Volkswagen Nutzfahrzeuge e-Crafter Erste Ausfahrt mit dem Elektro-Transporter

Volkswagen e-Crafter Foto: Henning Scheffen/VWN 7 Bilder

Volkswagen Nutzfahrzeuge hat den neuen Elektrotransporter e-Crafter auf dem Testgelände Ehra-Lessien zur letzten Abnahmefahrt und zugleich ersten Ausfahrt für die Fachpresse geschickt.

Wie schon beim konventionellen Diesel-Crafter hat sich VW auch bei der batterieelektrischen Variante seines großen Transporters bei den Kunden umgehört. In einer europäischen Studie unter mehr als 1.500 kleinen und mittleren Unternehmen hat VW eigenen Angaben zu Folge aus mehr als 210.000 Fahrprofilen drei bestimmende Typen ermittelt: Kurz-, Mittel- und Langstreckennutzer. 30 Prozent entfallen auf die letzte Gruppe und legen gemäß Fahrprofil im Durchschnitt 175 Kilometer und mehr pro Tag zurück. Die Mittelstrecke macht mit 55 Prozent den größten Anteil aus und operiert in einem Bereich von 70 bis 175 Kilometern. Kurzstreckenfahrer, hier kommt die "letzte Meile" ins Spiel, begnügen sich mit einer täglichen Fahrstrecke von durchschnittlich 70 Kilometern. Diese Gruppe macht entsprechend 15 Prozent der Befragten aus. Dazu kommen 85 Prozent Stadtfahrten, 40 bis 100 Zwischenstopps und eine nötige Nutzlast von rund 900 Kilogramm. 

"An der Elektrifizierung im Zustellverkehr wird nichts vorbeiführen"

Genau hier setzt VW an. Denn, so Dr. Eckhard Scholz, Vorstandsvorsitzender bei VW Nutzfahrzeuge, für die Langstrecke sei die E-Mobilität die falsche Lösung. Im Gegenzug harmoniert ein Dieselmotor nicht gerade perfekt mit dem Stop-and-Go-Verkehr in der Zustellung. "An der Elektrifizierung im Zustellverkehr wird nichts vorbeiführen", stellt Scholz daher klar. 

Die technischen Daten des e-Crafter orientieren sich daher exakt an diesem Profil. Mit dem 35,8 kWh großen Akku realisiert VW bei einem NEFZ-Verbrauch von 20 kWh pro 100 Kilometern eine Reichweite von 160 Kilometern. Schon bei der ersten Ausfahrt wird mit Zwischenverbräuchen um 28 kWh klar, dass dies nur im besten Falle möglich ist. Mindestens 100 Kilometer Reichweite sind aber, so VW, in der Praxis sicher – also genau das, was die auserkorene Zielgruppe plus Reserve wünscht. 

Spritzige E-Maschine

Die Leistung des permanent erregten Synchronmotors, der die Vorderräder antreibt, gibt VW im Peak mit 100 kW an, die Dauerleistung liegt bei 50 kW. Dazu kommt ein aus dem Stand verfügbares Drehmoment von 290 Nm. In Ehra-Lessien hat VW zwei Vorserienfahrzeuge im Gepäck: leer und voll ausgeladen. Trotz der auf den ersten Blick eher übersichtlichen Papierform tritt der e-Crafter in beiden Fällen spritzig an und beschleunigt turbinenartig auf die abgeregelte Höchstgeschwindigkeit. Auch die Geräuschkulisse der E-Maschine erinnert entfernt an ein Flugzeugtriebwerk, wenn auch nur ganz im Hintergrund. Auch beim Handling überzeugt der Transporter und profitiert merklich vom passenden Basisfahrzeug, sowohl on- als auch offroad.

Die Wahl beim Antrieb fiel laut VW auf Grund des besseren Wirkungsgrades auf einen permanent erregten Synchronmotor. Im Vergleich zu einer Asynchronmaschine betrage dieser etwa 92 zu 87 Prozent. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 90 km/h begrenzt. 

Elektro-Komponenten aus dem e-Golf

Die Komponenten für den Elektroantrieb stammen allesamt aus dem Konzernregal, genauer gesagt aus dem VW e-Golf. Während Ladegerät und Leistungselektronik direkt verwendet werden konnten, die Batterie nur leicht angepasst wurde, hat VW das Getriebe verstärkt. Statt einer Fahrstufe verfügt dieses nun über derer zwei. Schließlich muss der Antriebstrang im Crafter auch mit grob der doppelten Masse fertig werden. Grundsätzlich gelte: übernehme, was du übernehmen kannst. Aber, so Scholz, "an einigen Stellen müssen wir Nutzfahrzeug-spezifisch nachbessern."

Dabei trägt der E-Antrieb gar nicht so sehr zum Fahrzeuggewicht bei, wie man befürchten könnte. Im Vergleich zum 2.0 TDI bringt der e-Crafter rund 500 Kilogramm mehr auf die Waage. Davon entfallen etwa 350 Kilogramm auf die Batterie, der Rest auf zusätzlichen Unfallschutz für die Batterien, die unter dem Fahrzeug zwischen den Achsen sitzen. Bei einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen bleibt dann eine Zuladung von einer Tonne. Wer den e-Crafter optional mit einem Gesamtgewicht von 4,25 Tonnen bestellt – dank Ausnahmeregelung für E-Fahrzeuge reicht dann noch immer der Führerschein Klasse B – bekommt sogar 1,75 Tonnen Zuladung, muss sich aber mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h begnügen. 

Batterien sitzen unter dem Laderaum

Neben der Zuladung ist das Ladevolumen entscheidend. Dank der Position der Batterie büßt der e-Crafter keinen Laderaum ein im Vergleich zur Diesel-Variante. Einziges Zugeständnis: Der Elektrotransporter basiert auf der Heckantriebsversion, hat also einen um 100 Millimeter erhöhten Ladeboden. Auch was die vielfältigen Assistenzsysteme betrifft, müssen sich Stromerkunden nicht besonders einschränken: fast alles verfügbar vom Flankenschutz bis zum Spurhalteassistenten. Die Anhängersteuerung per Spiegel-Joystick ist vorerst nicht vorgesehen. Eine Anhängerkupplung wäre zwar möglich, werde aber für dieses Modell aktuell praktisch nicht nachgefragt. Beim Radstand schickt VW zunächst die "Normalversion" ins Rennen. Man denke aber intensiv über andere Ausbaustufen nach.

Batterie: VW verspricht lange Lebensdauer

Die Batterie lässt sich je nach Ladestation in 45 Minuten wieder zu 80 Prozent befüllen. Dafür ist indes eine 40 kW-Ladestation notwendig. Bei Drehstrom mit 7,2 kW ist der Akku nach fünf Stunden und 20 Minuten komplett voll, am regulären Netz mit 2,3 kW dauert dies 17 Stunden. Das funktioniert laut VW problemlos über 1.500 Ladezyklen. Aktuell teste man bereits bis 2.000 Zyklen. Generell gibt VW acht Jahre Garantie. Doch auch dann soll sich der Verlust in Grenzen halten. Nach zehn Jahren Betrieb gehen die Niedersachsen von einem Kapazitätsverlust von nur etwa 15 Prozent aus. Solche Nutzungsdauern erfordern letztlich aber eine sorgfältige Batteriepflege. Darum passt VW die Serviceintervalle für den Stromer vorerst nicht an, auch wenn der e-Crafter auf frisches Motoröl getrost verzichtet. Stattdessen nehmen sich die Techniker bei den geplanten Werkstattaufenthalten den Gesundheitszustand der Batterie vor. Im Fall der Fälle lasse sich der komplette Batteriepack entnehmen, um einzelne Module mit sechs oder zwölf Zellen zu tauschen.

Los geht die Reise für den e-Crafter schließlich im Dezember. Dann gehen die ersten Serienexemplare in Kundenhand, eng von VW begleitet. Laut Nutzfahrzeug-Chef Scholz will VW den neuen Stern am Elektrohimmel schon ab 2018 vollflächig anbieten.