Schlaglöcher Wer haftet beim Unfall durch Straßenschäden?

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Der Staat muss schlechte Straßen auch bei leeren Kassen entschärfen. Ansonsten kommt er für Folgeschäden am Auto auf – wenn die Beweislage stimmt.

Glück im Unglück hatte ein Autofahrer, der von der Straßen­behörde wegen Bauarbeiten auf die Stan­dspur der Autobahn A 52 umgeleitet wurde. Dort fuhr er in ein unzureichend abgedecktes Loch an einem Gully­deckel. Durch dieses 20 Zentimeter tiefe Schlagloch wurde der Wagen erheblich beschädigt. Für den Gesamtschaden in der Höhe von 2.200 Euro muss der Straßenbetreiber aufkommen, entschieden die Richter des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: 11 U 52/12). Grund: Nach Meinung des Gerichts hat das Land Nordrhein-Westfalen in diesem Fall seine Verkehrssicherheitspflicht verletzt. Weil die Schadenstelle für den Autofahrer praktisch nicht erkennbar gewesen sei, gibt es auch kein Mitverschulden.

Solche Entscheidungen sind allerdings die große Ausnahme. In rund 95 Prozent aller Fälle gehen Autofahrer nämlich leer aus oder erhalten lediglich eine Teil­entschä­di­gung, wenn sie aufgrund einer mangelhaften Fahrbahn einen Schaden davontragen. So entschied das Oberlandesgericht Koblenz, dass ein Autofahrer in Dunkelheit ein ein Meter langes, 30 Zentimeter breites und zehn Zentimeter tiefes Schlagloch bei optimaler Fahrweise noch hätte erkennen können. Aus diesem Grund wurde eine Haftung aus Betriebsgefahr von 25 Prozent angenommen. Für die Stra­ßen­behör­de war erschwerend, dass es sich um eine Ortsdurchfahrt, also um eine vielbefahrene Straße, handelte und es keinerlei Warnhinweise gab (Az.: 12 U 13/12).

Oft nur Teilentschädigung

Nur noch 50 Prozent Entschädigung sprach das Landgericht Rostock einem Kläger zu, der bei starkem Regen wegen eines zwölf Zentimeter tiefen und 120 Zentimeter langen Schlaglochs mit dem Wagen auf der Straße aufsetzte (Az.: 10 O 656/11). Der Fahrer hatte nach Meinung der Richter mit Schlaglöchern rechnen und seine Fahrweise der Witterung anpassen müssen.

"Die Beweislast liegt immer beim Geschädigten", sagt Marc Herzog, Fachanwalt für Verkehrsrecht. Viele Ansprüche von Geschädigten würden von Behörden und Gerichten abgewiesen. Herzog: "Dabei wird meist argumentiert, dass der Fahrer zu schnell gewesen sei, das Schlagloch hätte erkennen können oder schon wegen des schlechten Zustandes der Straße im Allgemeinen mit solchen gefährlichen Hindernissen hätte rechnen müssen."

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Kommunen müssen die Straßen in Schuss halten, oder mit Tempolimits und Schildern auf Schäden hinweisen.

Schwierig werde die Durchsetzung des Schadens auch, wenn Stadt oder Gemeinde Warnschilder aufgestellt hatten. Doch auch Warnschilder haben ihre Grenze. So könnte die Amtshaftung verletzt sein, wenn etwa hinter einer Kurve ein tiefes Schlagloch den Autofahrer überrascht. Allgemeine Warnschilder sind nach Meinung von Experten keine geeignete Maßnahme, um der Gefahr für Leib und Leben des Autofahrers wirksam zu begegnen.

Demgegenüber könne eine mangelhafte Reparatur durchaus einen Schadenersatz begründen. Hier müsse geprüft werden, ob das Schlagloch nachhaltig beseitigt worden sei. Vieles hängt somit vom Einzelfall ab. Entscheidend für die Haftungsfrage ist der Grad des Verschuldens der Behörde. Wird eine bekannte schwere Gefahr nicht umgehend von der Behörde abgestellt, muss sie in der Regel zu 100 Prozent haften. "Bei überwiegendem Verschulden tritt die Betriebsgefahr vollkommen in den Hintergrund", erläutert Experte Herzog.

Unerlässlich: die Dokumentation

Wer Ansprüche stellen möchte, muss den Schlaglochschaden umfassend dokumentieren. Wichtig ist, sowohl vom Schlagloch als auch von dem am Auto entstandenen Schaden aussagekräftige Fotos zu machen. Sinnvoll ist es beispielsweise, die Tiefe des Schlaglochs mit einem Zollstock oder einem anderen Gegenstand zu veranschaulichen. Es empfiehlt sich, die Schäden an dem Fahrzeug von Zeugen bestätigen zu lassen. Noch besser ist es, den Schaden von der Polizei aufnehmen zu lassen.

Gerade für Firmen könnte es sich lohnen, Schadenersatz von der entsprechenden Behörde zu fordern. Grund: In der Regel haben Unternehmen in der Vollkaskoversicherung eine hohe Eigen­betei­li­gung vereinbart. Wird der Vollkaskoschutz noch klassisch geführt, gibt es zudem den Teilverlust des Schadenfreiheitsrabatts. Eine Entschädigung über die Firmenversicherung entfällt somit in aller Regel. Tritt allein ein Reifenschaden auf, zahlt die Vollkaskoversicherung meist nicht, weil Verschleißteile nicht mitversichert sind. Unfälle – und dazu zählt ein Schlaglochschaden – sind in der reinen Teilkaskoversicherung nicht abgedeckt.

Mit einer Verkehrsrechtsschutz-Versicherung können Fuhrparkchefs kostenlos gegen die Behörde streiten. Doch für einen solchen Bagatellschaden ist es nicht ratsam, diese Firmenpolice einzusetzen. Zum einen fallen hier meist auch Selbstbeteiligungen an, zum anderen steht derzeit die Firmenrechtsschutzversicherung marktweit unter Druck, wie der ÖRAG-Vorstand Andreas Heinsen bestätigt. Steigen die Schäden bei der Rechtsschutzpolice, müssen Kunden mit Prämienerhöhungen rechnen. Ein Umstieg zu einem günstigeren Anbieter sei derzeit in dieser Sparte kaum möglich.