Explodierte CNG-Tanks Wie geht's weiter mit der Erdgas-Technik?

VW Touran Foto: Hardy Mutschler

Erst brechen die Verkaufszahlen von Erdgasautos ein, dann explodiert ein VW Touran und schließlich wurde auch noch der Verkauf von Erdgas gestoppt: Die saubere Technik kommt unter Druck, der Imageverlust ist gewaltig. Wie geht es weiter?

Blaues Auto, blaue Tankstelle, blaues Wunder! Am frühen Abend des 9. September rummste es kräftig an der Aral-Tankstelle in Duderstadt bei Göttingen. Kaum hatte der Besitzer eines blauen VW Touran Ecofuel den Gasschlauch auf den Stutzen gesteckt, explodierte der Hochdrucktank des Erdgasautos. Die Druckwelle war gewaltig. Trümmer des Touran flogen mehrere hundert Meter weit, andere steckten in der massiven Mauer des Tankstellengebäudes. Der Fahrer hatte Glück im Unglück. Weil er bei der Verpuffung des Gases den Ölstand seines Autos prüfte, wurde er nicht so schwer verletzt, wie wenn er im Auto gesessen hätte. Dennoch musste er mit Verbrennungen an den Füßen und Schürfwunden an den Beinen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dies war das vierte Gasauto, das seit 2012 in die Luft ging. Immer handelte es sich um VW Touran und immer vermutet man Rost als Unfallursache.

Im Unterboden des VW Touran sind vier Gasflaschen verbaut. Jede fasst 24 kg hochverdichtetes CNG. In Duderstadt explodierte nur einer der vier Behälter. Um Schlimmeres zu verhindern, wurde der Wagen mit einem ferngesteuerten Minibagger aus der Gefahrenzone geschleppt.

VW weiß schon lange, dass die Tanks rosten können

Im Unglücks-Touran barst eine vordere Gasflasche. Dass die rosten können, weiß VW längst. Schon nach der ersten Explosion eines Tanks im August 2012 reagierte der Hersteller, orderte die ersten Modelle in die Werkstätten. „Mit dem Start der Rückrufaktion im Oktober 2012 für die hinteren Flaschen haben wir den Werkstätten den Auftrag erteilt, vorsorglich auch die vorderen Behälter zu untersuchen und bei Korrosion auszutauschen“, sagt Michael Franke, Technik-Sprecher von VW. Wegen weiterer Fälle entschied sich VW im Frühjahr 2016 für eine Komplettlösung und rief den Touran zusätzlich zum Tausch der vorderen Flaschen in die Werkstatt. Dieser Rückruf startete am 3. Juni 2016.

„Europaweit haben wir derzeit bei rund 65 Prozent aller Touran die vorderen Gasflaschen getauscht, bei den hinteren sind es 94 Prozent“, sagt Franke. Damit sollte die Gefahr eigentlich gebannt sein. Sofern die Halter ihr Auto denn überprüfen ließen. Denn der Halter eines 2015 in Schweden hochgegangenen Touran ignorierte das Schreiben der Zulassungsbehörde. Und bei dem im Juni 2016 ebenfalls in Schweden betroffenen Touran platzte die vordere Gasflasche einen Tag nach dem Start der Rückrufaktion.

Staatsanwaltschaft ermittelt nach Explosion

Auch der explodierte Wagen von Duderstadt gehörte zu einem der zurückgerufenen Modelle. Mittlerweile weitete VW die Werkstattaktion auf 35.000 Erdgasautos der Modelle Caddy, Passat und Touran der Jahrgänge 2006 bis 2010 aus. Selbst wenn Firmen ihre Firmenwagen in der Regel selten länger als drei Jahre fahren: Erdgasautos bleiben schon wegen der etwas schwierigeren Vermarktung öfters länger in den Fuhrparks. Insofern sind auch etliche gewerbliche Nutzer betroffen.

Bedeutet dies nun das Aus für die saubere Antriebstechnik? VW winkt ab. „Die CNG-Technologie ist für VW eine wichtige Säule, um die CO2-Ziele zu erreichen“, sagt Franke. „Deshalb werden wir weiter daran festhalten.“ Wie alle Hersteller steht VW unter Druck. 2020 muss die durchschnittliche Flotten-Emission von 95 Prozent der verkauften Neuwagen unter 95 Gramm CO2 sinken, sonst drohen hohe Strafen. Erdgasautos helfen dabei genauso wie Elektrofahrzeuge oder Hybride.

Opel verbaut Kunststofftanks

Opel ist einer der anderen Hersteller von Erdgasautos. Aktuell laufen CNG-Versionen von Combo und Zafira vom Band. In Rüsselsheim kennt man das Problem der Korrosionsbildung an den Hochdruckzylindern und ersetzte schon 2012 die entsprechenden Tanks. „Für neuere Modelle benutzen wir nur noch Tanks aus einem Kunststoff-Karbon-Kompositionsmaterial“, sagt Pressesprecher Wolfgang Scholz.
CNG steht für Compressed Natural Gas, das mit beachtlichen 200 bar in die Tanks gepresst wird und viel sauberer verbrennt als Diesel oder Benzin. „Druck ist beherrschbar und unproblematisch, solange keine Fehler bei der Verarbeitung der Teile gemacht werden“, sagt Michael Oppermann, Sprecher von Zukunft Erdgas, Berlin, einer Initiative der deutschen Erdgaswirtschaft. Von erdgasbetriebenen Fahrzeugen gehe kein erhöhtes Risiko gegenüber Benzin oder Diesel aus. „Der Unfall scheint zurückzuführen auf einen nicht beachteten Rückruf, was der ansonsten sicheren Technologie nicht schaden wird“, sagt Oppermann.

Ob das die Kunden beruhigt, ist fraglich. Zumal Aral, Shell, Esso und Jet vorübergehend den Verkauf von CNG von Aral stoppten. „Hier wurde wichtiges Vertrauen der Erdgasfahrer verspielt, das wir jetzt wieder zurückgewinnen müssen“, sagt Oppermann. Die vier Mineralölkonzerne gehen mittlerweile unterschiedlich mit der Lage um. Aral etwa empfiehlt seinen Tankstellenpächtern, wieder Erdgas zu verkaufen. Die vom Rückruf betroffenen VW-Modelle sollten allerdings nicht tanken dürfen.

Für den sauberen Kraftstoff ist der Imageschaden jedenfalls gewaltig und trifft die Branche zu einem mehr als ungünstigen Zeitpunkt. Denn trotz vieler Bemühungen der Branche kommt dieser alternative Antrieb bei den Kunden nicht an, weder bei Flottenbetreibern noch bei privaten Käufern. Obwohl der Betrieb eines CNG-Autos im Alltag völlig problemlos ist. Aber zum einen scheint Elektro und Hybrid als Antrieb derzeit einfach attraktiver. Zum anderen zehren die niedrigen Preise für Benzin und Diesel am Kostenvorteil von Erdgas. 2015 wurden in Deutschland nur noch 5.285 CNG-Autos zugelassen, nach 8.194 im Jahr 2014 und weit über 10.000 in den Jahren 2006 bis 2010.

Erdgasflotte des Bundestags bleibt in der Garage

Der Bundestagsfahrdienst jedenfalls lässt seine 36 mit Erdgas angetriebenen Autos vorerst in der Tiefgarage stehen. „Die Sicherheit unserer Fahrgäste und Chauffeure hat absoluten Vorrang“, sagt Ferdi Haak, Betriebsleiter von Rocvin. Der nach eigenen Angaben bundesweit größte Limousinendienst ist besonders stark in der Politik vertreten. 2014 und 2015 testete er großflächig 55 mit Biogas betriebene VW Passat. Da die problemlos liefern, entschied Rocvin, ein Viertel der künftigen Flotte mit Gasantrieb zu ordern. Diese Autos bleiben jetzt erstmal stehen. „Erst nach abschließender Klärung und gegebenenfalls Beseitigung aller Sicherheitsrisiken werden die Gas-Fahrzeuge wieder eingesetzt“, so der Betriebsleiter.

Das allerdings nur auf Zeit: Spätestens im Jahr 2020 will Rocvin den kompletten Fuhrpark auf Elektro-Autos umgestellt haben. Dann hat sich die Sache mit Erdgas im Auto für das Unternehmen erledigt.