Vernetztes Auto Auto, wie geht es Dir?

Foto: Continental

Die Zeiten für digitale Exklusivität im Auto gehen zu Ende. Künftig wird sich der Firmenwagen per Smartphone melden, wenn er in die Werkstatt muss.

Die Ära der kunterbunt blinkenden Warnsignale im Anzeige­instru­ment dürfe in absehbarer Zeit zu Ende gehen. Diese Relikte der analogen Steinzeit erfüllen zwar noch brav ihren Zweck. In der digitalen Moderne funktioniert Kommunikation jedoch anders. Das Auto spricht jetzt mit dem Fahrer über seine Befindlichkeiten. Und natürlich ist dabei stets ein Smartphone im Spiel. Eine App informiert über den Verschleiß der Bremsbeläge, warnt vor einem Ausfall der Batterie oder fordert zur Korrektur des Luftdrucks in den Reifen auf. Diese Form der Kommunikation ist aber nur der Anfang der neuen Beziehung zwischen Fahrer und Auto. Das Beratungsunternehmen KPMG hat in der aktuellen Ausgabe seines jährlichen Global Automotive Executive Survey genau diesen Trend ausgemacht: die Vernetzung zwischen Autohersteller und Werkstatt mit ihren Kunden in Echtzeit

Ferndiagnose per Smartphone

Bisher sind es vor allem die Altmeister der automobilen Vernetzung wie BMW (Connected Drive, 2006) und Mercedes (mBrace, 2008), die dieses Feld bespielen. Neuerdings sind auch andere Hersteller auf dem Platz, die das Smartphone zum ultimativen Tool für das transparente Fahrzeug machen. Opel etwa bietet mit On Star ein hoch entwickeltes Programm zur digitalen Integration an. Es ermöglicht unter anderem eine Fern­diagno­se von Fahrzeugsystemen wie Motor, Getriebe und Airbags sowie ein monatliches Reporting per E-Mail über den Fahrzeugstatus. Mit dem Smartphone kann der Fahrer das Auto schließen oder öffnen, Touren managen, den Standort und Werkstattservices abfragen. Ein Handicap dieser Lösung ist freilich die Beschränkung auf Neufahrzeuge.

Mit diesem Arrangement befinden sich die Rüsselsheimer in guter Gesellschaft. Die meisten Autobauer wollen ihren Kunden digitale Exklusivität verkaufen. Etliche Services können sie aber nur anbieten, weil sie Zugriff auf die elektronischen Systeme ihrer Fahrzeuge haben. Diese Alleinstellung steht auf der Kippe. Wie es heute aussieht, wird die nächste Evolutionsstufe der Vernetzung alle Fahrzeugklassen und Baujahre umfassen.
Die Weichen dazu stellt der Markt mit Lösungen für die Nachrüstung. Eine zentrale Rolle bei dieser digitalen Umwälzung spielt die sogenannte On-Board-Diagnose (OBD), mit der seit 2004 alle Fahrzeuge ausgestattet sind. Ursprünglich zur Kontrolle des Motor- und Abgasmanagements entwickelt, vernetzen sich in diesem Überwachungssystem die Steuergeräte und tauschen Daten der verschiedenen Sensoren aus. Für die Autowerkstätten ist die OBD daher der Heilige Gral der Fahrzeugdiagnose. Hat der Mechaniker sein Diagnosegerät verbunden, stehen ihm alle Daten über Betrieb und Zustand des Fahrzeugs sowie Fehlermeldungen zur Verfügung.

Potenzial für neue Dienstleistungen

Mittlerweile interessieren sich auch Player der digitalen Szene für die OBD. Daten übers Auto sind ein wertvoller Schatz, der sich mit einfachen Mitteln heben lässt. Der Zugang zu den Fahrzeugdaten ist mit einem Adapter (Dongle) für die Schnittstelle ein Kinderspiel. Ein Geschäftsmodell auf Basis der OBD braucht jetzt nur noch eine Blue­tooth-Verbindung zum Smartphone und die richtige Applikation, die diese Daten nutzbar macht. Tatsächlich attestiert eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger der On-Board-Diagnose ein enormes Potenzial für Dienstleistungen rund ums Auto. Die Hand­lungs­felder sind etwa Flot­ten­manage­ment, Car­sharing, Navigation, Werkstatt und Versicherung. Die Studie geht davon aus, dass bis 2020 rund 90 Millionen Pkw in Europa eine Nachrüstung mit einem OBD-Adapter an Bord haben. Die Hersteller dagegen würden in der gleichen Zeit nur rund 70 Millionen Fahrzeuge mit Systemen ab Werk ausstatten.

Den Autobauern dürfte diese Entwicklung nicht gefallen. Ihre Kunden werden sich fragen, warum sie lange auf eine Premium-Lösung warten sollen, wenn der nahezu gleiche Service per Nachrüstung schneller und günstiger zu haben ist. Da ein Auto jedoch nur eine Schnittstelle besitzt, kann auch nur ein Anbieter das Rennen machen.

Mercedes hat dieses Dilemma erkannt. Mit dem Me-Adapter haben die Schwaben eine Nachrüstlösung entwickelt, die den meisten Modellen der letzten zehn bis 15 Jahre einen digitalen Anschluss ermöglicht. Die Strategie ist klar: Wenn sich die Kunden mit älteren Fahrzeugen vernetzen wollen, dann will man dieses Geschäft selbst machen. Allerdings ist die Konkurrenz schon mit eigenen Produkten in Sicht, die dem Fahrer in Echtzeit Infos auf dem Smartphone anzeigen sollen. Und immer besorgt ein OBD-Stecker den Zugang zum Diagnosesystem.

Ein Baustein der Apps von Autobauer und Zulieferern ist die Vernetzung zwischen Kunde und Werkstatt. Das ergibt Sinn, weil Wartungsmanagement und Reparaturaufträge nur dann funktionieren, wenn die App eine Anbindung an die Werkstatt besitzt. Auf diese Weise kann der Fahrer Fehler- und Verschleißinformationen aus dem Fahrzeugsystem direkt an die Werkstatt melden oder einen Termin zur Wartung und Reparatur einstellen.
Wie gut eine App am Ende beim Nutzer ankommt, hängt von weiteren Fähigkeiten der Software ab. Typische Funktionen sind Benzinspartipps, Fahrtenbuch, Autofinder und Pannenhelfer, der im Notfall die aktuelle Position des liegengebliebenen Autos an den nächsten Pannendienst weiterleitet. Auch das Fuhrparkmanagement könnte in Zukunft die Chancen der Vernetzung nutzen. Stehen die zentralen Betriebsdaten der Dienstfahrzeuge jederzeit zur Verfügung, lassen sich Wartungen, Laufleistung und Rückgabe der Fahrzeuge optimal organisieren. Auch der Dienst­wagen­nutzer ließe sich konsequent in die Pflicht nehmen. Schließlich braucht er sein Auto nur noch mit dem Smartphone zu fragen, wie es ihm gerade geht.

Autowerkstatt - Vernetzung der Systeme

Die Vernetzung der Diagnosesysteme in der Werkstatt steckt häufig noch in den Kinderschuhen. Gerade bei der Erfassung der Kundendaten und dem Handling der Arbeitsplätze gibt’s Spielraum für Effizienz, Auslastung und höhere Qualitätsstandards. Bosch hat jetzt unter dem Label Connected Repair eine Software entwickelt, die sich genau diese Ziele auf die Fahne schreibt. Sie verbindet bereits vorhandene Bosch-Diagnosesysteme wie Klimaservicegerät, Achsvermessung, Fahrzeugsystemanalyse, Scheinwerfer-Einstellgerät und Emissionsanalyse. Das Konzept sieht vor, dass sich die einmal über Halter und Fahrzeug erhobenen Daten für alle weiteren Vorgänge in der Werkstatt nutzen lassen. Ein Mechaniker muss daher an seinem Arbeitsplatz nur noch das Kfz-Kennzeichen oder die Fahrzeug-Identifikationsnummer (VIN) eingegeben, um damit Zugriff auf alle Daten des Fahrzeugs zu erhalten. Das Gleiche gilt beim nächsten Werkstattbesuch des Kunden. In diesem Fall kann der Werkstattmitarbeiter an jedem PC-gestützten Arbeitsplatz sofort auf die Fahrzeughistorie und die Prüfergebnisse zugreifen. Die Daten selbst speichert die Werkstatt auf einem eigenen Server.