Der Ascona war zwischen 1970 und 1987 ein Bestseller bei Opel und avancierte zum braven Bürgermeister der Mittelklasse. Vor 40 Jahren durfte er ein wenig Avantgarde wagen: als Weltauto.
In der Mitte der automobilen Gesellschaft herrschte schon immer Harmonie: Sind es heute Crossover-SUV, die global das Bild der Familien- und Firmenfahrzeuge bestimmen, waren 1981 konservative Mittelklasse-Typen wie der neue Opel Ascona C angesagt. Der Wechsel auf Frontantrieb galt bei dieser dritten und finalen Ascona-Generation bereits als Fortschritt und frische Farben standen für modische Avantgarde. Wer mehr Design wagte – wie etwa Opels Erzrivale Ford beim Sierra – wurde von den Käufern abgestraft, ein neues fünftüriges Fließheck à la Ascona musste als Veränderung genügen.
Und dieses Denken galt nicht nur für Deutschland, sondern rund um den Globus. Genau deshalb reüssierte der zwischen dem kleinen Opel Kadett und dem großen Opel Rekord platzierte Ascona C als Blaupause der General-Motors-(GM)-Weltauto-Plattform mit dem Namen "J", die es auf nicht weniger als zwölf Marken brachte. Opel, damals noch europäische Vorzeigetochter von GM, lieferte mit dem Ascona C das Muster für dieses einmalig breite J-Car-Modellportfolio, das vom Holden Camira in Australien über den Isuzu Aska in Japan, den Chevrolet Monza in Brasilien bis zum Cadillac Cimarron in den USA reichte.
Schon auf der IAA 1981 in Frankfurt zeigte der Ascona, dass er designiert war für Rekordumsätze in Rüsselsheim und Opel aus der Verlustzone der vorhergehenden Jahre beschleunigen würde. Kein Messestand wurde mehr belagert: Zeitweise drängten sich die Besucher bei Opel in Zehnerreihen um die damals spektakulär große Drehscheibe, auf der drei Ascona im Scheinwerferglanz rotierten zum Slogan: „Ascona. Das neue Verhältnis zum Automobil“. Wirklich neu und überaus mutig war jedoch nur das nebenan ausgestellte Ascona Cabriolet ganz ohne damals üblichen Überrollbügel und bereits mit elektrisch betätigtem Dach, nebenbei das erste GM-Frischluftmodell seit Einstellung des Cadillac Eldorado Mitte der 1970er Jahre. Wer die Rüsselsheimer GM-Filiale als reinen Befehlsempfänger aus Detroit einordnete, musste nun umdenken.
Allerdings war der strahlendweiße Sonnenkönig vorläufig nur ein Prototyp, für den das Opel-Management noch einen Kleinserienhersteller suchte. Und mit Opel-Händler-Beteiligung schließlich fand. Gleich zwei Cabriolets standen ab 1983 in vielen Opel-Showrooms – deutlich bevor familientaugliche Luftikusse á la BMW 3er einen Sonnensturm entfachten. Während ein Ascona Cabrio von Keinath sehr kostspielig war, punktete der auch als Vauxhall Cavalier angebotene Ascona von Hammond & Thiede mit Preisen ab 26.050 Mark. Klar, auch das war viel, kostete der zweitürige Blechdach-Ascona doch nur die Hälfte. Aber dafür taugte der Luftikus für Auftritte in Schwabing und auf Sylt, während die zwei-, vier- und fünftürigen Opel mit dem Namen eines Schweizer Sehnsuchtsziels der Deutschen aus dem ausklingenden Wirtschaftswunder (der erste Ascona startete 1970) Opel im deutschen Verkaufsranking als König inthronisierten.
Obwohl im Herzen ein Kosmopolit, verstand sich die deutsche Version des J-Cars eher als konservativer Pragmatiker. Ein Familienfreund, dem wartungsarme OHC-Benziner mit Hydrobolzen oder elektronische Zündanlage im bescheidenen Leistungsband von 60 PS bis 90 PS bzw. am Ende auch 130 PS sowie unproblematische Fahreigenschaften dank neuen Frontantriebs und Verbundlenkerhinterachse wichtiger waren als schicker Schnickschnack. So gab es anfangs weder elektrische Fensterheber noch Klimaanlage, und eine Servolenkung oder der rechte Außenspiegel kosteten Aufpreis. Damit hatte bei Opel alles seine gewohnte automobile Ordnung in einer Gesellschaft, die erschüttert wurde durch Aids, Ölpreiskrisen, Kriege in vielen Regionen, Diskussionen über den Nato-Doppelbeschluss und den Sturz von Bundeskanzler Helmut Schmidt via Misstrauensvotum. Nicht zu vergessen der Kampf gegen die dicke Luft auf den Straßen, die für das Waldsterben mitverantwortlich gemacht wurde.
Im Dienste der Allgemeinheit standen dagegen spezielle Ascona für Feuerwehr, Polizei, Notärzte oder Bundeswehr. Für alle, die früheren Rallye-Siegen des Ascona etwa unter Walter Röhrl nachtrauerten, gab es ab Ende 1986 den Ascona Sprint, entwickelt von Opel und dem Tuner Irmscher mit tiefergelegtem Fahrwerk, Spoilersatz und 115 PS kräftigem 2,0-Liter-Einspritzer. Aber inzwischen fuhr der Ascona dem Sonnenuntergang entgegen, frische Herausforderer machten dem braven Modell mit dem Blitz das Leben schwerer. Immerhin war dieser dritte und letzte Ascona der meistverkaufte, ein gutes Erbe für den Vectra, mit dem für Opel 1988 eine neue Ära begann. Den guten J-Car-Geistern der Vergangenheit begegnete der Vectra noch lange: In den 1990ern trat er gegen den koreanischen Daewoo Espero an, das finale J-Car-Produkt.