Vernetztes Auto Ohne Internet geht künftig nichts mehr

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Bald wird jeder Firmenwagen eine Online-Anbindung haben. Wie aber wirkt sich das vernetzte Fahrzeug auf Fahrer und Flottenmanagement aus?

Schon heute kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass fast jedes Auto auf unseren Straßen über eine Anbindung ans Internet verfügt. Zwar ist nicht bei jedem Fahrzeug die entsprechende Technik eingebaut, aber praktisch jeder Autofahrer hat ein Smartphone in der Tasche. Somit muss wohl kein Geschäftsmann hinterm Steuer auf aktuelle Verkehrsinformationen, automatische Stauumfahrung und die Erreichbarkeit per E-Mail, Whatsapp oder ähnliche Kanäle verzichten, der dies nicht bewusst verweigert.

Doch bei geschäftlich genutzten Fahrzeugen geht der Trend zur Vernetzung schon deutlich weiter. Selbst in der unteren Mittelklasse zählt eine Datenanbindung mittlerweile zum guten Ton. Beispielsweise durch ein ins Fahrzeug eingebautes Mobilfunkmodem oder über eine Schnittstelle, über die sich das Smartphone des Fahrers mit den Bordsystemen verbinden lässt. Die Experten der Automobil-Managementberatung Oliver Wyman gehen davon aus, dass schon 2020 praktisch jeder Neuwagen zumindest über eine Basisanbindung ans Mobilfunknetz und Internet verfügt.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Vernetzte Navisysteme und Infotainment-Anlagen mit Internet-Anbindung bieten einen Gewinn an Nutzen und Komfort. Gerade Fahrer von Geschäftswagen sind darauf angewiesen, Daten mit Kollegen und Firmenzentrale auszutauschen. Außerdem müssen ab 2018 alle neu auf den EU-Markt kommenden Fahr­zeug­model­le mit dem Notrufsystem E-Call ausgerüstet sein. Um diese gesetzliche Vorgabe zu erfüllen, müssen die Hersteller ohnehin ein Mobilfunkmodul in ihre Fahrzeuge einbauen, das sich dann auch gleich noch anders verwenden lässt.

Die Autohersteller haben erkannt, dass sich aus der verbreiteten Vernetzung ihrer Fahrzeuge nicht nur neue Funktionen und Angebote für ihre Kunden, sondern auch ganz neue Geschäftsmodelle ergeben. Beim Zugriff von Vertragswerkstätten auf die Fahrzeugdaten etwa: Bei der Verwaltung von Flotten können die Reparaturbetriebe ihre Kunden auf anstehende Wartungen und Inspektionen oder per Remote-Diagnose erkannte Fehlermeldungen und Reparaturnotwendigkeiten hinweisen. Sie können Ersatzteile vorab bestellen, selbst eine Terminvereinbarung per Online-Verbindung ist möglich. Allerdings gewähren die Hersteller den Zugriff auf solche Daten nur ihren Vertragshändlern. Freie Werkstätten gehen bei solchen Modellen in der Regel leer aus.

Die Autohersteller selbst nutzen ebenfalls die Zugriffsmöglichkeiten, um im Feld zu überprüfen, wie sich Fahrzeugkomponenten in der Praxis verhalten und wie schnell sie verschleißen. Sogar gezielte Diagnoseaufträge lassen sich an die Bordelektronik verschicken, um beispielsweise im Nachhinein entdeckte Fehler oder Schwachstellen statistisch zu überprüfen.

Remote-Diagnose durch Werkstätten und Autohersteller

Sofern Software betroffen ist, könnten per Internet und WLAN übermittelte Updates Fehler beheben, ohne dass das Fahrzeug dazu in die Werkstatt muss. Um Datensicherheit und Stabilität sicherzustellen, halten sich die deutschen Premiumanbieter in dieser Hinsicht bislang allerdings noch zurück. Tesla hingegen spielt regelmäßig Software-Updates aus, sofern das Fahrzeug steht und der Motor ausgeschaltet ist.

Mit Updates werden auch neue Funktionen ins Fahrzeug gespielt, beispielsweise zum autonomen Fahren. Vergleichbar mit dem iPhone, dem Apple mit jeder neuen Version von iOS neue Features auf den Weg gibt.Und auch Fernzugriff und Online-Updates sind erst der Anfang der Entwicklung. Vernetztes Flottenmanagement, das für jedes Fahrzeug der Flotte sekundenaktuell und exakt Position und Fahrziel kennt, ist mit vernetzten Pkw und Nutzfahrzeugen längst Realität. Sind genügend vernetzte Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten zur Verkehrssteuerung. Echtzeit-Verkehrsmeldungen von Google und Mobilfunkanbietern basieren schon heute auf Standortdaten, welche unsere Smartphones übermitteln. Oftmals ohne dass der Autofahrer dies weiß.

Sprechen Autos miteinander, können sie sich vor Unfällen oder vor Glatteis warnen. Auch mit der Infrastruktur lässt sich ein Auto vernetzen. Mit Ampeln etwa. Dann könnte eine Uhr im Cockpit dem Fahrer anzeigen, wann sie auf Grün oder Rot umspringt.

Wenn beispielsweise städtische Verkehrsleitsysteme die Navigationsziele aller Fahrzeuge kennt, könnte sie einzelnen Teil-Kolonnen unterschiedliche Routen zuweisen und Ampelschaltungen dynamisch an das Verkehrsaufkommen anpassen. Für Bundesstraßen und Autobahnen gibt es bereits Ideen. Auch dort ließen sich die Verkehrsströme durch individuelles Routing besser ausgleichen. Derzeit sind solche Pläne allerdings noch Zukunftsmusik. Zwar existieren bereits Verkehrsleitzentralen, dynamisch adressierbare Beschilderungen und Ampelsysteme. Doch insbesondere die Funkstandards und Übertragungsprotokolle für Car-2-X-Kommunikation sind in der Fachwelt noch umstritten und bislang nicht verbindlich verabschiedet. Immerhin: Bereits ab 2018 könnten erste Pilotprojekte starten.

Vom vernetzten Terminkalender bis zum autonomen Fahren

Bis dahin planen die Fahrzeughersteller auch Vernetzungslösungen, die wiederum dem individuellen Komfort und der individuellen Terminplanung der Fahrer dienen sollen. Audi will mit seinem "Persönlichen Informationsassistenten" PIA und BMW mit dem Mobilitätsassistenten "BMW Connected" Datenquellen wie Online-Terminkalender oder Social-Media-Konten der Fahrer ins Auto bringen, um so vielfältige Dienste anzubieten. Ideen gibt es jetzt bereits. Beispielsweise die vom intelligenten Wecker, der den Tageskalender seines Besitzers kennt und ihn je nach Verkehrslage früher oder später aus dem Bett holt. Oder vom Auto, das die Stimmung des Fahrers erkennt und je nach Tageszeit Klimaanlage, Sitzheizung, Musik und Innenraumbeleuchtung anpasst. Fragt sich aber, ob wir das so wollen.

Noch etwas länger müssen sich Hersteller und Fahrer gedulden, bis die Vernetzung von Fahrzeugen, Endgeräten und Objekten im »Internet der Dinge« mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G einen deutlichen Schub erfahren soll. Der soll 2020 starten und dank höherer Datenübertragungsrate als Grundlage für die Steuerung autonom fahrender Autos und Verkehrssteuerungs-Lösungen dienen.

Die Autohersteller sind jedoch etwas skeptischer als die Mobilfunker. Geht es etwa nach Alfons Pfaller, Leiter Entwicklung Infotainment bei Audi, sollten Autos bei Bedarf immer auch direkt miteinander kommunizieren können, ohne den Weg über ein Mobilfunknetz. Ähnlich sieht man das beim Automobilzulieferer Continental: Die Fahrzeuge brauchen immer einen Notfall-Modus, in dem sie auch ohne Netzkontakt sicher, zuverlässig und komfortabel fahren können. Denn bei allen Vorteilen, die sich aus der ständigen Vernetzung ergeben – vollständig abhängig machen möchten sich die Autohersteller davon auch nicht.

Mobilfunkstandard 5G - Basis fürs autonome Fahren

Die Steuerung und Informationsversorgung autonom oder hochautomatisiert fahrender Autos zählt zu den wichtigsten Szenarien, die Mobilfunkbetreiber für die fünfte Mobil­funk­gene­ra­tion (5G) in Aussicht stellen. Ab 2020 soll die neue Technik Zug um Zug eingeführt werden. Im ersten Schritt wird es vor allem darum gehen, den Fahrzeugen aktuelle Informationen über die vor ihnen liegende Strecke zu übermitteln, etwa Spursperrungen durch Baustellen oder Ähnliches. Die Orientierung in der Spur und zu den in der Umgebung fahrenden Autos wird das Fahrzeug dagegen selbst leisten. Geplant sind aber auch Dienste wie eine digitale Rettungsgasse. Einsatzfahrzeuge sollen sich zusätzlich oder alternativ zum Martinshorn durch ein "digitales Funkfeuer" bei den anderen Fahrzeugen ankündigen. Auch Einfädel- und Kreuzungsassistenten, die auf der Live-Kommunikation zwischen den beteiligten Fahrzeugen basieren, sind im Gespräch