VW Crafter Krieg den Sternen

VW Crafter Foto: VWN

Vom Sprinter-Derivat zum großen Bruder des T – VW Nutzfahrzeuge zeigt Details zum Nachfolger des Crafter.

Nichts ist für die Ewigkeit – mit der Nachricht vom Ende der Allianz zwischen Daimler und VW Nutzfahrzeuge (VWN) im 3,5-Tonnen-­Segment standen bereits alle Zeichen auf Veränderung bei den beiden Transporterherstellern. Den ersten Schritt in die Unabhängigkeit unternahm Daimler mit der Modellpflege des Sprinter vor rund zwei Jahren. Mit ­aerodynamischen Optimierungen, etwas Kosmetik, aber vor allem mit einer Vielzahl an innovativen Fahrerassistenzsystemen brachte der Stuttgarter Arbeiter frischen Wind in die Branche.

Durch das zuvor beschlossene Ende der Kooperation partizipierte der VW Crafter an den neuen Errungenschaften nicht mehr und war dazu verdammt, für zwei ­Jahre der technisch rückständigere Zwilling zu sein. Denn abge­sehen von den VW-eigenen Motoren ist der aktuelle Crafter ein Sprinter der Vorgängergeneration, der zudem noch im Daimler-Werk vom Band läuft.

VWN hat in den vergangenen Jahren alles getan, um sich aus dieser unglücklichen Situation mit einem Paukenschlag zu befreien. So baute das Hannoveraner Unternehmen auf der grünen polnischen Wiese in Wrzes´nia ein neues Werk, das im September die Produktion des Crafter-Nachfolgers aufnehmen soll. Zudem schloss VWN mit der Konzernschwester MAN ­einen Vertriebspakt, der den neuen Hoffnungsträger sowohl als VW- wie auch MAN-Produkt (genannt TGE) im Markt antreten lässt.
Zu guter Letzt hat VWN einen ehemaligen Daimler-Mann aus dem Sprinter-Vertrieb für die Leitung der Produkt-Runderneuerung ­angeheuert.

Damit scheint der Weg ge­ebnet für den ersten Auftritt des "großen Bruder des Bulli", wie der Vorstandsvorsitzende von VWN, Dr. Eckhard Scholz, den Crafter-Nachfolger bei der ­Präsentation der technischen Highlights nannte. Es verwundert nicht, dass VW die 3,5-Tonnen-Klasse stärker an die erfolgreiche T-Baureihe anlehnt. Entsprechend hohe Erwartungen dürften dafür aber auch die Kunden haben.

Auch ein Frontantrieb steht bereit

Kann der Crafter-Nachfolger diesen Ansprüchen gerecht werden? Zumindest klingen die ersten Ankündigungen vielversprechend. Den Antrieb im Transporter übernimmt der Zwei-Liter-Vierzylinder-Diesel EA288 mit Leistungen von 75 bis 130 kW. Neben Heck- und Allradantrieb soll im Lastesel auch ein Frontantrieb verfügbar sein. Der Vorderradantrieb spart den Bauraum für die ­Kardanwelle zur Hinterachse ein, was VWN für eine Erweiterung des maximal verfügbaren Laderaums auf
18 Kubikmeter ausnutzt. Mit Front- und Allradantrieb soll der Crafter in Gewichtsklassen von 3,5 bis 4 Tonnen antreten. Der Hinterachsantrieb ist in Kombination mit der bekannten Zwillingsbereifung auch in einer 5,5-Tonnen-Variante geplant.

Drei Längen stehen zur Wahl

Als großer Bruder soll der Crafter-Nachfolger dem T wohl kein Konkurrent mehr sein. Deshalb spart VWN die bislang kürzeste Längenvariante ein und verweist bei entsprechenden Anfragen auf den T6. So stehen drei Längen in den Startlöchern mit 5,9, 6,8 und 7,4 Metern. Kombiniert mit drei verfügbaren Höhen sowie den angedeuteten Antriebsvarianten spricht VWN von insgesamt 69 Karosserie- und Antriebsderivaten.
Ladung besser sichern.

Mit Blick auf die anstehenden Einsätze geht der Crafter-Nachfolger unter anderem mit ab Werk verfügbarem Nebenabtrieb am manuellen 6-Gang-Getriebe oder am 8-Gang-Automaten ins Rennen. Bei den Kastenwagen sollen Erweiterungen im Ladungs­sicherungskonzept für Vereinfachungen im Arbeitsalltag sorgen. Zudem sind die Frachtabteile von der Stange bereits für den Einbau der gängigen Werkstatt- und Schranklösungen mit entsprechenden Aufnahmen vorbereitet.

Im Fokus stehen die Assistenzsysteme

Die meiste Aufmerksamkeit beim zur IAA in den Markt startenden Crafter-Nachfolger dürften aber die Assistenzsysteme erzeugen. Neben Abstandsregeltempomat und Notbremsassistent verbaut VWN nach eigenen Angaben auch den im Sprinter erstmals präsentierten Seitenwindassistenten. Zudem soll es dank einer elektromechanischen Lenkung auch einen Spurhalte­­assistenten mit aktivem Lenkeingriff geben, der in dieser Fahrzeugklasse bislang nicht verfügbar war. Ein weiteres hilfreiches Detail ist der Ausparkassistent, der bei rückwärtigem Ausfahren aus einer Lücke den schlecht einsehbaren Bereich überwacht und nötigenfalls abbremst.

Wirtschaftlichkeit ist wichtigste Anforderung

Im Interesse der Flottenkunden soll im neuen Crafter eine Telematik-Schnittstelle die Einbindung der Transporter in bestehende Flottenmanagementsysteme ermöglichen. "Die wichtigste Produktanforderung unserer Kunden ist die Wirtschaftlichkeit", betonte Scholz im Rahmen der Präsentation. Dafür hat VWN einiges getan, erwartet aber auch viel. So sollen sich die Absatzzahlen mit dem neuen Modell von rund 50.000 Einheiten im Jahr verdoppeln. Damit würde der Crafter die Marktführerschaft des Sprinter im Segment ins Wanken bringen. Da darf man gespannt sein, denn nichts ist für die Ewigkeit.


Technische Daten
Motor: Reihenvierzylinder (EA288), Turbolader mit ­variabler Geometrie bzw. zweistufig, Common Rail, Euro 6 per Oxi-Kat, DPF, AGR, SCR
Hubraum: 1.968 cm³
Getriebe: 6-Gang manuell, 8-Gang-Automatik
Antriebsarten: Front, Allrad (zGG 3,5–4 t), Heck (zGG 3,5–5,5 t)
Leistungsstufen: 75, 103, 120, 130 kW (102, 140, 163, 177 PS)
Höhen: H2 (2,3 m), H3 (2,6 m), H4 (2,8 m)
Längen: L3 (5,9 m), L4 (6,8 m), L5 (7,4 m)
Produktionsbeginn: September 2016
Produktionsort: Wrzesnia, Polen
Absatzziel:100.000 Einheiten pro Jahr


Virtuelle Realität
Auf der Bauma in München gewährte VW Nutzfahrzeuge erste Einblicke in den Laderaum des neuen Crafter Kastenwagens, zumindest virtuell. Messebesucher konnten sich mittels Datenbrille im Innenraum des Frachtabteils umsehen und dabei beispielsweise neue Ladungssicherungskonzepte oder mögliche Innenausbauten entdecken.