Unfall von Elektroautos Helfen oder abwarten?

Foto: Johannes Roller

E-Autos haben bis zu 600 Volt an Bord. Wie gut sind sie abgesichert, damit Stromschläge selbst nach einem Unfall ausgeschlossen sind?

Im November 2016 raste ein Tesla Model S auf der A5 bei Karlsruhe mit hoher Geschwindigkeit in eine Autobahnbaustelle. Das Auto wurde dabei völlig zerstört, der Fahrer schwer verletzt. "Für uns war es der erste Unfall mit einem Elektroauto", sagt Bernd Molitor, der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr. "Somit war der Druck der Personenrettung schon mal weg, und wir hatten Zeit, technische Fragen im Zusammenhang mit dem Auto zu klären."

Zunächst rief die Feuerwehr bei Tesla in den USA an, um zu klären, ob das Fahrzeug nach einem Unfall spannungsfrei ist. Elektroautos haben Hochvoltanlagen mit 400 bis 600 Volt an Bord, die starken Stromschläge sind tödlich. Die Amerikaner aus der Firmenzentrale verwiesen an die Telsa-Niederlassung in Frankfurt am Main. "Dort bekamen wir die Auskunft, dass beim Auslösen auch nur eines Airbags die Hochvoltanlage von den Batterien getrennt wird und somit keine Gefahr mehr besteht, beim Berühren der Karosserie einen Stromschlag zu bekommen", berichtet Molitor. Der Tesla-Mann sagte auch, dass das abgeschleppte Fahrzeug wegen der bestehenden Brandgefahr des Akkus im Freien und nicht in einer Halle abgestellt werden solle. Brandgefahr besteht vor allem dann, wenn die Batteriezellen beschädigt sind. Nach knapp zwei Stunden war die Unfallstelle geräumt.

Erste Hilfe muss jeder leisten

Die Frage, welche Gefahr von den neuen Fahrzeugen ausgeht, stellt sich nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch für die Ersthelfer. Denn grundsätzlich gilt die Pflicht, Erste Hilfe zu leisten. Wer sie verweigert, macht sich strafbar. Aber man muss nur das machen, was zumutbar ist, und das auch nur entsprechend der individuellen Kenntnisse, sagt Jurist Jost Kärger vom ADAC. Von einem Arzt oder Feuerwehrmann wird aufgrund der Fachkenntnisse allerdings mehr erwartet.

Gefahr für Ersthelfer besteht bei jedem Unfall

Laut ADAC-Unfallforscher Thomas Unger besteht bei einem Unfall immer eine Gefahr für die Helfer, unabhängig von der Antriebstechnologie des Autos. Natürlich haben Elektroautos entsprechendeSicherheitsvorkehrungen. "Die verhindern, dass die Karosserie unter Spannung steht", sagt Unger. In Crashtests und anderen Untersuchungen hat der ADAC herausgefunden, dass Hybrid- oder reine Elektroautos keine anderen oder größeren Probleme in der technischen Rettung bereiten als konventionell angetriebene Fahrzeuge. Auch nicht, wenn Insassen befreit oder herausgeschnitten werden müssen. Bei einem gecrashten BMW i3 mit Carbon-Karosserie funktioniere die Rettung genauso wie bei einer Stahlkarosse.

Für alle Arten von Antrieben gibt es gesetzliche Vorschriften. Sie sollen dafür sorgen, dass von Fahrzeugen nur eine geringe, im besten Fall keine Gefahr ausgeht. Bei Elektroautos ist es beispielsweise die Anforderung, Hochvolt- und Bordnetz voneinander zu trennen. Das Hochvoltnetz dient dem Antrieb, das Bordnetz ist die 12-Volt-Anlage wie im konventionellen Auto für Licht, Blinker oder Klimaanlage. "Das Hochvoltnetz ist ein eigenes, entkoppeltes System. In diesem liegt die Masse nicht auf der Karosserie, wie es beim konventionellen Bordnetz üblich ist", erläutert Julian Zwick, Fachbetreuer Elektromobilität beim TÜV Süd in München. So wird verhindert, dass die Karosserie bei Fehlern unter Strom stehen könnte. Aus der Crashvorschrift geht zudem hervor, dass beim Auslösen eines Airbags das Hochvoltnetz automatisch heruntergefahren wird. Sollte es dennoch zu einem Kurzschluss kommen, unterbrechen Schmelzsicherungen in der Batterie den Stromfluss. BMW teilt auf Anfrage mit: "Es ist kein einziges Vorkommnis bei den inzwischen 100.000-BMW-i-Fahrzeugen bekannt, wo es zu einer Schädigung von Insassen, Rettungskräften oder Passanten und Ersthelfern durch die verbaute Hochvolt-Technik gekommen wäre."

In der Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg, wo Einsatzleiter in der technischen Hilfeleistung ausgebildet werden, geht es in einem Teil der Kurse auch um Elektrofahrzeuge. "Es wird häufig falsch dargestellt", sagt Frank Hüsch, Lehrkraft im Fachbereich Technik. "Ein Stromschlag durch einfaches Berühren der Karosserie ist sehr unwahrscheinlich, weil physikalisch unmöglich." Durch das Berühren wird kein Stromkreis geschlossen. An der Feuerwehrschule lernen die Teilnehmer auch, dass es für alle Typen Rettungsdatenblätter gibt. "Die sind wie eine Landkarte, auf der man sieht, wo Sicherheitsvorkehrungen verbaut sind." Motor, Akku, Stromleitungen. Für alternativ angetriebene Fahrzeuge wurden die Blätter um zwei bis drei Seiten erweitert. "Darauf sind Handlungsanweisungen beschrieben, falls die Deaktivierung des elektrischen Antriebssystems nicht automatisch erfolgt", sagt Hüsch. Denn auch Sicherheitsvorkehrungen können versagen. Online können die Einsatzkräfte der Feuerwehr die Datenblätter abrufen. Dafür genügt allein das Kennzeichen.

Besondere Vorsichtsmaßnahmen gelten auch, wenn man ein E-Auto abschleppt. Die angetriebene Achse darf keinen Straßenkontakt haben, da der elektrische Motor ansonsten Strom produzieren würde. Und auch bei der Reparatur eines Elektroautos in der Werkstatt darf nicht einfach jeder Mechaniker Hand anlegen.