Interview mit Ralf Woik (CVO) "Gasantriebe setzen sich in den Flotten nicht durch."

Ralf Woik vertritt das Corporate Vehicle Observatory (CVO) in Deutschland. Ein Gespräch darüber, wie Fuhrparkbetreiber und Leasinggesellschaftn in Sachen alternative Antriebe ticken.

In der aktuellen Umfrage des CVO lehnen 54 Prozent der Fuhrparkleiter Elektromobilität ab, weil die Reichweite nicht ausreicht. Man kann das auch anders betrachten: 46 Prozent der Flottenmanager sehen durchaus Chancen für E-Autos?

Woik: Egal wie, die fehlende Reichweite ist für einen Großteil der Flottenbetreiber ein Problem. Für mich ist das aber kein unlösbares Problem. Es ist doch eine Kommunikationsfrage. Vielleicht muss man den Leuten klarmachen, dass es einen Unterschied zwischen Vielfahrern und Wenigfahrern gibt. Für Letztere kann ein Elektroauto zukünftig durchaus eine praktikable Alternative darstellen.

Wie groß schätzen Sie den Anteil der Firmen ein, die von ihrer Struktur her wenigstens ein paar E-Autos nutzen könnten?

Fast jedes größere Unternehmen nutzt Fahrzeuge, die nicht einzelnen Mitarbeitern zugeordnet sind, zum Beispiel für eine zentrale Poststelle oder einen Pool mit Autos für Fahrten in der Umgebung. Bei diesen Nutzungsprofilen spielen Reichweite und Fahrzeuggröße nicht die entscheidende Rolle. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Anteil bei 70 bis 80 Prozent liegt. Der typische User-Chooser hingegen wird kaum auf ein kleines Elektroauto umsteigen, wenn er fürs gleiche Geld einen 3er BMW oder VW Passat bekommt. Es gehört schon Enthusiasmus dazu, bei der Ein-Prozent-Regelung zu sagen: Den höheren Grundpreis nehme ich in Kauf.

Es bleiben ja nicht nur beim Fahrer Kosten hängen. Wie können Leasinggesellschaften mit den Risiken von Elektroautos umgehen, beispielsweise, was Restwerte angeht. Oder schlägt hier die Stunde der herstellereigenen Leasinggesellschaften?

Prinzipiell könnte man das glauben. Zumal viele Hersteller ankündigen, ihre Autos an Endkunden nur zu verleasen. Bisher nutzen die Unternehmen Leasing überwiegend, um mehr Autos abzusetzen. Betrachtet man aber die gesamte Wertschöpfungskette eines Elektroautos, dann investieren die Hersteller enorm viel Geld. Die eigene Produktivität spielt für sie im Moment nur noch eine untergeordnete Rolle. Sie geben aber sehr viel aus, um Teile einzukaufen. Deshalb verleasen sie die Autos, weil sie im Leasing und im Betreiben der Flotte Potenzial für eine Wertschöpfung sehen.

Haben freie Leasinggesellschaften überhaupt Chancen, Zugang zum Markt zu bekommen?

Ich meine ja. Um dieses Leasinggeschäft zu betreiben, brauchen die Hersteller Kapital. Das haben sie und momentan verdienen sie auch noch sehr gut. Sie müssen aber einen Großteil ihrer finanziellen Mittel in die technische Entwicklung dieser Fahrzeuge stecken. Ich weiß nicht, ob sie über so viel Kapital verfügen, das komplette Leasinggeschäft zu finanzieren. Die Leasinggesellschaften hingegen haben dieses Kapital.

Aber wohl nur die großen Gesellschaften?

Der Markt für Serviceleasing wird sich immer weiter konsolidieren, einfach weil der Zugang zu Kapital immer schwieriger wird. Das ist aber kein vom Elektroauto abhängiges Phänomen. Es stimmt jedoch, kleine Leasinggesellschaften können es sich zum jetzigen Zeitpunkt kaum erlauben, Elektroautos zu kaufen, ohne zu wissen, wie sich deren Restwert entwickeln wird.

Was wird sich für die Kunden ändern? Denken die Leasinggesellschaften auch über Mobilitätskonzepte nach? Etwa, dem Kunden zum E-Auto zusätzlich für lange Strecken einige Tage Mobilität mit einem normalen Auto zur Verfügung zu stellen?

Die Unternehmen denken über viele Möglichkeiten nach. Der Unterschied zu Mobilitätskonzepten von Autoherstellern ist aber: Die Leasinggesellschaften müssen die Fahrzeuge kaufen und dann schauen, sie optimal einzusetzen. Das kostet sehr viel Geld und ist logistisch nur schwierig zu bewältigen. Solche Springerautos werden doch immer zur gleichen Zeit gebraucht, also am Wochenende, in den Ferien. Was mache ich mit diesem Auto die restliche Zeit des Jahres, wenn es nicht gebraucht wird? Dann ist es totes Kapital.

Bei der ganzen Diskussion um die Elektromobilität könnte man meinen, der zweite Schritt werde vor dem ersten gemacht. Unternehmen können doch heute bereits ihre CO2-Bilanz verbessern, mit Gasfahrzeugen etwa?

Wir können nur feststellen: Gasantriebe setzen sich in Flotten nicht durch.

Warum nicht?

Ich vermute mal, das hat viel mit dem Fahrer zu tun. Dass er eine Hemmschwelle hat, Gas zu tanken. Dass er Angst hat, liegen zu bleiben. Dass es ihm zu umständlich ist, eine Tankstelle zu suchen.

Man könnte Gasautos in den gleichen Fuhrparks sehen, die auch für Elektrofahrzeuge prädestiniert sind: Verteilerflotten mit Service- oder Poolfahrzeugen etwa. Sofern sie eine Gastankstelle in der Nähe vorfinden.

Ich gebe Ihnen recht. Und es gibt inzwischen passende Autos. Den VW Passat etwa.

Hat der Hybridantrieb denn mehr Chancen?

Da gibt es aus meiner Sicht eine gewisse technische Zwangsläufigkeit. Wenn wir konventionell angetriebene Fahrzeuge an die künftigen Schadstoffgrenzen hinführen wollen, kommen wir um eine Elektrifizierung des Antriebsstrangs gar nicht herum.

Würden sich die Leasinggesellschaften in Deutschland Subventionen wünschen für sehr sparsame Autos oder E-Fahrzeuge?

Für die Gesellschaften wäre das natürlich positiv – und letztlich auch für die Kunden. Der Kapitaleinsatz pro Auto und damit die Tilgung wäre geringer, der Kunde müsste also eine günstigere Leasingrate bezahlen. Aber bevor die deutschen Hersteller ihre Fahrzeuge nicht am Markt haben, glaube ich nicht an Subventionen.

Zur Person Ralf Woik

Ralf Woik (45) leitet seit 1997 den Bereich Marketing und Kommunikation bei der Leasinggesellschaft Arval in München. Gleichzeitig vertritt er das Corporate Vehicle Observatory (CVO) in Deutschland. Den engen Bezug zum Auto hat der Franke schon seit seinem 17. Lebensjahr: Vor seinem BWL-Studium hat Woik eine Kfz-Mechanikerlehre absolviert. Ralf Woik ist verheiratet und hat zwei Kinder.

CVO - Die Expertenplattform

Das Corporate Vehicle Observatory (CVO) ist eine unabhängige Expertenplattform im Flottenmanagement, die im Jahr 2002 von Arval und der Muttergesellschaft BNP Paribas gegründet wurde. Das CVO veranstaltet europaweit Expertenrunden und veröff entlicht Fachpublikationen wie das jährlich erscheinende CVO-Barometer. 2010 wurden hierfür telefonisch 3.300 europäische Flottenentscheider zu aktuellen Branchenthemen befragt. In Deutschland gaben 301 Entscheider Auskunft über ihre Fuhrparkstrategien.