Unfall auf der Geschäftsreise Nur gut versichert verreisen

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Vorsicht bei Dienstreisen: Nicht immer haben Unfallopfer Anspruch auf vollen Schadenersatz oder Schmerzensgeld. Wer sich oder seine Angestellten besser schützen will, braucht eine zusätzliche Versicherung.

Endlich Urlaub! Gemeinsam macht sich die Fahrgemeinschaft der drei Kollegen auf den Heimweg vom schwäbischen Nürtingen nach Mecklenburg. Kurz vor der Heimat gerät der Privatwagen ins Schleudern, Fahrer und ein Beifahrer werden verletzt. Da die drei Kollegen privat unterwegs waren, hatte die Fahrgemeinschaft Glück im Unglück. Bei solchen Wegeunfällen tritt die gesetzliche Unfallversicherung ein. Die Verletzten haben dann zusätzlich zivilrechtlichen Schutz aus der Kfz-Haftpflicht. Dazu zählt auch das Schmerzensgeld, das bis zu einigen 100.000 Euro betragen kann. Das zu bekommen, ist aber nicht ganz einfach. Viele Versicherer stellen sich quer. Tipps, wie Sie schnell an Ihr Geld kommen, finden Sie hier

Anders sieht es aus, wenn Mitarbeiter in ihrem Auto oder Firmenwagen zu einer dienstlichen Veranstaltung unterwegs sind. Dann handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Dann allerdings tritt eine Haftungsbeschränkung in Kraft. Zu solchen Fahrten gehört laut dem  Deutschem Anwaltsverein (DAV) auch die An- oder Abreise zur Betriebsstätte im Firmenwagen – nicht aber im Privatwagen. Diese Anfahrt wird als Arbeitsweg gesehen.

In diesem Fall handelt es sich um einen Arbeitsunfall mit Haftungsbeschränkung. Diese gilt sowohl gegenüber dem Unternehmen als auch unter Arbeitskollegen und Leiharbeitern. "Der Grund ist der Betriebsfrieden", erläutert Prof. Peter Becker, Richter am Bundessozialgericht. Der zivilrechtliche Anspruch wird bei Arbeitsunfällen komplett durch einen Anspruch gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung aufgehoben. Die Berufsgenossenschaften kommen dann für Behandlung, Rehabilitation oder bei schweren Fällen für eine Unfallrente auf.

Weniger Ansprüche bei Arbeitsunfall

"Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt zudem eine Verletztenrente, die als Pendant des zivilrechtlichen Anspruchs zum Verdienstausfallersatz betrachtet werden kann", sagt Stefan Boltz von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Am Ende stehen die Mitarbeiter, die im Fahrzeug eines Kollegen mitgefahren sind und im Rahmen einer Dienstfahrt verletzt werden, deutlich schlechter da. Grund: Die DGUV zahlt kein Schmerzensgeld.

"Das finden viele Juristen nicht mehr zeitgemäß", sagt Rechtsanwalt Stefan Herbers vom DAV. "Nach unserer Meinung darf die als besondere Absicherung gedachte gesetzliche Unfallversicherung bei einem Verkehrsunfall unter keinen Umständen zu einer Schlechterstellung gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern führen", fordert ADAC-Jurist Martin Wehrl.

Hyundai H-1 Foto: Karl-Heinz Augustin
Wenn Mitarbeiter in ihrem Auto oder Firmenwagen auf einer Fahrt zu einer dienstlichen Veranstaltung bei einem Unfall verletzt werden, handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

Dabei geschehen Arbeits- und Dienstwegeunfälle im Straßenverkehr häufig: Allein 2012 waren es mehr als 20.000 Fälle. Bezogen auf alle Unfälle von Arbeitgebern auf dem Weg zur Arbeit oder zu einer dienstlichen Veranstaltung steht jeder sechste Unfall unter dem Damoklesschwert einer geringeren Entschädigung. Ob es tatsächlich dem Betriebsfrieden dient, wenn ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit verletzt wird und Schmerzensgeld erhält, während bei einer gemeinsamen Fahrt zu einem Kunden, ein Arbeitskollege weniger erhält, wenn der Fahrer einen Unfall verursacht, ist fraglich.

Private Unfallversicherung für Mitarbeiter

Da sich das Recht in naher Zukunft wohl kaum ändern wird, sollten Unternehmen selbst aktiv werden, wenn in ihrem Betrieb viele gemeinsame Fahrten von Arbeitskollegen stattfinden. "Die einfachste Lösung ist eine private Unfallversicherung für jeden Mitarbeiter", sagt Versicherungsmakler Ralph Moser. Vorteil: Der Schutz ist relativ günstig und gilt auch in der Freizeit. Alternativ kommt eine Gruppenunfallversicherung für die Belegschaft infrage. "Dann können oft bessere Bedingungen und Rabatte ausgehandelt werden", so Moser.

Wichtig ist, dass die Versicherungssumme ausreichend bemessen ist. Besonders interessant sind Progressionstarife mit steigender Leistung. Bei einer Progression von 350 gibt es dann bei einer Grundsumme von 100.000 Euro im absoluten Ernstfall – wenn also der Unfall zu 100-prozentiger Invalidität führt – eine Leistung von 350.000 Euro. Um die Anerkennung als Wegeunfall gibt es oft Streit. Dies gilt ganz besonders bei Auslandsreisen. Und wer als Unternehmer seine Mitarbeiter in gefährliche Gebiete schickt, muss doppelt vorsorgen.

Tipp: Wer gleichzeitig privat unfallversichert ist, kann deutlich entspannter fahren. Erkennt die Berufsgenossenschaft den Unfall trotz Umweg als Wegeunfall an, leistet die private Unfallversicherung zusätzlich. Sie ist eine Summenversicherung, deren Leistung nach Grad der unfallbedingten Invalidität fällig wird. "Eine Verrechnung mit andern Leistungen gibt es nicht", sagt Experte Moser. 

VW Caddy, Flotte, Fuhrpark, Dummy Foto: Foto: VW, Montage: firmenauto

Urteile zum Thema

Private Unterbrechung

Mitarbeiter, die ihre Dienstfahrt für zwei Tage für einen privaten Besuch unterbrechen, stehen auf der Rückfahrt nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Hinterbliebenen – der Arbeitnehmer erlitt einen tödlichen Unfall - haben keinen Anspruch auf Leistungen (Bundessozialgericht AZ: B 2 U 20/05 R).

Tanken

Schon privates Tanken auf dem Arbeitsweg gefährdet den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das gilt dann, wenn die Tankstelle nicht auf direktem Weg zur Arbeit liegt und der Unfall auf dem Umweg passiert (Soz.G. Heilbronn AZ: S 3 U 666/10).

Alkoholfahrt

Wer betrunken zur Arbeit fährt, riskiert den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Dazu ist nicht einmal die absolute Fahruntüchtigkeit (ab 1,1 Promille) erforderlich, so das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (AZ: L 6 U 39/04). Zudem kann die Kaskoversicherung den Schadenersatz einschränken oder verweigern und die Haftpflicht kann bis zu 10.000 Euro zurückfordern, wenn Dritte entschädigt werden mussten.

Vorerkrankungen werden geprüft

Die gesetzliche Unfallversicherung prüft, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einem Arbeitsunfall auf frühere Erkrankungen beruhen. Allerdings reicht es, wenn die Verletzung "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit an den gesundheitlichen Einschränkungen maßgeblich schuld ist." (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg AZ: L 3 U 279/11).