Interview Sven Gábor Jánszky "Der Fuhrpark wird zum Profit-Center"

Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky Foto: Joerg Glaescher
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Flotte 2020: Das autonome Auto wird die Mobilität grundlegend verändern. Trendforscher Sven Gábor Jánszky sagt, worauf sich Fuhrparkbetreiber in Zukunft einstellen sollten.

Wird es noch Dienstwagen geben? Wie verändern sich die Geschäftsmodelle, wenn das selbstfahrende Auto zum mobilen Büro wird? Der Trendforscher und Gründer des Instituts 2b AHEAD ThinkTank, Sven Gábor Jánszky, hat in zahlreichen Analysen und seinem Buch "2025 – So arbeiten wir in der Zukunft" dargelegt, wie es aussehen könnte, wenn selbstfahrende Autos auf unseren Straßen zur Selbstverständlichkeit werden. Es ist überzeugt, ohne den Mensch am Steuer als größten Unsicherheitsfaktor im Straßenverkehr würden wir Zeit gewinnen, Geld sparen und die Zahl der Unfallopfer würde sinken.

Herr Jánszky, fast alle Autohersteller arbeiten mit Hochdruck am autonomen Fahren. Sitzen wir in Zukunft überhaupt noch selbst am Lenkrad?

Die Entwicklung von selbstfahrenden Autos führt dazu, dass die meisten Menschen sich fahren lassen. Sie drücken auf Ihr Smartphone, ein selbstfahrendes Auto fährt vor. Sie geben auf dem Smartphone ein, wohin sie fahren wollen und los gehts. In diesem Massensegment der Mobilität werden Fahrer zu Passagieren. Es bleibt nur noch ein kleiner Premiumnische, in dem Menschen viel Geld dafür bezahlen werden, wieder einmal selbst fahren zu dürfen.

Soweit sind wir aber noch lange nicht. Bevor Autos autonom fahren können, müssen Straßen und Gesetze angepasst werden. Was ist also realistisch bis, sagen wir, zum Jahre 2025?

Selbstfahrende Autos werden schneller kommen, als wir alle es denken. Die ersten selbstfahrenden Autos werden schon in zwei Jahren regulär auf unseren Straßen fahren. Der Massenmarkt wird etwa 2020 beginnen. 2025 können wir davon ausgehen, dass die meisten Autos auf den Straßen selbstfahrende Autos sind. Die wichtigste Voraussetzung dafür sind die Gesetzesänderungen, die es erlauben, autonom entscheidende Autos auf unseren Straßen fahren zu lassen, kombiniert mit der Frage: Wer ist schuld, wenn es einen Unfall gibt? Die vollständige Digitalisierung der Straßeninfrastruktur ist hingegen unnötig. Es reicht die Autos zu digitalisieren, dann werden weder digitale Ampeln noch Leitplanken gebraucht.

Wenn Autos autonom fahren, wird es dann mehr oder weniger Autos auf der Straße geben? Und wie werden unserer Städte aussehen?

Die Gesamtzahl der Autos wird sinken. Aber wir werden nicht weniger Autos auf den Straßen haben. Dies ist aus meiner Sicht eine falsche Prognose. Aber wir werden weniger Autos auf Parkplätzen haben. Denn es macht keinen Sinn, ein selbstfahrendes Auto wie heute in 96 Prozent seiner Zeit zu parken. Also wird die größte Veränderung in Städten sein, dass Parkhäuser und –plätze verschwinden und der frei gewordene Platz neu genutzt werden kann. Zudem wird wohl übergangsweise bei der Einführung der selbstfahrenden Autos irgendwann eine Trennung zwischen selbstfahrenden und menschengesteuerten Autos auf den Straßen sinnvoll sein. Dann werden wir so etwas wie Busspuren für menschengesteuerte Autos erleben.

Hört sich verlockend an. Sehen Sie auch Risiken? Oder überwiegen die Chancen?

Die Chancen überwiegen bei weitem. Das autonome Fahren wird den Menschen das kostbarste geben, das es in der heutigen Welt gibt: Zeit. Vor allem die beruflichen Vielfahrer bekommen all jene Zeit geschenkt, die sie bisher konzentriert hinter dem Lenkrad verschwenden mussten. Das ist bei manchen Menschen über 1 Monat pro Jahr.
Aber auch Eltern mit Kindern müssen nicht mehr jeden Nachmittag Taxi spielen für die Nachmittagsaktivitäten der Kinder. Sie werden die viele Zeit genießen, wenn selbstfahrende Autos die Kinder autonom abholen. Und alle anderen bekommen Sicherheit geschenkt. Es wird weniger Unfälle geben, weniger Tote und weniger Verletzte. Vermutlich wird sogar der Preis für die Fahrt von A nach B so stark sinken, dass er gegen Null geht.

Wie soll das gehen?

In Zukunft wird es viele selbsternannte Mobilitätsprovider geben, ob nun die Autohersteller selbst oder Airlines, Autovermietungen, Taxizentralen, große Händlerketten, Google, Apple, AirBnB, UBER und andere, die jeweils ihre selbstfahrenden Flotten in die Ballungszentren stellen und vom Kunden Geld für die Fahrt von A nach B nehmen. Der Rest ist Marktwirtschaft. Bei wenig Angebot und mehr Nachfrage steigt der Preis. Bei viel Angebot und wenig Nachfrage sinkt der Preis. Und je mehr Anbieter da sind, desto tiefer geht der Preis. Am Ende tendiert er gegen Null. Die Mobilität in selbstfahrenden Autos wird nahezu kostenlos.

Aber wer kann dann noch Geld verdienen?

Wenn nicht mehr für die Transportleistung bezahlt wird, dann für Zusatzdienste. Das beste Beispiel dafür ist Google. Jeder kennt das Prinzip: Die Hauptleistung, die Suche, wird kostenlos angeboten. Aber in der Zeit, in der Google die Aufmerksamkeit des Kunden besitzt, kann man ihm zusätzliche Dinge verkaufen. Bei Google ist es Werbung und Provisionen durch Verkauf von gesuchten Produkten, Flügen, usw. In der kostenlosen Mobilität der Zukunft geht es also um die Frage, welche Zusatzdienste verkaufe ich dem Kunden in jener Zeit, in der ich ihn von A nach B transportiere und er auf meinem Sitz sitzt.

Und welche Zusatzdienste wären das?

Wer lange im selbstfahrenden Auto fährt, der schaut sich kostenpflichtige Filme an oder spielt Games. Wer nicht so lange darin sitzt, erledigt seinen Wocheneinkauf, indem im Seitenfenster virtuelle Supermarktregale zu sehen sind, der Passagier seine Produkte aussucht und sie nach Hause geliefert werden. Und wer nur kurz darin sitzt, der wird seine Fahrt eher durch die Akzeptanz von Werbung finanzieren. Wer in einer Stadt zu Besuch ist, der sagt dem Auto: Restaurant und es fährt ihn zu einem Restaurant, das seinem Geschmack entspricht. Natürlich zahlt das Restaurant für die Fahrt.

Und wenn ich das alles nicht will?

Na klar, es wird auch die geben, die während der Fahrt einfach nur ihre Ruhe, schlafen oder aus dem Fenster schauen wollen. Ist in Ordnung, kostet dann 15,20 Euro.

Welche neuen Geschäftsmodelle sind mit autonom fahrenden Autos vorstellbar?

Das Auto wird ein adaptiver Raum. Das heißt: Es passt sich individuell und situativ den Wünschen des Passagiers an. Entsprechend werden in selbstfahrenden Autos alle Dinge angeboten werden, die der Mensch darin tun will: Schlafen, Lesen, Essen, Arbeit erledigen, Fitnessübungen machen, mit den Kindern spielen oder sich die Haare schneiden lassen. Wir werden also vermutlich mobile Friseure sehen, die ihren Kunden die Haare in mobilen Friseursalons schneiden. Ebenso wie Masseure und Coaches aller Art. Wobei wir bei selbstfahrenden Autos nicht über Limousinen à la Tesla, Audi A7 oder Mercedes S-Klasse reden, sondern von Autos in Van-Größe, deren Innenräume die Anpassung an die verschiedensten Nutzungen ermöglicht.

Beispielsweise auch als mobiles Büro?

Ja natürlich, Büromenschen werden ihre Arbeit schon beim Einsteigen in das Auto beginnen. Da wir nicht mehr mit dem Fahren beschäftigt sind, haben wir Zeit, E-Mails zu beantworten, Texte zu verfassen, Präsentationen zu bearbeiten oder an einer Videokonferenz teilzunehmen. Sie sparen viel Zeit. Selbst wenn sie einmal in einem Stau stehen sollten, was bei selbstfahrenden Autos viel seltener vorkommen wird, haben diese Menschen keinen Zeitverlust. Die Frage, was die Menschen mit der gewonnenen Zeit machen werden, wird natürlich jeder für sich beantworten müssen.

Wie wird der Dienstwagen-Fuhrpark in zehn Jahren aussehen?

Es wird ein Fuhrpark aus selbstfahrenden Autos sein, die über eine intelligente, digitale Software gesteuert werden. Der Fuhrpark wird aber nicht nur den Mitarbeitern des Unternehmens zur Verfügung stehen. Vielmehr werden in den ungenutzten Zeiten die Autos auf die Straße zur Arbeit geschickt. Sie werden firmenfremde Menschen fahren und dafür Geld einnehmen. Auf diese Weise wird der Fuhrpark zum Profit-Center, das Geld einnimmt statt nur Geld auszugeben.

Und der Fuhrparkmanager der Zukunft ist dann...

...ein IT-Experte. Sein wichtigstes Arbeitsmittel ist die predictive, digitale Software, auf deren Basis der komplette Fuhrpark läuft. Bisherige Tätigkeiten wie tanken, reparieren, säubern können autonom fahrende Autos entweder selbst erledigen oder auch selbst organisieren.

Wird es überhaupt noch Dienstwagen geben, wenn der Fuhrpark großer Unternehmen sich zum elektronischen Mobilitätsassistenten wandelt?

Viele Unternehmen werden ihre Fuhrparks abschaffen, weil es effektiver und kostengünstiger sein wird, auf selbst fahrende Taxis zurück zu greifen. Dann werden Mitarbeiter ihre Mobilitätsbudgets haben, die von elektronischen Mobilitätsassistenten gesteuert werden. Aber es wird selbstverständlich auch noch Dienstwagen und Fuhrparks geben. Aber diese werden dann selbst zu Carsharing-Anbietern.

Kurz-Vita: Sven Gábor Jánszky

Sven Gábor Jánszky ist Trendforscher und Gründer der Denkfabrik 2b AHEAD ThinkTank. Mit Trendanalysen zu Lebens-, Arbeits- und Konsumwelten der Zukunft und den Büchern Rulebreaker – Wie Menschen denken, deren Ideen die Welt verändern und 2025 - So arbeiten wir in der Zukunft hat er sich zum Sprachrohr der Querdenker und Innovativen in der deutschen Wirtschaft entwickelt. Als Berater coacht Jánszky Manager und Unternehmen, führt und moderiert Kreativprozesse zu Produktentwicklung und Geschäftsmodellen der Zukunft. Jánszky ist studierter Journalist und hat mehr als zehn Jahre in leitenden Funktionen bei öffentlich-rechtlichen Sendern gearbeitet. Er lehrte an verschiedenen Universitäten und hat heute Dozenturen am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig.