RMMV Survivor-R Diesen Polizeiwagen knackt keiner

RMMV Survivor-R Foto: SP-X/Benjamin Bessinger 15 Bilder

Die Polizei rüstet sich für harte Zeiten und bestellt einen Streifenwagen, der für härteste Einsätze gebaut wurde.

Eigentlich ist das Viertel um den Henschelplatz in Kassel eine ganz friedliche Gegend. Doch in den letzten Monaten haben sich die Bewohner beim Blick aus dem Fester bisweilen verwundert die Augen gerieben. Denn was da mit Blaulicht und Polizei-Lackierung gerade durch ihre Straßen fährt, das kennen sie sonst allenfalls von den Abendnachrichten aus irgendwelchen Krisengebieten in den entlegensten Winkeln der Welt: Einen Panzerwagen, gegen den selbst eine Mercedes G-Klasse aussieht wie ein Spielzeug und ein Unimog zum Kleinlaster wird.

Der Tresor auf Rädern trägt den Namen Survivor-R, und dass er zurzeit immer mal wieder durch Kassel kreuzt, hat nichts mit der Stimmung in der Stadt zu tun. In den Henschel-Werken vom Rüstungskonzern Rheinmetall gemeinsam mit der VW-Tochter MAN und dem österreichischen Spezialunternehmen Achleitner entwickelt, will der Survivor die Polizeibehörden aus aller Herren Länder mit diesen Testfahrten davon überzeugen, dass er der sicherste Streifenwagen der Welt ist.

Und Sicherheit ist ein hohes Gut in diesen Tagen. Denn seit sich der politische oder religiöse Extremismus Bahn bricht und die Angst aufsteigt in der Gesellschaft, wird mächtig aufgerüstet im Land. Die Bürger machen Waffenscheine oder bunkern Pfefferspray und die Polizei tauscht endlich ihre 30 Jahre alten Sonderschutzfahrzeuge gegen moderne Panzerwagen wie den Survivor. Ursprünglich als Ersatz für die letzten paar Dutzend Exemplare der so genannten Sonderwagen 4 bei der Bundespolizei geplant, registriert Rheinmetall deshalb reges Interesse auch bei den Landesbehörden und rechnet allein aus Deutschland mit bis zu 200 Bestellungen für den kugelsicheren Kleinlaster aus Kassel. Und die Delegationen aus dem Ausland geben sich am Werkstor die Klinke in die Hand.

Knapp eine halbe Million Euro teuer

Für Preise von 420.168 Euro netto aufwärts verspricht Produktmanager Klaas Krause den Beamten so etwas wie eine Lebensversicherung auf Rädern. Nicht umsonst haben die Entwickler auf die ohnehin schon stabile Kabine mit Panzerglas-Fenstern eine zweite Rüstung geschraubt, die je nach Beschussklasse aus Spezialstahl oder sogar aus Keramik gefertigt wird und den Unterboden mit einem v-förmigen Schild gegen Sprengladungen gewappnet. Pistolenkugeln prallen am Survivor ab wie Rollsplit, Maschinengewehrsalven hinterlassen nur ein paar keine Kratzer und selbst Handgranaten oder Sprengfallen können dem Wagen angeblich nichts anhaben. Dass die Scheiben dafür zehn Zentimeter dick und unbeweglich im Rahmen verklebt sind oder dass allein die Türen 200 Kilo wiegen und man sie etwa am Hang nur mit der Kraft eines Bodybuilders schließen kann, das ist ein Preis, den man für die Sicherheit gerne bezahlt. Genau wie die unbequemen Hosenträgergurte, mit denen man wie ein Rennfahrer in den zum Schutz vor Explosionswellen an der Decke aufgehängten Stühlen festgezurrt wird.

Mit der Panzerung alleine ist es beim Survivor allerdings nicht getan. Wie man es allenfalls aus James Bond-Filmen kennt, gibt es für den bis zu zehn Beamten fassenden Mannschaftswagen noch jede Menge Spezialausstattung, mit der man den Preis locker über zwei Millionen treiben kann: So pumpt eine ABC-Schutzanlage gefilterte Atemluft in den hermetisch abgedichteten Innenraum; es gibt eine automatische Feuerlöschanlage, eine elektronische Lagekarte für das perfektionierte Stellungsspiel mit den Kollegen, allerlei Kommunikations- und Polizeitechnik, Aufbauten für den schnellen Zugriff von Sondereinsatz-Kommandos, Räumschilde, oder einen ganz und gar unfreundlichen Automaten mit dem sympathischen Spitznamen "Rosy", dessen Rauchkartuschen dem Angreifer binnen weniger Sekundenbruchteile gehörig den Blick vernebeln können.

Ausstattung? Sehr viel Stahl

Die sonst bei Autos üblichen Extras sucht man in der langen Aufpreisliste von Rheinmetall dagegen vergebens. Es gibt weder Navigation noch Ledersitze, kein aufwändiges Soundsystem und erst recht keinen Autopiloten. Aber dafür hat der Survivor Flaschenhalter, die man heizen oder kühlen kann. Es gibt eine leistungsstarke Standheizung. Und wenn den acht Kollegen im Fond zu heiß wird, verwandelt die Klimaanlage die Kabine in ein paar Sekunden in ein Kühlhaus.

So aufwändig die Konstruktion, so überraschend leicht kann man den Survivor fahren. Aufgebaut auf einem Lkw-Chassis von MAN und angetrieben von einem – natürlich ebenfalls gepanzerten – Lastwagen-Motor mit sechs Zylindern und 6,9 Litern Hubraum aus der Großserie, fühlt sich der Panzerwagen kaum anders an als eine etwas groß geratene Mercedes G-Klasse. Wozu sortiert schließlich eine automatisierte Schaltung die zwölf Vorwärts- und zwei Rückwärtsgänge? Warum packen die Bremsen zu wie Schraubstöcke? Und weshalb hat Rheinmetall so lange an Karosserie und Lenkung gefeilt, bis der Wendekreis auf handliche 17 Meter geschrumpft ist? Selbst 13 Tonnen Panzerstahl fallen nicht mehr ins Gewicht, wenn man ihnen mit 330 PS und bis zu 1.250 Nm zu Leibe rückt.

Beim Kickdown bäumt sich der Koloss deshalb gefährlich auf und stürmt unter lautem Gebrüll so wütend voran, dass ihn der Hersteller anders als herkömmliche Laster nicht schon bei 85, sondern erst bei 100 km/h abriegelt. „Und selbst da müsste noch nicht Schluss sein“, räumt ein Entwickler ein und erzählt von überraschend kurzweiligen Testfahrten auf der Autobahn. "Schließlich ist es denkbar unwahrscheinlich, dass so ein Fahrzeug mal eine Verkehrskontrolle gerät."

Der Survivor ist aber nicht nur für die Straße gebaut: Mit permanentem Allradantrieb, Geländeuntersetzung, drei Differentialsperren und bis zu 1,2 Metern Wattiefe gibt es auch abseits der Asphalts nicht viel, was den Lebensretter stoppen kann. Selbst der Luftdruck in den riesigen Reifen kann elektronisch auf den jeweiligen Untergrund angepasst werden. Nicht einmal sein eigener Durst wird zum Dilemma: Zwar gönnt er sich im Gelände schon mal 40 oder 50 Liter, räumt einer der Fahrer ein. Aber auf der Autobahn liegt der Normverbrauch bei etwa 23 Litern, so dass der Survivor über 800 Kilometer fahren kann, bevor man den – natürlich ebenfalls gepanzerten – Tankstutzen aufnesteln muss.

Draußen vor den Werkstoren machen sie also zurecht große Augen, wenn der Survivor bei seinen Testfahrten durch den Struthbachweg oder die Wiener Straße kreuzt und man unweigerlich nach den Kamerateams für die Abendnachrichten schaut. Aber für die Werksfahrer in Kassel ist der Survivor dagegen fast ein zierliches Spielzeug. Weil hier sonst vor allem Panzer gewartet werden, sind sie buchstäblich andere Kaliber gewohnt. Aber egal ob Bundeswehr oder Polizei, ihnen sind alle Panzer gleich recht. Denn sicher ist sicher.