Wegeunfälle Gefährlicher Arbeitsweg

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Berufstätige sind auf dem Weg von und zur Arbeit über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert. Theoretisch, denn immer wieder gibt es Streit mit den Berufsgenossenschaften.

Die Berufsgenossenschaften (BG) sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Regelmäßig prüfen sie, ob und für wen ein gesetzlicher Schutz besteht. Und immer häufiger verwehren sie Zahlungen. So erging es einer Verkäuferin, die auf der Fahrt zur Arbeit mit ihrem Motorrad ausrutschte und hinfiel. Der gesetzliche Unfallversicherer wollte für die Verletzungen nicht aufkommen, weil sie angeblich einen Umweg zur Tankstelle gefahren war. Tanken aber zählt zu den nicht versicherten Tätigkeiten. Sie sind laut den Regelungen dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen.

Die Dame sah das anders: Der Weg über die Tankstelle sei sicherer als die etwas kürzere Strecke. Dies konterte der Unfallversicherer mit dem Hinweis, ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung habe den kürzeren Weg als nicht gefährlich bewertet. "Es ist schon überraschend, dass eine gesetzliche Behörde einfach einen Dritten zur Unterstützung ihrer Argumentation heranzieht", wundert sich der Unternehmens- und Finanz­berater Ulrich Schilling aus Neckar­gemünd. Vor Gericht nahm der städtische Angestellte dann seine Aussage zurück, worauf das Sozial­gericht Frankfurt die Route über die Tankstelle als »eigentliche Strecke« zur Arbeit bewertet und die gesetzliche Unfallversicherung zahlen musste (SG Frankfurt, Az.: S 23 U 92/14).

Freiwillig zahlt kaum eine Burufsgenossenschaft

Experte Schilling sieht hier schon fast ein willkürliches Verhalten der BG. "Mit allen Tricks wird versucht, eine Zahlung zu vermeiden. Es ist fraglich, ob das tatsächlich der Auftrag einer gesetzlichen Unfallkasse ist", sagt Schilling und verweist auf einen anderen Fall. Da verweigerte ein Landesozialgericht einem Unfallopfer die Leistung, weil er von der Wohnung seiner Freundin zur Arbeit fuhr und damit im Vergleich zur eigenen Wohnadresse eine achtmal so lange Strecke Weg bewältigen musste (LSG Rheinland-Pfalz, Az.: L 4 U 225/10). Umwege aber lässt die Rechtsprechung nur in zwei Fällen zu: Wenn Kinder in fremde Obhut gegeben werden oder eine Fahrgemeinschaft gebildet wird. Grundsätzlich muss man nach Abgabe des Kindes oder der Mitfahrer direkt nach Hause fahren, sonst entfällt der Schutz (Bundessozialgericht BSG, Az.: B 2 U 35/08).

Die Versicherer bohren selbst im Privatleben der Unfallopfer nach

Noch obskurer ist der Fall eines Angestellten, der beim Überqueren einer innerörtlichen Durchgangsstraße von einem Lastwagen überfahren und schwer verletzt wurde. Die gesetzliche Unfallversicherung unterstellte, der Mitarbeiter sei suizidgefährdet gewesen und der Unfall eine versuchte Selbsttötung gewesen. Schließlich habe der Mann auf der Straße plötzlich umgedreht. Der Geschädigte hatte hingegen erklärt, ihm sei eingefallen, dass er wichtige Arbeitsunterlagen vergessen hatte. Das Sozialgericht Karlsruhe glaubte dies nicht und wies die Klage des Arbeitnehmers als unbegründet ab (SG Karlsruhe, Az.: S 4 U 2601/15).

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Wer trinkt und fährt, handelt grob fahrlässig. Eigentlich... Denn in manchen Fällen sieht der Gesetzgeber das anders.

Alkohol am Steuer? Nicht unbedingt grob fahrlässig

Dass Unfälle unter Alko­hol­einfluss nicht versichert sind, kann man schon eher nachvollziehen. Das gilt aber nur, wenn eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit maßgebliche Ursache für einen Unfall ist (BSG, Az.: 9 b RU 86/83). Demgegenüber hat das Sozialgericht Dortmund eine bemerkenswerte Entscheidung für einen Arbeitnehmer getroffen, der privat mit einem Motorrad unterwegs war. Er musste einem Fahrradfahrer ausweichen, der ihm die Vorfahrt genom­men hatte. Dabei verletzte sich der Arbeit­nehmer schwer. Das bewertet das Gericht als Notrettung, die gesetzlich unfall­versichert ist (SG Dortmund, Az.: S 17 U 955/14).

Einen Prozess zu gewinnen ist aber nur die halbe Miete. Eine gesetzliche Verletztenrente gibt es aber erst, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Dabei muss die Bewegungseinschränkung erheblich sein, wie das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied (Az.: 8 U 5044/13).

Alle diese Fälle zeigen: Es lohnt sich für Arbeitnehmer ebenso wie für Unternehmen, in eine private Unfallversicherung zu investieren. Die bezahlt ab ein Prozent Invalidität. Entscheidend ist hier die sogenannte Gliedertaxe. In hochwertigen Tarifen wird beispielsweise der Verlust eines Zeigefingers mit 20 Prozent der vereinbarten Versicherungssumme bewertet; der eines Auges mit 60 Prozent. Zudem sind auch Unfälle am Steuer unter Alkohol mitversichert.

Arbeitgeber sollten prüfen, ob sie nicht den gesetzlichen Schutz verbessern und eine sogenannte private Gruppenunfallversicherung für alle Mitarbeiter abschließen. Ein weiterer Vorteil dieser Police ist, dass sie rund um die Uhr gilt, also auch in der Freizeit. Die Einrichtung des erweiterten Schutzes kann mit einer umfassenden Information der Belegschaft über Wegeunfälle und risikoarmes Fahren verbunden werden. "Zahlt der Arbeitgeber die Beiträge zur betrieblichen Gruppen-Unfallversicherung, können sie als Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden", erläutert die Gothaer Versicherung aus Köln. "Läuft zudem die Schadenabwicklung bei Policen ohne Direktanspruch über den Arbeitgeber, sind für den betroffenen Mitarbeiter ausschließlich die bisher vom aktuellen Arbeitgeber gezahlten Beiträge zu versteuern."

Versicherungsmakler Markus Kuhles vom IAK Inter-Assekuranz Versicherungsmakler aus Köln-Lövenich rechnet vor: Für ein IT-Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen und 100 Mitarbeitern, davon Außendienstlern mit Firmenwagen, beträgt die Jahresprämie pro Mitarbeiter rund 50 Euro. Dafür erhalten die Mitarbeiter einen Basis-Schutz von 50.000 Euro, der über eine Progressionstabelle bei Vollinvalidität auf 175.000 Euro anwachsen kann.