Junge Gebrauchtwagen Gut und günstig

Foto: Lumen-digital, Fotolia

Leasingrückläufer sind bei Privatkunden gefragt. Wie wichtig junge Gebrauchte im Automarkt sind und warum Firmenflotten eine Schlüsselrolle einnehmen.

In den USA ist der Begriff Smart Shopper schon länger geläufig. Smart Shopper suchen qualitativ hochwertige und bekannte Markenartikel, sind aber nicht bereit, den regulär hohen Preis zu bezahlen. Nehmen wir die Bekleidungsbranche als Beispiel. Für Smart Shopper stampft die Klamottenindustrie ganze Städte ausschließlich für den Fabrikverkauf aus dem Boden, sogenannte Outlet-Center. Bestes Beispiel: Metzingen in Baden-Württemberg. Reguläre Neuware gibt es hier teilweise zu Ramschpreisen. Warum wir Ihnen das erzählen? Smart Shopper gibt es längst auch im Automobilhandel.

Der Smart Shopper kennt die hohen Wertverluste von Neuwagen in den ersten beiden Jahren. Er ist nicht bereit, diesen hinzunehmen, verlangt aber dennoch nach aktuellsten Modellen mit modernster Technologie und sucht deshalb gezielt nach bis zu zwei Jahren jungen Gebrauchtwagen. Schon heute ist laut einer Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) und Dekra fast jeder fünfte Gebrauchtwagen im Handel jünger als zwei Jahre. „Anstatt auf Neuwagen hohe Rabatte geben zu müssen, bieten junge Gebrauchtwagen die Chance, Fahrzeuge mit geringeren Nachlässen auf den Angebotspreis verkaufen zu können“, erklärt IFA-Direktor Professor Dr. Willi Diez die Strategie der Autohersteller.

Jede dritte Neuzulassung ist von Herstellern selbst

Und jeder Gebrauchtwagen war irgendwann einmal auch ein Neuwagen. Wie die IFA-Studie zeigt, sind es vor allem die Autohersteller selbst, welche Neufahrzeuge über Eigenzulassungen als junge Gebrauchtwagen in den Handel schieben. Fast jede dritte Neuzulassung (30,6 Prozent) ging 2015 auf Hersteller und Händler zurück. Eigenzulassungen sind Werks- und Dienstwagen von Mitarbeitern sowie Händler-Vorführwagen oder Kurzzulassungen – eine taktische Zulassung, bei der ein Wagen weniger als 30 Tage auf einen Händler zugelassen ist. Weitere 10,6 Prozent der jungen Gebrauchten stammen aus dem Vermietgeschäft. Nach sechs bis zwölf Monaten werden Mietfahrzeuge im Normalfall ausgemustert und auf dem Gebrauchtwagenmarkt angeboten.

Die große Kunst bei Eigenzulassungen ist es, eine gesunde Balance zwischen Nachfrage und Angebot zu generieren. Laut IFA-Experten überschritten fast alle Autohersteller im vergangenen Jahr diesen kritischen Bereich. Mit einem Anteil von über 30 Prozent sogenannter Push-Zulassungen (Eigenzulassungen und Vermieter) würden Autohersteller Gefahr laufen, den Markt mit jungen Gebrauchten zu überschwemmen und damit die Restwertstabilität und die Profitabilität des Leasinggeschäfts gefährden. Opel und Honda lagen 2015 mit 57 und 55,8 Prozent weit über dieser Schwelle. Lediglich Suzuki (27,2 %), Mitsubishi (22,9 %) und vor allem Dacia (8,9 %) hielten sich mit taktischen Zulassungen zurück. Wobei die Studie ebenfalls darlegt, dass Importeure vor allem mit Kurzzulassungen Neuwagen in den Gebrauchtwagenmarkt drücken, während deutsche Hersteller ihren Bestand durch ihre hohe Mitarbeiterzahl mit Werks- und Dienstwagen auffüllen.

Firmenflotten sind eine wichtige Säule für junge Gebrauchte

Noch würden die hohen Push-Zulassungen durch die stetig hohe Nachfrage gedeckt werden, heißt es in der IFA-Studie. Eine Schlüsselrolle nehmen daher Firmenflotten ein. Denn große Fuhrparks stellen die dritte Säule in der Rekrutierung junger Gebrauchtwagen dar. Fast ein Drittel der Neuwagenzulassungen (30,6 %) sind im vergangenen Jahr als Dienstwagen oder Firmenfahrzeug dem relevanten Flottenmarkt zuzuschreiben. Nach zwei bis drei Jahren Leasingzeit werden diese als junge Gebrauchte in den Markt gestoßen.

Zählt man die Neuzulassungen großer Fuhrparks, Autovermieter und Eigenzulassungen der Hersteller zusammen, so können wir bereits zwei von drei Neufahrzeugen dieser Gruppe zuordnen. Während hingegen bei jungen Gebrauchten wiederum 80 Prozent der Fahrzeuge in private Hand und nur jeder fünfte Wagen erneut ins Gewerbe gehen.

Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Zum einen sind Firmen noch immer bereit zur Mitarbeitermotivation für einen Neuwagen tiefer in die Tasche zu greifen. Statt dem Kollegen einen wenig gefahrenen Jahreswagen zu übergeben, der dann vielleicht nicht unbedingt dessen Wunschausstattung mitbringt. Zum anderen geben Händler auf Neuwagen starke Rabatte, damit der junge Gebrauchtwagen für Großkunden erst gar nicht attraktiv wird.

Händler trennen Verkauf von Gebraucht- und Neuwagen

Würden Fuhrparkleiter gezielt junge Gebrauchtwagen anschaffen, dann könnte dies im Umkehrschluss Auswirkungen auf den ganzen Automobilmarkt haben. Weniger Neuzulassungen bei gleichzeitig höherer Nachfrage nach jungen Gebrauchten würde Hersteller wohl noch mehr zu Kurzzulassungen zwingen. Damit das bei Vertrags-Händlern zunehmend attraktiver werdende Geschäft mit jungen Gebrauchten nicht das Neuwagengeschäft kannibalisiert, werden die beiden Bereiche meist strikt voneinander getrennt.

Wie die IFA-Studie zudem zeigt, sind vertragsgebundene Autohändler bei der Vermarktung ihrer jungen Gebrauchten unter starkem Zeitdruck. Ein Leasingrückläufer, der dem Händler noch in den ersten Tagen satte Bruttoerträge von bis zu elf Prozent in die Kasse spült, wirft nach drei Monaten Standzeit schon kaum einen Ertrag mehr ab. Eine Rabattaktion bei Neuwagen kann das Geschäft mit jungen Gebrauchten zudem verhageln. Auch, weil sich kaum ein Käufer so intensiv informiert und Preise vergleicht wie der Smart Shopper.