Flexibilität und Raumangebot waren bei BMW bislang untergeordnete Themen. Mit dem 2er Gran Tourer kommt der erste Siebensitzer der Marke. Auch beim hochgewachsenen Van bleibt der Marken-typische Fahrspaß nicht auf der Strecke.
Ziemlich unsexy, nichts für eine sportliche Marke, ein Segment kurz vor dem Aussterben: Um Vans machten die BMW-Strategen lange Zeit einen großen Bogen. Doch die Chefetage in München merkt, dass eine Lücke im Modellprogramm klafft. Familienväter, die zu Singlezeiten den kompakten 1er oder eines der sportlichen Coupés fuhren und nun den Wunsch nach Platz äußern, schauten bei BMW in die Röhre. Sollte es weiterhin ein deutsches Fabrikat aus der gehobenen Klasse sein, blieb nur der Gang zu Mercedes, die mit ihrer B-Klasse bislang den einzigen Premium-Van stellten. Doch was, wenn die Kinder aus dem Haus sind, aber die Eltern nicht mehr zu BMW zurückkehren? Sattdessen ihre fetten Dienstwagen im höheren Dienstalter weiterhin beim Konkurrenten ordern. Ein Van muss her, zur Kundenbindung.
21 Zentimeter länger als der Active Tourer
So ist nun seit rund einem halben Jahr der BMW 2er Active Tourer auf dem Markt. Und ganz zur Freude der Münchner scheint der kleine Van nicht nur BMW-Fahrern die Familiengründung zu versüßen. Drei von vier Active Tourer Kunden greift die Marke von der Konkurrenz ab. Weil der Neue so gut ankommt, schiebt der Hersteller mit dem Gran Tourer (ab 24.075 Euro netto) nun zum Preisaufschlag von 1.050 Euro noch eine verlängerte Version des Vans nach, in dessen Liga die B-Klasse nicht mehr mitspielt.
Mit 4,56 Metern übertrifft er den Konkurrenten und auch den kleinen Bruder um rund 21 Zentimeter. Elf kommen davon dem Radstand zugute, der Rest dem Kofferraum. Denn hier baut BMW auf Wunsch eine dritte Sitzbank (663 Euro) ein. Der schmale Zustieg und die flache Sitzposition der beiden Einzelsitze im Heck sind – wie bei den meisten siebensitzigen Vans – nur für Kinder gemacht.
Bis zu 1.905 Liter Kofferraumvolumen
Auf der zweiten Reihe sitzen auch Erwachsene bequem. Die Bank lässt sich um 13 Zentimeter in Längsrichtung verschieben, die Lehnen in der Neigung verstellen. Weil im Vergleich zum Active Tourer die Dachlinie um mehr als fünf Zentimeter höher liegt, ist der Gran Tourer für einen BMW ungewöhnlich luftig geschnitten. Im ganzen Innenraum finden sich zahlreiche praktische Ablagen für Smartphones, Schlüssel und größere Gegenstände sowie Flaschenhalter, die hinten wie vorne selbst 1,5-Liter-Flaschen verstauen.
Mit einem Handgriff verschwinden die beiden Sitze der dritten Reihe flach im Ladeboden. Ein Zug an den seitlichen Hebeln im Kofferraum und auch die dreigeteilte zweite Sitzreihe fällt nach vorne, wodurch das Ladevolumen beim Siebensitzer von 560 auf 1.820 Liter steigt. Beim Fünfsitzer sind es aufgrund des zusätzlichen Staufachs unterm Ladeboden 1.905 Liter. So viel schluckte kein BMW zuvor. Der Gran Tourer ist aber nicht nur geräumig, sondern auch praktisch. Wird das Abdeckrollo nicht gebraucht, verschwindet es unter einer Luke im Boden und die umlegbare Beifahrersitzlehne macht für lange Gegenstände bis 2,60 Meter Platz.
Vier Diesel mit 95 bis 190 PS
Familien-Papas, die sich schon in einem wankenden Bus wähnen, können entspannt durchatmen. Der Gran Tourer ist ein Van und kommt alleine schon von seiner Statur her nicht an das Fahrverhalten eines 4er BMW heran. Er ist aber ein sehr agiler Van, der mit adaptiver Dämpfung, flinker Achtgang-Automatik und direkter Lenkung einen Fahrspaß bietet, den man in kaum einem Familien-Auto wiederfindet.
Bis auf den Topbenziner 225i mit 231 PS greift der Gran Tourer ins gleiche Motorenregal wie der Active Tourer: Zwei Benziner (136 und 192 PS), vier Diesel (95 bis 190 PS). Der 136-PS-Ottomotor und der 95-PS-Diesel sind aus der neuen Dreizylinder-Motorenfamilie. Mitte des Jahres folgt mit dem 100 PS starken 216i eine neue Einstiegsvariante für 22.647 Euro.
Die von uns gefahrenen Topvarianten haben erwartungsgemäß keine Mühe den Van flott und komfortabel zu bewegen. Dass der Gran Tourer wie der Active Tourer als erster BMW die Vorderräder antreibt, spürt man höchstens beim sportlichen Herausbeschleunigen auf schlüpfrigem Untergrund. Wer sich dennoch dem neuen Frontantriebskonzept verweigert, kann als einzige Motorisierung den 220d mit Allradantrieb ordern. Beim Aufpreis von knapp 3.500 Euro ist die Achtgang-Automatik mit dabei.
Stauassistent und Head-up Display
Und auch sonst lässt sich beim Van – wie bei Premium-Modellen üblich – viel Geld in Sonderausstattung investieren. So fährt der Gran Tourer mit neuester BMW-Technik vor, wie beispielsweise dem Abstandstempomat inklusive Stauassistent, den LED- Scheinwerfern, der elektrischen Heckklappe oder dem großem Navi-System mit 8,8-Zoll-Bildschirm und Head-up Display.
Letzteres projiziert die Infos allerdings nicht wie bei BMW gewohnt direkt auf die Windschutzscheibe, sondern auf eine kleine Plastikscheibe, die aus dem Armaturenträger herausfährt. Nicht ganz so schick, hilft aber dennoch im Verkehr einen besseren Überblick zu behalten. Die gute Rundumsicht im kompakten Van ist ohnehin außergewöhnlich für die ansonsten eher eng geschnittenen BMW-Innenräume. Das liegt auch an der erhöhten Sitzposition. Mit der hat sich die B-Klasse übrigens auch bei älteren Herrschaften beliebt gemacht. Ob Gran Tourer-Fahrer ihren Van vielleicht gar nicht mehr abgeben wollen, wenn die Kiddies aus dem Haus sind?