Schadenersatz Kampf mit der Versicherung

Werkstatt Hebebühne Foto: Jacek Bilski

Nach dem Unfall beginnt der Kampf um die Entschädigung. Wie Flottenchefs ihr Recht wahren und die Hürden beim Schadenersatz am besten meistern.

Die Positionen sind klar: Auf der einen Seite stehen die Versicherungskonzerne, auf der anderen die Versicherungsnehmer. Um Geld zu sparen, wollen die Versicherungsgesellschaften sich möglichst frühzeitig um den Schaden kümmern. Das kommt zwar auch dem Autofahrer entgegen – auch er möchte seinen Wagen schnell wieder aus der Werkstatt zurück. Doch Vorsicht: "Schnellregulierung kann aber auch Schlechtregulierung sein", warnt Jörg Elsner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Das Problem liegt unter anderem darin, dass die Versicherungen die Sachverständigengutachten und Werkstattrechnungen durch externe Dienstleister wie Carexpert, Control-Expert, Claims Controlling oder Innovation Group überprüfen lassen. Jürgen Frese, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Hamburg: "Danach wird gefeilscht und gestritten." Gezahlt würde oft erst nach ausuferndem Schriftverkehr. Dabei ginge es meistens nur um kleine Beträge, die aber in der Summe für die Konzerne Vorteile in Millionenhöhe brächten.

Die Versicherungen sparen am Schaden

In der Branche herrscht ein harter Preiskampf. So rechnet Michael Pickel, Vorstand der E+S Rück aus Hannover, für 2011 mit einem Verlust von 1,4 Milliarden Euro. "Noch schlechter schneidet das Firmengeschäft ab", erklärt Pickel. Während der Gesamtmarkt 2011 auf eine Schadenquote von 99 Prozent kommt, liegt diese im Flottengeschäft bei 107 Prozent. Die Versicherer zahlen also mehr Geld an Schäden aus, als sie mit Beiträgen einnehmen. Dazu kommt, dass die Zinserträge aus Kapitalanlagen derzeit historisch niedrig sind. Gleichzeitig sei es schwierig, höhere Prämien am Markt durchzusetzen. Daher bleibe den Versicherungen eigentlich nur das Sparen beim Schaden.

Entsprechend rücken die Kosten für die Schadenregulierung zunehmend ins Visier der Versicherungen. Gerade Unternehmen sollten die Abrechnung von Unfallschäden im Auge behalten und notfalls Maßnahmen ergreifen, um nicht auf Kosten sitzen zu bleiben. Wie schwierig das im Einzelfall ist, zeigt die Rechtsprechung, die eine immer größere Zahl von Hürden aufgebaut hat. Das gilt vor allem für die fiktive Abrechnung auf Basis eines Schadengutachtens oder Kostenvoranschlags. "Es ist allein Sache des Geschädigten, unabhängig und unbeeinflusst durch die regulierungspflichtige Versicherung zu entscheiden, ob er sein Fahrzeug nach Eintritt des Schadens vollständig, teilweise oder überhaupt nicht repariert", sagt Rechtsanwalt Lutz Imhof, Präsident des Verbands der unabhängigen Kraftfahrzeugsachverständigen. Dies habe der Bundesgerichtshof klargestellt.

Ein Preisaufschlag auf unverbindlich empfohlene Preise für Ersatzteile (UPE-Aufschlag) in angemessener Höhe von zehn Prozent kann bei fiktiver Abrechnung verlangt werden, meint das Landgericht München (Az.: 17 O 2359/08). Demgegenüber gibt es keinen Ersatz der Verbringungskosten, wenn die freie Werkstatt über eine eigene Lackiererei verfügt (AG Weinheim, Az.: 1C 88/09). Das größte Sparpotenzial für die Versicherungen liegt bei der fiktiven Abrechnung in den Stundenverrechnungssätzen. Laut Bundesgerichtshof gelten für Fahrzeuge, die nicht älter als drei Jahre sind, die Preise für markengebundene Werkstätten. Ist der Wagen älter, dann muss der Geschädigte hinreichende Gründe nennen, warum nicht eine gleichwertige, freie Werkstatt als Maßstab dienen sollte (BGH, IV ZR 259/09).

Die Erstattungshöhe der Reparaturkosten ist abhängig vom Restwert des Wagens

Ein Grund könnte zum Beispiel die Tatsache sein, dass das Fahrzeug seit Erstzulassung stets dort repariert und gewartet wurde. Streit gibt es außerdem häufig um den Restwert des beschädigten Fahrzeugs. Grund: Wer fiktiv abrechnet, erhält die Nettoreparaturkosten nur bis zur Höhe des Wertes, den ein vergleichbarer Wagen bei einer Wiederbeschaffung gekostet hätte. Die Grenze ist somit abhängig vom Restwert. Den versuchen Versicherer immer stärker durch Angebote überregionaler Restwertbörsen zu drücken, scheitern aber bisher an den Bundesrichtern. "Maßgeblich ist nicht der Restwert aus der Internet-Restwertbörse, sondern der vom Sachverständigen am regionalen Markt ermittelte", so Experte Imhof.

Diese Rechtsprechung stand beim Verkehrsgerichtstag auf dem Prüfstand. Die unspektakuläre Empfehlung hieß: Alles soll beim Alten bleiben. Damit wurden die Anforderungen bei der Restwertbestimmung nicht zum Nachteil der Geschädigten und zum Vorteil der Versicherungen verschärft. Den Sparzwang der Gesellschaften können sich Unternehmen aber auch zu Nutzen machen, meint das vom Berliner Sachverständigen Roberto Galifi betriebene Online-Portal "Unfallzeitung".

So könnten Geschädigte versuchen, die vom Haftpflichtversicherer empfohlen Werkstätten zu nutzen. Dabei sollte auf Basis der sogenannten "Partner-Tarife" real repariert werden. In diesem Fall müssten Geschädigte ausnahmsweise von der Regel "Nie den regulierenden Versicherer anrufen" abweichen. Repariere die Werkstatt den Wagen zu "Partner-Preisen", ist es möglich, im Nachgang auf Basis des Sachverständigengutachtens den Differenzbetrag als "fiktive" Abrechnung zu fordern. Dieses Vorgehen sei von der Rechtsprechung gedeckt. "Der Bundesgerichtshof steht auf dem Standpunkt, dass der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung nicht verpflichtet ist, billige Partnerwerkstatt-Preise zu berücksichtigen", so das Portal (BGH, Az.: VI ZR 53/09). Als Auftraggeber habe der Geschädigte aber die Freiheit und dürfte – falls möglich – auch von günstigen Partnerwerkstatt-Preisen profitieren.