Notfallsystem eCall Das Geschäft mit der Lebensrettung

eCall System Foto: Peugeot

Ab 2015 sollen Neuwagen europaweit mit dem Notfallsystem eCall ausgerüstet werden. Die Kosten für das System sollen nach Erreichen der Massenproduktion bei 150 bis 250 Euro pro Fahrzeug liegen. Seinen wahren Wert sehen Kritiker allerdings in den erhobenen Fahrzeugdaten, die Hersteller zu ihrem Vorteil nutzen könnten.

Jährlich sterben auf Europas Straßen nach Expertenschätzung rund 2.500 Autofahrer, die gerettet werden könnten, wenn der Notruf die Rettungskräfte früher erreichen würde. Nach den Plänen der EU-Kommission sollen Neuwagen daher ab 2015 europaweit mit dem Notrufsystem eCall (Emergency-Call) ausgestattet werden. Dieses löst bei schweren Unfällen automatisch Alarm aus, leitet den Notrufzentralen zahlreiche detaillierte Sensordaten des Fahrzeugs und die Koordinaten des Unfallorts weiter und baut eine Sprechverbindung auf. Was uneingeschränkt von Vorteil zu sein scheint, hat für die Autoversicherer doch einen Haken. Autobauer, so wittern sie, könnten Wettbewerbsvorteile erlangen. Neben der primären Rettung der Unfallopfer spielen die Daten bei späteren Reparatur des Unfallautos auch eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Rolle im Schadensmanagement.

Käme es für die Autohersteller zu einem Monopol auf die Daten, werde der Wettbewerb bei den Werkstattrechnungen ausgehebelt, glaubt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und zieht gemeinsam mit dem ADAC am Strang, um die Macht der Autohersteller zu bändigen. In einem Beschwerdebrief an die EU-Kommission plädieren sie dafür, dass das System quasi offen bleiben muss, die Daten also nicht automatisch an die Notrufzentrale des jeweiligen Autoherstellers gesendet werden. Denn auch Versicherer und Automobilclubs verfügen bereits über eigene Zentralen.

Wer den Notruf zuerst bekommt ist als Erster am Unfallort - und verdient daran

"Die Diskussion dreht sich nicht um eCall, sondern um die darin enthaltenen Zusatzinformationen, die unglaublich wertvoll sind", erklärte Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstandsmitglied der HUK Coburg, auf einer vom HUK-nahen Goslar Institut ausgerichteten Veranstaltung am Rande des 50. Verkehrsgerichtstags. "Wir hätten diese Informationen als Versicherer auch gerne." Wer als erster an der Unfallstelle erscheine, mache das Rennen im renditestarken Service- und Reparaturgeschäft. Es dürfe nicht in der Regie der Autohersteller liegen, sich quasi per Systemprogrammierung selbst auf die Pole Position zu stellen.

Viele Versicherungen haben sich in den vergangenen Jahren ein großes Netzwerk von Partnerwerkstätten geschaffen. Für Kunden, die im Schadensfall diese Werkstätten ansteuern, bedeutet das verbilligte Kaskoverträge. Das Konzept ist erfolgreich, wäre dann aber bei einem Monopol der Hersteller in Gefahr. "Dort, wo die Hardware dem Kunden keine Entscheidungsmöglichkeit lässt, sind Bedenken angebracht", findet auch Thomas Funke, Kartellrechtler bei Osborne Clark. Er plädiert für eine offene, standardisierte Schnittstelle, bei der jeder Kunde selbst entscheiden könne, wer im Notfall hilft.

Auch beim Thema Datenschutz gibt es bei eCall noch Klärungsbedarf

Kritisch beäugt wird eCall auch vom Datenschutz. Welche Informationen letztlich fließen werden, ist nach Einschätzung von Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein, noch weitestgehend unbekannt. Je nachdem, wie die Daten ausgewertet würden, könnten sie sogar im Familien-, Versicherungs-, oder Strafrecht genutzt werden. Die Daten müssten daher fest unter Kontrolle bleiben. Zudem seien viele Aspekte selbst ansatzweise noch nicht geklärt. "Jeder sollte frei entscheiden können, ob er sein Auto scharfschaltet", so Weichert.