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Renault Kangoo Z.E. Elektro-Novize

Fahraufnahmen Foto: Jacek Bilski

Reichweite ist relativ: Meine ersten vier Tage mit einem Elektroauto

„Das ist alles ganz einfach und unkompliziert,“ meinte der Kollege, als er mir den Schlüssel des Kangoo Z.E. in die Hand drückt. Einfach das Fahrzeug entriegeln, dann lassen sich die Stecker aus der Ladebuchse (Typ Mennekes oder war es etwa Mentekel?) und dem Stromspender ziehen. „Unsere netten Nachbarn von Lapp-Kabel haben uns heute mal andocken lassen, weil die beiden Zapfstellen bei uns vorm Haus belegt waren. Das sind etwa 300 Meter von hier, findest du, viel Spaß dann mit dem Renault!“

Einfach mal Abnabeln

Tatsächlich, das Abnabeln funktioniert wie beschrieben, das fingerdicke Kabel lege ich in den Laderaum des etwas spartanisch wirkenden City-Transporters. Blechern fällt die Tür ins Schloss. Ich drehe den Zündschlüssel bis zum Anschlag. Kein quäkender Anlasser, kein Brumm, nur ein Pieps, dann absolute Stille und ein grüner Punkt im Tacho mit dem Wörtchen „go“. Allright. Schalthebel auf „R“ und sachtes Tippen aufs Pedal. Neben mir verdeckt ein Elektro-Viano die Sicht, ganz vorsichtig taste ich mich heraus und bin schon begeistert wie unglaublich geschmeidig, direkt und exakt der Wagen auf meinen Fuß reagiert.

226 Nm fallen über meine Nackenmuskeln her

Das passt, die Piste ist frei, Hebel auf „D“ und losgeht’s, aber hallo, der hat ja richtig Bumms! Ich hatte längst vergessen, dass 60 PS, ähem natürlich 44 KW sich so stark anfühlen können. 226 Nm fallen da ab dem ersten Antippen über meine Nackenmuskeln her. Da kommt doch Freude auf. Die Ampel am Ende der Straße schaltet auf Rot, ich gehe vom - nun ja - „Gas“. Aber aus dem geplanten Heranrollen wird nichts, ich muss wieder Gas geben, um nicht wenigstens 30 Meter zu früh stehen zu bleiben. Rekuperation heißt das Geheimnis hinter diesem gewöhnungsbedürftigen Verhalten. Damit „macht“ der Kangoo Strom. Ich frage mich später immer wieder, ob dabei eigentlich die Bremslichter aufleuchten. Denn nach einer Weile habe ich es heraus ohne Benutzung des Bremspedals von Ampelstopp zu Ampelstopp zu rollen. Sogar bergab muss man ganz leicht Gasgeben. Immerhin sagt das Instrument für den momentanen Stromverbrauch, dass dies fast nichts ausmacht.

Reichweite ist relativ

Eine klitzekleine Beruhigung angesichts der Anzeige von 102 km für die Reichweite. Da denkt mein Diesel bereits darüber nach, die Reserveleuchte aufflammen zu lassen. Aber wie beim Verbrenner hat auch der rechte Fuß des Fahrers großen Einfluss auf die Effizienz. So bin ich ziemlich stolz nach 31 echten Kilometer immer noch 89 km prognostizierte Reichweite im „Tank“ zu haben.

Der BMW-X1-Fahrer hat beim Ampelsprint keine Chance

Und Spaß macht das Fahren wirklich. Der BMW X1-Fahrer hatte bei einem postbubertären Ampelduell alles gegeben, seine Motorhaube hob und senkte sich beim Schalten. Aber das habe ich bereits aus dem rechten Außenspiegel gesehen. Zisch und davon, der Fahrer des unscheinbaren Kastenwagens kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auffällig ist auch die gegenüber dem Diesel bessere Straßenlage. Offensichtlich wirkt sich die Gewichtsverteilung aus Antrieb und Batterien günstig aus. So wuselt sich der Kleintransporter recht schnittig durch den Stuttgarter Kessel.

Säule mit Weile

Am nächsten Tag bin ich laut Reichweitenanzeige exakt bei 40 km und habe es wieder rund 30 Kilometer nach Hause. Was nun? Noch mal vor dem Büro dranhängen? Verflixt, beide Ladesäulen besetzt! Und Unverschämtheit, eins der beiden Fahrzeuge ist nicht mal angeschlossen! Die freundlichen Lapp-Leute sind garantiert im Feierabend. Über die CartoGo-App checke ich die Ladesäulen-Situation im Raum Stuttgart. Es sind viele, aber nicht in Ludwigsburg, wo ich hin muss. Also gut, ich mache einen vorgezogenen Wochenendeinkauf, denn etwa 500 Meter von einem großen Supermarkt gibt es eine Säule. Ich habe Glück, sie ist frei und funktioniert. Beim Einkaufen lasse ich mir Zeit. Nach einer Stunde habe ich 20 km mehr im Speicher und rolle noch beim Getränkemarkt vorbei. Über Nacht will parke ich dann nochmals an der fünf Kilometer entfernten Säule. Zum Heimradeln packe ich das Fahrrad hinten rein. Am anderen Morgen muss das Bike dann im Laderaum mit zur Arbeit. Dort habe ich Glück und ergattere einen reservierten Elektro-Parkplatz. Jetzt darf er sich mal so richtig vollsaugen, der leise Flitzer.

Mobilität für die grauen Zellen

Als Erfahrung nehme ich bei allem Spaß noch mit, dass jeder Ausritt mit dem Kangoo ZE auch von einem Nachdenken begleitet ist: Reichweite? Wo Laden? Wieviel Zeit dafür einplanen? Was, wenn die Säule besetzt oder ohne Funktion ist? Plan B?
Ganz klar, so ein Fahrzeug macht nur mit einer eigenen Ladestation zuhause richtig Freude. Wer wie bei Nutzfahrzeugen üblich auf die Wirtschaftlichkeit schielt, muss leider erkennen, dass der Strom zwar billiger auf den Kilometer kommt als ein Diesel, aber der Anschaffungspreis und das Renault-typische Leasingmodell für den Akku lassen den Verbrenner nicht nur in der Flexibilität besser aussehen. Schade eigentlich.