Autonomes Fahren im Beruf Auf dem Dienstweg gibt's noch Hürden

Foto: Volvo

Automatisiertes Fahren, Datenaustausch mit der Cloud, Effizienz- und Sicherheitsassistenten – wird das Fahren von Firmenwagen künftig einfacher oder komplizierter?

Mal wieder ein Mitarbeiter, der sein Smartphone vergessen hat und nicht erreichbar ist. Noch vor wenigen Jahren hätte sich allenfalls der Chef darüber geärgert – doch künftig beschäftigt das Thema genauso den Fuhrparkleiter. Dass das Mobiltelefon als digitaler Schlüssel für das Flottenfahrzeug jedes Außendienstlers dient, ist dabei das geringere Problem. Die von dem Autohersteller zusätzlich gelieferten konventionellen Funkschlüssel hängen fein säuberlich sortiert im Schlüsselschrank und können von dort problemlos als Ersatz ausgegeben werden. Das größere Problem: Anhand des Smartphones erkennen Auto und Cloud in Zukunft den Fahrer. Dessen Strecken- und Terminplanung wird dann aus dem Cloud-Kalender direkt ins Navigationssystem des Fahrzeugs übertragen. Weil das so bequem ist, haben sich alle Mitarbeiter schnell daran gewöhnt. Fehlt nun das Smartphone, fehlt der Tagesplan.

Die Lösung: Die IT-Abteilung richtet dem Mitarbeiter für den laufenden Tag in Windeseile ein Ersatztelefon ein, auf dem alle Cloud-Konten aktiviert werden. Der Fuhrparkleiter genehmigt per Mausklick die Verknüpfung zwischen Ersatzhandy, Firmenwagen und Cloud. Mit etwa einer halben Stunde Verspätung kann der vergessliche Mitarbeiter sein Tagesprogramm starten

Rechtliche Situation noch unklar

Die Streckenabschnitte zum ersten Tagestermin, die über Bundesstraßen und Autobahnen führen, erfolgen im hoch­auto­no­men Fahrmodus. Der Außendienstler entspannt sich und genießt das vom Auto passend zu Tageszeit und Wetter eingestellte Wohlfühlklima und -ambiente. Je näher das Ziel kommt, umso dynamischer wird die abgespielte Musik. Das ist kein Zufall, sondern die subtile Art und Weise, mit der das vernetzte Auto seinen Insassen auf den ersten Kundentermin einstellt.

Dieser Blick in die nahe Zukunft ist sicherlich spekulativ – doch die skizzierten Funktionen haben deutsche Premium-Autohersteller längst angekündigt. Dass sie den Alltag von Dienstwagenfahrern und nicht zuletzt auch den der Fuhrparkverantwortlichen in einigen Aspekten deutlich umkrempeln werden, liegt auf der Hand.

Andere Rahmenbedingungen sind dagegen noch stark in der Diskussion und somit schwieriger einzuschätzen. Dies gilt insbesondere weiter für die rechtliche Situation rund um das autonome Fahren. Zwar will Bundesverkehrsminister Dobrindt die Gesetzeslage schnell so anpassen, dass der Fahrer zumindest zeitweise die Fahrverantwortung an hochautonome Assistenzfunktionen abgeben darf.

Doch skeptische Juristen weisen darauf hin, dass damit noch längst nicht alle Fragen geklärt sind – etwa zur Haftung in Unfallsituationen sowie zur Fürsorgepflicht von Arbeitgebern. In kritischen Fällen könnte es die Position eines Unternehmens vor Gericht stark belasten, wenn es seinen Angestellten quasi vorschreibt oder zumindest freistellt, im hochautonom fahrenden Fahrzeug Termine vorzubereiten oder Firmen-E-Mails zu beantworten.

Als Folge wäre es gar nicht unwahrscheinlich, dass zunächst Privatfahrer autonome Fahrfunktionen auf mehr oder weniger eigenes Risiko nutzen dürfen, während Flottenfahrern dies wegen der unwägbaren juristischen Fallstricke per Firmenrichtlinie verboten wird. Je nach Risikobereitschaft könnte die konkrete Handhabung sich zwischen einzelnen Unternehmen deutlich unterscheiden.

Soweit künftige Lösungen für das hoch­auto­mati­sierte Fahren von Fahrzeugvernetzung und Internetanbindung abhängen, mehren sich überdies warnende Stimmen, die kritische Sicherheitsprobleme vorhersagen. So setzt die Telekommunikationsindustrie beim für 2020 angekündigten 5G-Netz auf ultra­schnelle Reaktionen – in der Fachsprache: Latenzzeiten von nur noch einer Milli­sekunde.

Netzsicherheit ist umstritten

Daraus ergibt sich jedoch das Problem, dass diese Sekundenbruchteile einfach zu kurz sind, um die Datenpakete auf boshafte Manipulationen oder Schadcode zu untersuchen. Schon warnen Datenschutz-Experten von »Ransomware for Cars« – also Erpressersoftware, die ein gekapertes Auto zum Beispiel erst nach Lösegeldzahlung wieder freigibt.

Und das sind bei Weitem nicht die schlimmsten Szenarien. Sicherheitsforscher arbeiten mit Hochdruck an neuen Konzepten, mit denen sie diesen Herausforderungen begegnen wollen. Im Gespräch sind zum Beispiel statische Verfahren, mit denen sich die Wahrscheinlichkeit bestimmen lassen soll, mit der ein Datenpaket manipuliert wurde. Steigt dieser Wert über eine bestimmte Schwelle, werden die Daten nicht direkt zugestellt, sondern weiteren Untersuchungen unterzogen. Hängt an seinem Inhalt jedoch der autonome Fahrbetrieb eines Autos, müsste dieses in so einer Situation schnellstmöglich die manuelle Kontrolle an seinen Fahrer zurückgeben.

Hinzu kommen die unterschiedlichen Präferenzen der Fahrer. In einer von Good­year unter 12.000 Autofahrern in elf europäischen Ländern durchgeführten Studie zeigen sich gerade Deutsche als Technik-Muffel: Bei der Frage, wie aufgeschlossen die Fahrer gegenüber hochautonomen Assistenzfunktionen seien, nahm die deutsche Gruppe den letzten Platz ein. Bei der Frage nach dem Fahrspaß landen wir dagegen auf Platz eins: 64 Prozent genießen es, selbst in das Steuer zu greifen, und sogar 79 Prozent sind der Meinung, dass der Mensch immer die Kontrolle über sein Auto behalten sollte.

Darüber müssen sich berufliche Vielfahrer zumindest auf mittlere Sicht keine Sorgen machen: Auch 2020 und vermutlich noch lang darüber hinaus erwarten Branchenkenner keine vollständig autonomen Fahrzeuge auf unseren Straßen. Zunehmend leistungsfähigere Assistenzsysteme werden die Fahrer in monotonen Situationen wie Fahrten durch zähflüssigen Autobahnverkehr oder durch enge Baustellen entlasten. Und die Systeme werden mit immer raffinierteren Strategien versuchen, Energieverbrauch und Schadstoffausstoß zu senken, Unfälle zu verhindern oder zumindest deren Folgen stark abzumildern. Aber bis die Fahrer die Kontrolle und Verantwortung wirklich komplett und über lange Zeit an das Fahrzeug abgeben können, ist es technisch und juristisch noch ein sehr langer Weg.