Schließen

Rohstoff Seltene Erden Alternativen gegen den Engpass

Mine, Abbau, Bergwerk Foto: Fotolia

Zum Bau von Hybrid- und E-Autos benötigt die Industrie Rohstoffe aus Seltenen Erden. Die werden immer knapper, was letztendlich auf den Preis der Autos durchschlägt.

Selten und knapp wird gerne mal verwechselt. Wer Omas schrecklichen Nippes erbt, besitzt vielleicht etwas Seltenes. Knapp wird es nur, wenn weltweit plötzlich die Nachfrage nach Nippes explodiert. Denn Nippes ist kein nachwachsender Stoff und goldumrandete Untertassen gab es schon immer nur bei Oma. Ähnlich verhält es sich mit Seltenen Erden, Elementen, die als Rohstoffe für neue Technologien dienen. Selten waren sie schon immer. Aus Sicht der Automobilindustrie aber nicht knapp. Weil niemand sie vermisst hat. Das hat sich geändert.

"Seltene Erden brauchen wir heute, um mit energiesparender Beleuchtung, mit Katalysatoren oder mit Elektroautos in eine grüne Zukunft zu starten", sagt Dr. Doris Schüler vom Öko-Institut in Darmstadt. Das Institut ist Forschungspartner für Autohersteller wie VW, Daimler und Toyota. Konkret geht es beim Autobau nur um bestimmte Seltene Erden: Dysprosium (für Magnete mit hoher Temperaturbeständigkeit in Elektroautos), Lanthan (Wasserstoffspeicher in Nickel-Metallhydrid-Batterien) und Yttrium (Keramikzusatz in Lambdasonden oder in Zündkerzen). "Wir sehen für eine Reihe der Metalle einen stark steigenden Bedarf bis zum Jahr 2030. Einer der Gründe ist die Elektromobilität, wenn deren Marktdurchdringung so verläuft wie vorgesehen", sagt Schüler.

China hat für einige Rohstoffe fast schon ein Monopol

Am markantesten zeigt sich der Anstieg bei Dysprosium. Dieses Element hat es in sich. In Verbindung mit Neodym, einem weiteren Vertreter der Seltenen Erden, ist es noch unverzichtbar für Elektroantriebe und ihre Permanentmagnete. Grundsätzlich sorgt im E-Motor das ständige An- und Abstoßen von Magneten für Bewegung. Das hochmagnetische Neodym erhöht dabei die Energiedichte eines Standardeisenmagneten und steigert dessen Leistung nach Berechnungen des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung auf das 76-Fache. Entsprechend hoch sind Wärmeentwicklung und Verschleiß. Erst wenn auch noch Dysprosium beigemischt wird, erhöht sich die Hitzebeständigkeit auf über 80 Grad. Daher ist der Stoff so wichtig.

Das silbrig-weiße Seltenmetall kommt allerdings fast ausschließlich in China vor, einem Land, das in Bezug auf seine Rohstofflieferung nicht gerade für Liberalität bekannt ist. Schwacher Trost: Es ist ohnehin egal, ob China den Stoff verhökert oder die Heilsarmee. Dysprosium, so Schüler, wird angesichts dramatisch steigender Nachfrage sowieso knapp. Forscher suchen daher nach Alternativen. Siemens beispielsweise hat zusammen mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) einen aussichtsreichen Kandidaten ausgemacht: Eine Verbindung aus Kobalt und Eisen.

Kobalt ist zwar kein Mangelstoff, wird aber dummerweise zu über 50 Prozent im Kongo und Sambia gefördert. Sicher klingt anders. Bleibt der Hoffnungsträger Recycling, vor allem im Bereich der Batterien. Diese enthalten hohe Anteile verschiedener Seltener Erden. Jede Batterieart benötigt aber ihr eigenes Verfahren. Für Lithium-Ionen-Akkus hat sich Daimler mit der TU Clausthal, dem Öko-Institut und dem Materialtechnikunternehmen Umicore zusammengeschlossen, um erstmals einen wirklich effizienten, weil industriellen Prozess für das Recycling zu entwickeln.

Seltene Erden sind auch für Spekulanten interessant

Für Nickel-Metallhydrid-Batterien gibt es solche Verfahren bereits. Diese Akkus bestehen zu etwa zehn Prozent aus Seltenen Erden. Forscher grübeln derzeit noch darüber, wie sie sich noch ertragreicher wiedergewinnen lassen. Erfolge sind allein schon aus Umweltgründen wichtig. Dass jetzt zu Recyclingzwecken gesiebt, geschreddert und geschmolzen wird, was das Zeug hält, hat aber nicht nur ökologische Gründe. "Bislang gaben niedrige Preise keinerlei Anreiz für einen sorgsamen Umgang mit den wertvollen Rohstoffen", konstatiert Schüler. "Heute jedoch sehen wir enorme Preisanstiege und die Begrenzung der Ausfuhren aus China", so die Wissenschaftlerin.

Somit sind Seltene Erden für eine weitere Klientel interessant geworden: die Spekulanten an den Rohstoffbörsen. Was passiert, wenn die zur Höchstform auflaufen, zeigt sich seit Jahren am Ölmarkt. Hohe Preise für Rohstoffe begründen sich nicht nur durch ihre Verknappung, sondern auch durch die Möglichkeit, auf ihre künftigen Werte zu wetten. Dubiose Anbieter von Termingeschäften mit Seltenen Erden stellen aberwitzige Gewinne in Aussicht. Vermutlich für sich selbst. Verlierer sind andere: Die Autokäufer der Zukunft. Sie müssen die Zeche zahlen.

China gibt den Takt vor - muss die WTO einschreiten?

EU, USA und Japan haben sich im Ringen um Seltene Erden gegen China verbündet. Sie fordern in einer Beschwerde an die Welthandelsorganisation (WTO), die seit 2010 verschärften Exportbeschränkungen für Seltene Erden aufzuheben. China habe die Produktion bei einzelnen Stoffen um bis zu 54 Prozent heruntergefahren und gleichzeitig die Preise über Zoll und andere Abgaben massiv erhöht. Scheitern die Verhandlungen vor einem Schiedsgericht, wollen die Partner Klage bei der WTO erheben, riskieren damit aber einen Handelskrieg mit der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt.