Normverbrauch Wann wird der Spritverbrauch ehrlich gemessen?

Foto: blueringmedia - Fotolia, Montage: Götz Mannchen, ETM-Verlag
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Die Angaben zum Kraftstoffverbrauch entsprechen nicht der Realität. Doch mit dem NEFZ-Verbrauch machen die Hersteller nur, was ihnen der Gesetzgeber zugesteht.

Die Hersteller messen den Verbrauch im "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ). Dass demnach nur an Motor- und Rollenprüfständen, nicht aber auf der Straße gearbeitet wird, erregt seit langem die Gemüter. Ebenso, dass die Prüfer den Kraftstoffverbrauch nicht absolut messen, sondern aus der Abgasmenge hochrechnen. "Herstellern bietet das eine Vielzahl von Schlupflöchern und Interpretationsspielräumen, so dass mit gezielten Tricks der Verbrauch geschönt werden kann", schimpft Michael-Müller Görnert, der verkehrspolitische Referent vom Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Autos gehen optimiert an den Start

Knapp 20 Minuten dauert der genormte Fahrzyklus. Zwei Drittel davon entfallen auf eine City-Simulation, ein Drittel auf einen Überlandzyklus. Gemessen wird bei einer Umgebungstemperatur zwischen 20 und 30 Grad. Die vom VCD angeprangerten Tricks: Fahrzeuge dürfen bis zu sechs Stunden vorher auf 30 Grad "angeheizt", Reifenluftdrücke erhöht, Sicken und Kanten abgeklebt werden. Das Nachladen der Fahrzeugbatterie während des Zyklus wird nicht simuliert, zudem werden serienferne Leichtlauföle oder Spezialreifen verwendet. Mit der Realität habe das wenig zu tun, kritisiert auch der ADAC. Einer der Hauptvorwürfe: Verbräuche bei Geschwindigkeiten über 120 km/h fließen überhaupt nicht in die Berechnung ein. Je ungünstiger aber die Aerodynamik eines Fahrzeuges sei, desto steiler stiegen seine Verbräuche oberhalb dieser Geschwindigkeit an. Normangaben, so der ADAC, seien daher um bis 25 Prozent zu optimistisch.

Neuer WLTP-Zyklus ist näher an der Realität

Der Ärger darüber ist mittlerweile ein Politikum. Ursprünglich hatte der Umweltsauschuss des EU-Parlaments beschlossen, den NEFZ ab 2017 durch ein neues Verfahren zu ersetzen: den WLTP-Zyklus. Das steht für Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure. Die wesentlichen Unterschiede zum NEFZ: Die Fahrzeuge laufen nicht mehr nur mit 120 km/h in der Spitze, sondern mit 131 km/h. Hersteller dürfen ihre Modelle nicht mehr in der spärlichsten und somit leichtesten Ausstattung ins Labor schicken. Gemessen wird zudem bei schattigen 23 Grad und nicht mehr bei verbrauchsgünstigen 30 Grad. Unterm Strich, prognostizieren viele Experten, werden die Verbrauchsangaben nach WLTP etwa 15 bis 25 Prozent über denen des NEFZ liegen und damit deutlich näher an der Realität.

Hersteller wollen Aufschub

Dass ein Veto aus Berlin diesen EU-Plan zunächst mal stoppen soll, liegt am Fleiß der Lobbyisten. Der Verband der europäischen Autohersteller ACEA und mit ihm der einflussreiche deutsche VDA bedrängen die Politiker, für einen Aufschub zu sorgen. Den Herstellern geht es nicht darum, mit möglichst günstigen Verbrauchsangaben Kunden zu beeindrucken. Die sind mittlerweile ohnehin so sensibilisiert, dass sie den Angaben misstrauen. Es geht vielmehr um die gesetzlichen Grenzwerte der Flottenemissionen, also das, was die Modellpalette einer Marke insgesamt im Durchschnitt so ausdünstet. Ab 2021 soll die Obergrenze bei 95 Gramm CO2 je Kilometer liegen. Die einzuhalten, dürfte über WLTP deutlich schwieriger sein, als mit dem heutigen NEFZ.

Deshalb klare Taktik: WLTP lässt sich nicht verhindern. Aber verzögern.
Umweltorganisationen sind darüber empört. "Unter Annahme der realen Verbrauchswerte und damit der CO2-Emissionen, müssten die Autohersteller ihre Neufahrzeuge konsequent leichter bauen, effizientere und weniger starke Motoren einsetzen und sich vom aktuellen SUV-Wahn verabschieden", poltert die deutsche Umwelthilfe (DUH). Deren Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert ein rechtliches Vorgehen wie in den Vereinigten Staaten, wo unrealistische Angaben empfindliche Strafen nach sich ziehen: "Die Bundesregierung kann dem Beispiel der USA folgen, die mit behördlichen Überprüfungen und hohen Strafen bei Verstößen korrekte Verbrauchsangaben durchsetzen. Der Autokäufer muss sich zukünftig auf korrekte Angaben verlassen können", so Resch.

Neue Messeung bedeutet höhere Kfz-Steuer

Verlassen würde sich gerne auch das Finanzministerium auf die Angaben. Dort rechnet man besonders spitz, seit die Kfz-Besteuerung zu einem Gutteil vom CO2-Ausstoß abhängig ist. Seit Anfang des Jahres gilt für neuzugelassene Autos folgende Regel: Je angefangene 100 Kubikzentimeter fällt für Benziner ein Betrag von zwei Euro an. Beim Diesel sind es 9,50 Euro. Für beide Antriebe gilt: 95 Gramm CO2 je Kilometer sind steuerfrei, darüber hinaus fallen weitere zwei Euro je Gramm an. Ein Unterschied von den zu erwartenden 15 bis 25 Prozent nach WLTP macht da schon was aus, wie das Beispiel des VW Golf zeigt. 106 Gramm CO2 ergibt derzeit der NEFZ für den beliebten 2,0 Blue TDI. Steuer: 212 Euro. Würde sich nach WLTP ein um 20 Prozent erhöhter Ausstoß von 127 Gramm ergeben, wären 254 Euro zu entrichten. Auf alle Neuzulassungen hochgerechnet ergibt das eine Summe, auf die der Fiskus kaum verzichten kann. Entsprechend streng dürften die Leviten auch aus dieser Richtung ausfallen.

Wer mehr verbraucht bekommt Ärger bei der Firmenwagensteuer

Besonders ärgerlich: Bei Betriebsprüfungen von Unternehmern und Freiberuflern gibt es häufig bei den Kraftstoffkosten für Firmenwagen "Diskussionsbedarf". Wenn die Herstellerangabe einen Verbrauch von 7,5 Litern erwarten lässt, das Fahrtenbuch aber neun bis zehn Liter ausweist, droht Ärger. "Die Betriebsprüfer schauen sich das Kraftstoffkonto und das Fahrtenbuch sehr genau an, wenn man sich für den Einzelnachweis der betrieblichen Kfz-Kosten entschieden hat", sagt Steuerberater René Linke von der deutschlandweit tätigen Unternehmensberatung Ecovis: "Auf die Verbrauchswerte der Autohersteller muss man sich aber nicht festnageln lassen", erklärt er. Klimaanlagen und andere Zusatzaggregate, die den Kraftstoffverbrauch erhöhen, seien bei den Herstellerwerten ebenso wenig berücksichtigt wie ein hoher Anteil von Stadt- oder schnellen Autobahnfahrten. "Da kann man mit den realitätsnäheren Tabellen der Autoclubs kontern", rät Linke. Auch wer eine höhere Zuladung glaubhaft machen kann, weil er das Fahrzeug auch zur Auslieferung nutzt, hat grundsätzlich gute Argumente.