110 Jahre Ford US in Deutschland Vom Model T bis Mustang

Ford US Familie Foto: Ford 11 Bilder

Heute ist es der Mustang Mach-E, der Ford in eine elektrifizierende Zukunft führen soll. So uramerikanisch wie das legendäre T-Modell, mit dem Henry Ford vor 110 Jahren seine ersten deutschen Verkaufsdependenzen belieferte.

Die Deutschen Daimler und Benz haben das Patent-Auto erfunden, aber die Amerikaner haben es in Massenfertigung gebracht und seit 1911 auch hierzulande popularisiert. Damals präsentierte sich das Ford Model T als preiswertere Alternative zum beliebten Opel "Doktorwagen", vor allem aber beeindruckte der Ami durch Robustheit auf den Rüttelpisten des Kaiserreichs.

Nehmerqualitäten, die sich die "Tin Lizzy" in den staubigen Weiten offener Prärielandschaften erworben hatte. Automobilpionier Henry Ford gefiel sich in der Rolle des Visionärs, weshalb es für ihn feststand, sein T-Modell als erstes Fließband-Volksauto der Welt auch in Deutschland zu produzieren. Ambitionen, die 1926 mit einem Montagewerk in Berlin realisiert wurden. Da war die Blechliesel bereits am Ende ihres Lebenszyklus angekommen, sodass die Stückzahlen klein blieben.

Als Henry Ford jedoch auf Betreiben des Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer im Oktober 1930 den Grundstein für ein neues Werk am Rhein legte, war Gigantismus angesagt. Nach Fords Visionen sollten die Bänder in Niehl jährlich eine Viertelmillion US-Typen wie das Model A und große V8 liefern – und damit das Dreifache der gesamten deutschen Autoproduktion jener Jahre. Am Ende blieb Ford von solchem Volumen weit entfernt, immerhin gelang der Sprung auf Platz drei in der deutschen Pkw-Produktion.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren es amerikanische V8, die Ford in Deutschland mit Faszination aufluden. Typen wie Thunderbird, Galaxie und Mustang galten als cool, da ist es konsequent, wenn künftig der Mustang Mach-E die Kunden elektrifizieren soll und Explorer und Edge den amerikanischen Offroad-Traum verkörpern.

Ford US V8 Tudor Sedan Foto: Ford
Ford V8 Tudor Sedan aus dem Jahr 1934.

So wie in den 1930er Jahren die Ford-Typen V8 und Rheinland amerikanische Fortschrittsgläubigkeit visualisierten, wollte Henry Ford II, der Enkel des Unternehmensgründers, nach dem Zweiten Weltkrieg Zukunftsgewandtheit beweisen, als er mit einem klar geäußerten "No!" die einzigartige Chance zur Übernahme des Wolfsburger VW-Werks ausschlug. Lieber konzentrierte sich Konzernlenker Ford II auf den Wiederaufbau des Kölner Werks und die Entwicklung des Taunus 12 M mit markantem Weltkugel-Logo zum Bestseller. Wobei sich die 12-M-Designer genauso an Vorgaben aus Dearborn halten mussten wie die Entwickler des 1957 eingeführten Taunus 17 M (P2) mit Panoramascheiben und Heckflossen im Hollywoodstyle. In jenem Jahr verkaufte Ford Deutschland erstmals über 100.000 Fahrzeuge pro Jahr, zu dem ein Ford-, Mercury- und Lincoln-Potpourri made in USA beitrug. Darunter schon seit 1951 extravagante Boulevardcruiser für besserverdienende Unternehmer oder Film- und Showstars, denen BMW V8 Barockengel oder Mercedes 300 "Adenauer" zu billig und bieder waren.

Auch in den damals populären Heimatfilm-Schmonzetten setzten die Helden nicht selten auf die Macht des V8 etwa unter der Haube eines bonbonfarbenen Ford Crestline Sunliner oder Sun Valley Coupés mit Plexiglas-Panoramadach. Sogar die bis 5,30 Meter langen Ford Country Squire Station Wagons mit Chrom und Holzapplikationen garantierten Aufmerksamkeit. Amerikanische Alleskönner wie diese waren es, die den deutschen Kombi vorsichtig von seinem Handwerkerimage befreiten und Modelle wie den Ford Taunus 17 M Turnier oder Opel Olympia Caravan inspirierten.

Ford US Thunderbird Foto: Ford
Eine der großen Ford-Ikonen war das Cabriolet Thunderbird. Hier die Version aus dem Jahr 1956.

Ab 1956 bewarben deutsche Ford-Händler ein breites Programm von bis zu 15 unterschiedlichen US-Typen, darunter als adrenalinhaltiges Glanzlicht der zweisitzige Thunderbird, Fords Antwort auf die Corvette. Allerdings blieb der mythische Donnervogel ein rarer Anblick in Europa, flog er doch in der preislichen Höhenluft eines Mercedes 300 SL Flügeltürers.

Ähnlich selten blieben die sensationellen Fairlane 500 Skyliner mit kostspieligem, automatisch versenkbarem Blechdach. Dennoch hatte Ford Deutschland aufwendig eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) für das gesamte US-Portfolio erwirkt, das sich zu Beginn der 1960er ähnlich wie die neuen Taunus-Modelle in einer Design-"Linie der Vernunft" vorstellte – vom Ford Falcon bis zum Galaxie 500. Großformatige Autos galten in den Wirtschaftswunderjahren noch als Statussymbol und so konnten die bis zu 425 PS freisetzenden Hubraumriesen an den Hot Spots der High Society wie dem Berliner Kurfürstendamm oder der Düsseldorfer Königsallee punkten. Während die rheinische Ford-Dependenz mit V6-Volkshelden wie dem 20 M 1965 zur Nummer eins in der deutschen Mittelklasse aufstieg, vermittelten die jährlich bis zu 2.000 US-Cars Prestigefeeling.

Ford US Mustang Foto: Ford
Ebenfalls ein Auto-Mythos von Ford ist der Mustang. Hier eine Hardtop-Variante aus dem Jahr 1965.

Dazu passte auch eine Allzeit-Ikone des amerikanischen Automobilbaus, die in Deutschland die Rolle einer Dramaqueen besetzte: Mehr als zehn Millionen Mustang verkaufte Ford seit 1964 weltweit, aber in Deutschland kam erst die 2015 vorgestellte bis heute aktuelle Generation des Ponycars auf große Stückzahlen. Warum? Bis Ende 1978 mussten die Kölner das Wildpferd unter der nüchternen Bezeichnung Ford T5 verkaufen, da Krupp und Kreidler die Mustang-Namensrechte hielten.

Außerdem erzwang der starke Dollar eine Preispolitik, die den ersten Mustang mit V8-Power auf 17.000 Mark verteuerte, was ihn auf das Kostenniveau des Porsche 911 brachte. Immerhin initiierte der Mustang die Entwicklung eines Ponycars für Europa, den gleichfalls ikonischen Capri. Dagegen passte sich der kleine Mustang II von 1973/74 mit Vierzylindermotoren der ersten Ölpreiskrise an. Auf der Frankfurter IAA stand er Seite an Seite mit aussterbenden Dickschiffen wie dem Thunderbird mit T-Bar-Roof und Schrumpf-Sedans á la Ford Maverick. Der Dollarkurs stürzte damals ins Bodenlose, aber die jetzt billigen Cruiser gefielen in Germany nicht mehr, wo Ford mit plüschigen Granada und bald auch stylischen Sierra punktete.

Muscle Cars hatten in den von Sozialneid und Understatement durchdrungenen 1970ern und frühen 1980ern in Europa ein Imageproblem und dies schlug sogar durch auf Präriebullen wie den Ford Bronco oder Pick-ups, die erst im allrad-affinen 21. Jahrhundert Akzeptanz fanden. Eine Erfahrung, die auch noch der SUV-Pionier Ford Explorer machen musste, als er sich 1992 über den Atlantik wagte. "Big is beautiful" ist in der Alten Welt erst angesagt seit auch europäische SUV-Produzenten traditionelle Konfektionsgrößen sprengen. Seit 2015 reüssieren die Ford aus Nordamerika hierzulande wieder, zumal kantige 4x4-Typen wie Edge und Explorer und künftig auch der knorrige Bronco das Image des letzten Industrieimperiums der USA schärfen, das noch von einem Mitglied der Gründerfamilie geleitet wird. Doch unter Führung von Bill Ford geschah noch mehr.

Supercars wie der Ford GT und der aktuelle Mustang V8 als über mehrere Jahre meistverkauftes Sportcoupé der Welt laden die Massenmarke mit mehr Adrenalin auf, als es Focus ST oder RS vermögen. Und sie lassen gescheiterte Nachfolger des Kölner Capri wie die Coupés Probe und Cougar im Dunkel der Geschichte vergessen. Wie sich Ford künftig ausrichten will, zeigt seit diesem Jahr ein Mexikaner: Der in Mittelamerika gebaute elektrische Mustang Mach-E tritt gegen das Tesla Model Y an.

Ford Mustang Convertible 5.0 V8 GT im Test
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