Der neue Jaguar F-Type soll den Briten wieder zu einem sportlichen Image verhelfen. Mit seiner eleganten Form und seinem bissigen Temperament ist er Nobel-Roadster und Sportwagen zugleich.
Es liegt in der Natur des Menschen, sich Verboten zu widersetzen, Grenzen auszureizen und das Nicht-Alltägliche zu suchen. Die Jaguar-Crew hätte es also wissen müssen: Mit der Bitte, die umliegenden Ortschaften leise zu durchfahren und nicht die Taste für die Klappensteuerung des aktiven Auspuffsystems zu drücken, sorgten sie für reichlich Nervenkitzel. Und den Drang, die Taste vom Start weg gleich in der Kriechzone auszuprobieren. Zumal der neue Jaguar F-Type selbst mit dem V8 im langen Bug bei Stadttempo britisches Understatement beweist und uns auf den ersten Metern der Testfahrt „lediglich“ mit tief brummender Stimme begleitet.
Was passiert also, wenn wir den schmalen Kippschalter neben dem Joystick der Achtgang-Automatik umlegen? Gerademal zwölf Sekunden konnten wir unseren Zeigefinger von der verbotenen Taste fern halten. Denn so lange braucht der Nobel-Roadster, um seine Stoffmütze zurückzuziehen – für eine barrierelose Klangkulisse versteht sich.
Atemberaubende Klangkulisse
„Klick“. Ups, jetzt ist es passiert. Der Jaguar schärft seine vierflutige Auspuffanlage, wir spitzen unsere Ohren. Langsam lassen wir uns mit dem F-Type im Verkehr zurückfallen und drücken kurz, aber beherzt aufs Gaspedal. Der Kompressor trommelt die 495 Pferde für einen kurzen Sprint zusammen und der F-Type wandelt sein kehlig röhrendes Flüstern in ein zorniges Brüllen. Immer bereit, den Vordermann mit einem Happs zu verschlingen.
Beim Ausrollen brabbelt die Fünfliter-Maschine heißer. Aus den Endrohren knallt es in Rennwagenmanier, als hätte die eben durchfahrene Ortschaft vor Freude über die V8-Gesangseinlage ein Feuerwerk in die Luft gejagt. Beifall gibt es auch von uns und auf der Landstraße zwingen wir den F-Type zu einer Zugabe nach der anderen – das Spiel mit dem Gas und die daraus resultierende Klangkulisse machen regelrecht süchtig.
In 4,3 Sekunden von null auf Tempo 100
Mit gedrückter Dynamic-Taste nimmt der F-Type jetzt noch williger Gasbefehle an und spult die acht Gänge der ZF-Quickshift-Automatik wie am Schnürchen durch. Wer will, kann per Schaltpaddels auch selbst den Ton angeben. Da freut man sich sogar über Verkehr auf der Landstraße und zahlreiche Überholmanöver. Wie Pylonen lässt der F-Type die anderen Autos stehen. In 2,5 Sekunden zischt die Raubkatze von 80 auf 120 km/h. Für den Sprint von null auf Tempo 100 genügen ihr 4,3 Sekunden.
Wer es nicht ganz so wild mag, kommt auch gut mit einem der beiden – ebenfalls per Kompressor aufgeladenen – Sechszylinder (340 und 380 PS) aus. Beine machen sie dem F-Type allemal und auch klangmäßig stehen sie dem V8 in kaum etwas nach. Der V6 S übertönt den V8 S sogar um fünf Dezibel, faucht fast ebenso Ehrfurcht einflößend aus seinem mittigen Doppelendrohr. Für den Sprint auf 100 km/h braucht der F-Type mit Dreiliter-Triebwerk (V6 S) nur sechs Zehntelsekunden länger. Die Geldbörse dankt die Zurückhaltung dafür umso deutlicher. 83.949 Euro ruft Jaguar für den Achtzylinder auf. Die beiden Sechszylinder kosten 61.680 Euro (V6) und 71.344 Euro (V6 S).
Leichtgewicht mit perfekter Balance
Für so viel Geld gibt es aber nicht nur einen Nobel-Roadster mit ordentlich Power, sondern auch einen reinrassigen Sportwagen, der vor allem durch seine leichte Karosserie eine beeindruckende Performance an den Tag legt. Den größten Anteil an der Magerkur trägt die Vollaluminiumkarosserie bei. Wo es nur ging, zwickten die Briten ein paar Kilos ab. Selbst beim Teppichboden purzelten bis zum Ende der Entwicklung noch 15 Kilo runter. So steht der Roadster trotz maskuliner Form mit schlanken 1,6 Tonnen vor uns.
Um ein möglichst optimales Gewichtsverhältnis von 50:50 zu erreichen, verteilten die Ingenieure die Kilos akribisch. Die Batterie und der Behälter für das Wischwasser wanderten beispielsweise etwas untypisch in den Kofferraum (196 Liter Volumen), der deshalb schon mit einem Golfbag zu kämpfen hat. Keine Sorge, ein leerer Wischwasserbehälter bringt den F-Type deshalb nicht ins Wanken. Aber es zeigt, wie viel Wert Jaguar auf ein perfektes Handling legte.
S-Modelle serienmäßig mit adaptiven Dämpfern
Dafür sorgen alleine schon der lange Radstand von 2,62 Metern und ein extrem niedriger Schwerpunkt. Ab Tempo 100 fährt zudem ein Heckspoiler aus, der den Roadster mit dem Gewicht eines ausgewachsenen Jaguars (120 Kilo) auf den Asphalt presst. Die S-Versionen statten die Briten zudem mit adaptiven Dämpfern aus. Beim Topmodell verteilt zusätzlich ein aktives Differenzial an der Hinterachse die Power per Lamellenkupplung mit bis zu 100 Prozent auf die Seite mit mehr Grip.
So giert der F-Type regelrecht nach Kurven. Ein kleiner Lenkeinschlag reicht, um gezielt ums Eck zu huschen. Der Roadster bleibt dabei stets ruhig und kontrollierbar. Im Grenzbereich lässt der Jaguar den Fahrer auch gutmütig mit seinem Heck schwänzeln. Erst spät rückt die dynamische Stabilitätskontrolle DSC den F-Type unangestrengt wieder auf die Ideallinie zurück. Wer das DSC abschaltet und auch hier nach neuen Grenzen sucht, sollte lieber einen Abstecher auf der Rennstrecke machen.