Fahrtauglichkeit Zweifel an Fahrtauglichkeit

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Flottenchefs sollten sofort reagieren, wenn sie bei Mitarbeitern erste Anzeichen einer Fahruntauglichkeit erkennen. Bei einem Unfall haften sie für ihr Versäumnis.

Drei Unfälle innerhalb eines halben Jahrs ließen den Fuhrparkleiter Franz Heinemann (Name geändert) aufhorchen. Der Fahrer galt bisher als absolut zuverlässig. Nach Rückfragen in der zuständigen Abteilung wurde Heinemann berichtet, dass der Fahrer immer öfter einen sehr verschlafenen Eindruck mache. In einem schnell anberaumten Vieraugengespräch gab der Fahrer zu, in der letzten Zeit trotz ausreichend Schlaf wie »gerädert« aufzustehen. Heinemann schlug eine sofortige ärztliche Untersuchung vor. Aus Sicherheitsgründen schickte er den Fahrer zudem in einen Kurzurlaub. »Der Fuhrparkchef hat vollkommen richtig gehandelt«, urteilt Rechtsanwalt Roland Wildenhayn aus Bad Lobenstein. Egal ob aus eigener Wahrnehmung oder aufgrund von Hinweisen aus dem Kollegenkreis: Bei einem Zweifel an der Fahrtauglichkeit müsse der Flottenverantwortliche sofort reagieren.

Im Zweifelsfall den Mitarbeiter mit dem Zug nach Hause schicken

»Das ist Ausfluss der Fürsorgepflicht, die den Arbeitgeber trifft«, sagt Wildenhayn, der Arbeitsrechtler und Fachanwalt für Verkehrsrecht ist. Eine kurzfristig angesetzte Führerscheinkontrolle hilft nicht weiter, wenn die Krankheit weder von der Polizei noch von den Behörden als Unfallursache festgestellt wurde. Notfalls müssen daher sofortige Maßnahmen ergriffen werden. »Der Berufskraftfahrer kann kurzfristig ins Lager abgeordnet werden, den Dienstwagenfahrer muss man dann unter Umständen mit der Bahn nach Hause schicken.« Sind Ausfallerscheinungen bekannt und der Mitarbeiter wird dennoch ans Steuer des Firmenwagens gelassen, muss der Fuhrparkmanager bei einem Unfall mit juristischen Problemen rechnen. In der Regel sieht jeder Dienstwagenvertrag nämlich vor, dass die Firmenwagen nur von Fahrern in einem fahrtauglichen Zustand genutzt werden dürfen. Ist das nicht der Fall, könnte der Flottenverantwortliche strafrechtlich und zivilrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Das gilt auch für eventuelle Schadenersatzforderungen.

Gratwanderung zwischen Fürsorgepflicht und Privatsphäre

Eine Gratwanderung zwischen Fürsorgepflicht und Recht auf Privatsphäre muss der Arbeitgeber jedoch dann bestehen, wenn der Firmenwagen lediglich für Fahrten von und zum Unternehmen genutzt wird. Das ist im Wesentlichen ­eine Privatnutzung. Die Verantwortung für sein Handeln trägt daher der Mitarbeiter  – dem Arbeitgeber ist eine Einmischung weitgehend verboten.
Mehr Handlungsspielraum hat der Arbeitgeber, wenn der Wagen mit einem deutlichen Firmenlogo versehen ist. »Dann weitet sich die betriebliche ­Sphäre aus«, sagt Nathalie Oberthür, Fachan­wältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei RPO. »Für ein klärendes Gespräch mit dem betroffenen Fahrer und eine ­schnelle Gefahrenabwehr durch ein innerbetriebliches Fahrverbot braucht der Betriebsrat nicht hinzugezogen werden«, sagt Wildenhayn.

Erst wenn der Mitarbeiter eine Erkrankung leugnet, es zur Abmahnung oder Kündigung kommen kann, ist der Betriebsrat hinzuzuziehen. In diesem Fall darf das Unternehmen außerdem ein ­Gesundheitszeugnis oder einen Fahrtauglichkeitstest verlangen. »Immerhin werden rund fünf Prozent aller Verkehrsunfälle durch eine schwere Krankheit ausgelöst«, schätzt Professor Hermann Klein von der Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. Eine viel ­höhere Zahl der Schäden resultiert aufgrund von Alkohol- und Drogenmissbrauch. Auch hier können Mitarbeiter ­erkrankt sein.

In Skandinavien herrschen strengere Regeln bei der Fahrtauglichkeit

Im Fall der rheinischen Spedition war der Fahrer übrigens am Schlafapnoe-Syndrom (SAS) erkrankt. Die Krankheit verursacht Atemstillstände während des Schlafs und eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit, die bis hin zum Einschlafzwang (Sekundenschlaf) führt. Im Gegensatz zu den Niederlanden oder Großbritannien ist Deutschland in Sachen Gesundheitscheck schlecht aufgestellt. »Lediglich Fahrer, die den Führerschein C und D, für Lkw und Busse besitzen, müssen sich in Deutschland ­regelmäßig – alle fünf Jahre – einem Seh- und Gesundheitstest unterziehen«, sagt Arne Böhne vom TÜV Rheinland. Für ­Altführerscheininhaber tritt diese Regel ab dem 50. Lebensjahr inkraft. In Skandinavien herrschen strengere Regeln bei der Fahrtauglichkeit

Gleichzeitig gilt für alle Lkw-Fahrer seit Mitte September 2014 eine regelmäßige Weiterbildungspflicht. »Demgegenüber müssen Dienstwagenfahrer rein gar nichts machen«, kritisiert Böhne. Das könne so nicht ewig bleiben. Böhne fordert künftig für jeden Führerscheinbesitzer nach 15 Jahren – wenn der Führerschein für ein neues Lichtbild umgetauscht werden muss – auch einen obligatorischen Sehtest. Damit Ältere nicht diskriminiert würden, sollte diese Regelung für alle Altersgruppen ab sofort gelten. »Das ist ein Einstieg, damit den Fahrern endlich bewusst wird, dass sich ihre körperliche Fitness deutlich verändern kann«, sagt Böhne. Es ist in Deutschland kaum zu erwarten, dass zum Beispiel ein Modell aus Kanada Schule machen könnte. Ärzte bekommen dort eine Pauschale von 36 Dollar, wenn sie ihre Patienten auch auf Fahrtauglichkeit untersuchen. Gleichzeitig können sie ein Fahrverbot aussprechen. Seither ist nach einer Untersuchung der Universität Toronto die Unfallrate deutlich gesunken.

Ärzte dürfen fahruntaugliche Patienten bei der Polizei anzeigen

Nach deutschem Recht dürfen Ärzte ­ihre Patienten bei der Polizei anzeigen, wenn diese fahruntauglich sind und partout nicht auf das Autofahren verzichten wollen. In Extremfällen sind die Mediziner nicht mehr an ihre Schweigepflicht gebunden, weil die kranken Fahrer das Leben anderer in besonderem Maße ­gefährden. In der Praxis kommen aber Anzeigen kaum vor. In Deutschland wird lediglich über einen Gesundheitstest für Autofahrer ab 70 Jahren nach­gedacht. Tipp: Flottenbetreiber, die auf Nummer sicher gehen wollen, können für alle ­ihre Dienstwagenfahrer einen freiwilligen Fahrtauglichkeitstest vorschlagen. Allerdings ist der Aufwand recht hoch. Ein entsprechender Test kostet zwischen 300 und 500 Euro.

Wer wegen Alkoholmissbrauchs den Führerschein verloren hat, erlangt ihn unter Umständen erst nach einer nachweislichen Alkoholabstinenz von einem Jahr zurück. Dies zeigt ein Fall, bei dem ein Lkw-Fahrer mit 1,75 Promille am Steuer erwischt worden war und deshalb den Führerschein abgeben musste. Nach einem halben Jahr beantragte er seinen Führerschein zurück. Die Zulassungsbehörde forderte ein Fahreignungs-Gutachten an, doch der Fahrer fiel bei dem Test durch. Auch eine neunwöchige Abstinenz wurde nicht akzeptiert. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist nämlich der Meinung, dass der betroffene Berufskraftfahrer erst nach einer Alkoholabstinenz von einem Jahr wieder den Führerschein erhalten könne. Da der Mann sein Trinkverhalten laut Gutachten noch nicht grundlegend geändert hat und auch nicht an einer Therapie teilnahm, sah das Gericht keinen Anlass, die erforderliche Abstinenzzeit von einem Jahr zu verkürzen (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Az.: 7 K 6071/13).