden gebaut, mit 200 Kilometern neuer Strecke und 68 Bahnhöfen. Dazu Wohngebiete, Wirtschafts- und Universitätszentren sowie Kultureinrichtungen.

Carsharing, Metro, Bus – alles soll miteinander vernetzt werden

Das jetzige Straßennetz entstand Mitte des 19. Jahrhunderts, mit einem zentralen Stadtzentrum und strahlenförmig davon ausgehenden Straßen in die Vororte. Was damals passte, erweist sich heute verkehrstechnisch als Nachteil. Die neuen Pläne sehen einen Ring um Paris vor, der alle Orte der Île-de-France-Region verknüpfen soll. Denn angesichts der immens hohen Mieten leben die wenigsten Pariser im alten Zentrum, sondern in der Banlieue außerhalb der Périphérique, jener stauberüchtigten Ringautobahn um den Stadtkern. Deren Mobi­li­täts­ansprü­che müssen berücksichtigen werden. Zumal man schätzt, dass die Bevölkerung im Großraum Paris bis 2030 um 300.000 Einwohner anwächst.

Paris will heute die Weichen für die digitale Stadt von morgen stellen

Grand Paris will alle Transportmittel miteinander verzahnen. Wer dann quer durch die Metropole oder in die Stadt fährt, soll unterschiedlichste aufeinander abgestimmt Verkehrsmittel nutzen. Man fährt mit einem Carsharing-Fahrzeug zu einem der neuen Bahnhöfe und steigt in die vollautomatisierte Metro. Dann wechselt man in ein mit Solarstrom betriebenes Elektro-Taxiboot, wie es ab September 2017 über die Seine schweben wird. Oder man nimmt einen der autonomen Shuttlebusse, die schon Anfang des Jahres einen Testlauf auf der Charles-de-Gaulle-Brücke absolvierten. Auf den letzten Metern kommt vielleicht das Solowheel zum Einsatz, eine Art elektrisch angetriebenes Einrad, ähnlich einem Segway-Roller, nur ohne Stange. Oder ein Hoverboard.

Paris, Verkehr, Ausland Foto: Gugu Mannschatz
Paris: Noch rollt der Verkehr auf den Champs-Elysées. Aber warten Sie mal die Rush Hour ab.

Verkehrsexperten gehen davon aus, dass europäische Städte bis 2025 eine Trendwende in der Mobilität erleben. Sie versuchen, Antworten auf die Frage zu finden, wie das Angebot der Verkehrsmittel verändert werden muss, um den Ansprüchen von Grand Paris zu entsprechen. Eine Hypothese lautet dabei, dass innovative Transportmittel nach und nach die bestehenden Technologien verdrängen werden. Die Megastädte erfahren also einen Neustart.

Doch bis dahin gilt es zu analysieren, wie wir uns in immer dichter besiedelten Lebensräumen bewegen und dabei Umweltverschmutzung, Verkehrschaos und Unfälle vermeiden können. Das betrifft private wie geschäftliche Mobilität. Letztere wird sich möglicherweise mit besseren digitalen Angeboten verringern lassen und auch das Auto wird nicht länger der Inbegriff der Mobilität sein.

Vielmehr, so eine Meinung, werden fünf Mobilitätsarten die Städte verändern: aktive Mobilität, Datenmobilität, elektrische, geteilte und autonome Mobilität. Durch deren Interkonnektivität wird Nachhaltigkeit erreicht. Was aber verbirgt sich dahinter? Datenmobilität beispielsweise beginnt zu Hause. Der Reisende stellt sich Routen und Verkehrsmittel über Apps und Tools zusammen oder bestellt individualisierte Transportmittel über Onlinevermittlungsdienste direkt an die Haustür.

Grand Paris will die Weichen für die digitale Stadt von morgen schon heute stellen. Das Projekt soll zum Versuchslabor für Start-ups aus dem Mobilitätssektor werden. Paris habe Pläne für die "digitale Republik", versichert Gaëlle Pinson, Projektleiterin Digital und Innovation der Société du Grand Paris, auch wenn derzeit die Überlegungen für eine Gesamtlösung noch am Anfang stünden und es keine detaillierten Pläne gebe.

Größte Metropolregion Europas

Wirtschaft
• 5 Städte in der Region Paris
• 12 Millionen Einwohner
• 8,3 Millionen Fachbesucher pro Jahr
• 47 Millionen Touristen pro Jahr

Transport
• 3 Flughäfen mit 97,2 Millionen Fluggästen jährlich
• 10 Hauptbahnhöfe mit 1 Million Fahrgästen auf 3.550 Zügen täglich
• 7 Hochgeschwindigkeitsbahnhöfe mit
19 Millionen Passagieren jährlich

Grand Paris

• 115.000 Jobs während der Bauzeit
• 100 Milliarden Euro zusätzliches Bruttoinlandsprodukt
• 4 neue Metrolinien
• Verbindung zwischen 10 innovativen
Wirtschaftsdrehkreuzen
• 200 km vollautomatisierte Metrostrecke
(90 Prozent unterirdisch)
• 68 neue Bahnhöfe
• 2 Millionen Passagiere täglich
• 27,6 Millionen Tonnen CO2-Einsparung bis 2050
• 18 Millionen Quadratmeter Baugelände im Umfeld der Bahnhöfe
• 140 Quadratkilometer für Stadtentwicklung
• Mehr als 250.000 neue Wohneinheiten