Innenausstattung Mehr Komfort für den Firmenwagen

Foto: Montage Gugu Mannschatz

Fahrer von Firmenwagen haben hohe Ansprüche, speziell in der Oberklasse. Wird der Geschäftswagen bald zur Wohlfühloase? Auf die Autoindustrie kommt viel Entwicklungsarbeit zu.

Komfort ist nicht gleich Luxus. Das sieht zumindest der Duden so. Luxus ist demnach unnötig, Komfort aber nicht. Ein Beispiel: Als Chrysler 1951 den Imperial mit einer "Hydraguide" auf den Markt brachte, war das die Geburtsstunde der Servolenkung im Pkw. Damals purer Luxus, heute fährt fast jeder Kleinwagen damit. Frontantrieb und breitere Reifen erfordern  hohe Lenkkräfte. Nur die Servounterstützung ermöglicht heute ein komfortables Fahren.

Ähnlich lässt sich bei Automatikgetrieben argumentieren. "Sie sind ein typisches Phänomen in entwickelten Märkten, in denen der Wohlstand wächst und der Wunsch nach mehr Komfort entsteht", sagt Mihir Kotecha, Vorstandsvorsitzender von Getrag. In Nordamerika und Japan seien automatische Getriebe seit Langem etabliert, in China steige die Nachfrage stark, ebenso in Europa. Luxus? Eher nicht: Die Komplexität von Sieben- oder Achtganggetrieben ist so groß, dass sie nur durch Schaltautomaten komfortabel beherrschbar bleibt.

Die Grenze zwischen Komfort und Luxus verschwindet zuweilen, wie die neue S-Klasse von Mercedes zeigt. Da können sich die Passagiere von Liegesesseln massieren lassen, während sie im Internet surfen oder auf riesigen Bildschirmen Filme schauen. Dort gibt es  Drehgelenk-Klapptische, heizbare Armauflagen oder eine Innenraumbeduftung. Audi, BMW oder Lexus stehen dem kaum nach. Premium boomt, die Ansprüche der Kunden bestimmen die Lastenhefte der Zulieferer.

Der Sitz wird im Auto zum zentralen Gestaltungselement

Faurecia etwa stellte auf der Automobilmesse in Shanghai die Sitzstudie Oasis fürs Premiumsegment vor. Dieser Megasitz der Zukunft bietet vier Positionen: eine fürs Einsteigen, eine aufrechte Businessposition fürs Arbeiten, eine Entertainmentstellung und eine fast horizontale Entspannungsposition. Schon beim Einstieg erfasst eine kleine, an der Rückseite des Vordersitzes angebrachte Kamera die Größe des Insassen und passt automatisch die Kopfstütze an.

Der Businessreisende arbeitet an einem riesigen, verstellbaren Bildschirm. Die Sitzeinstellungen steuert er über die Mittelkonsole, die Beinauflagen kann er für jeden seiner Unterschenkel individuell einstellen. Noch doller wird es in der fast horizontalen Entspannungsposition. Hier verwandelt sich die Kopfstütze in eine Nackenrolle. 20 Massagezellen sind im Sitz verbaut und massieren Rücken, Waden oder den Allerwertesten nach Shiatsu-Art. Zu viel des Guten?

Jedes Land definiert Komfort anders

"Nein", sagt Han Hendriks, Vizepräsident der Produktentwicklung bei Johnson Controls Automotive. 2Der Sitz wird immer stärker zu einem zentralen Gestaltungs- und damit auch Differenzierungsmerkmal im Auto." Auf der IAA hatte auch sein Unternehmen Innenraumkonzepte für die Zukunft vorgestellt. Bespoke (zu deutsch: maßgeschneidert) heißt eine Studie für luxuriöse Crossover-Fahrzeuge. Die Herausforderung sei gewesen, Individualisierungsvorlieben lokaler Märkte zu berücksichtigen.

Komfort ist nicht globalisierbar. Was komfortabel, bequem oder praktisch ist, sehen Asiaten, Amerikaner und Europäer unterschiedlich. "Die Eignung der Technologien für unterschiedliche Regionen haben wir bereits in der Entwicklung durch einen gemeinsamen Designprozess unserer europäischen, nordamerikanischen und chinesischen Studios sichergestellt", berichtet Hendriks. So sind zum Beispiel im vorderen Teil der Mittelkonsole Stauräume entstanden, die sich individuell verstellen lassen. Das verändert die Ablage- und Anschlussmöglichkeiten für Endgeräte. In Asien etwa ist der Verbreitungsgrad von Tablets, also flachen Bildschirmen mit vielen Computerfunktionen sehr hoch, in Europa setzt man noch eher aufs kleinere Smartphone. Jedem das Seine – Hauptsache, es lässt sich im Auto andocken und vernetzen.

Dass dabei der Elektronik die Schlüsselrolle zukommt, ist klar. Beispiel VW Golf: Ein aktuelles Modell in Vollausstattung hat mehr Elektronik an Bord als eine Apollo-Rakete zur Mondlandung 1969. Die Bordnetzlänge erreicht fast 1.600 Meter, nur etwa 200 Meter waren es im ersten Golf von 1974. Die Epoche des Autos als reines Fortbewegungsmittel scheint jedenfalls bei uns passé. Auf Boom-Märkten wird sie gleich ganz übersprungen. So erwies sich der komfortlose Billigstwagen Tata Nano in Indien als Flop. Statt der angepeilten eine Million pro Jahr wurden seit 2008 nur 250.000 Stück verkauft – insgesamt. Offenbar war das Konzept dann doch zu spartanisch. Komfort ist nun mal kein Luxus.