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Alfa Giulia Sportliches Stufenheck für den Außendienst

Alfa Giulia Foto: Alfa Romeo 7 Bilder

Mit der Giulia will Alfa gegen 3er BMW und Jaguar XE antreten. Bis 2018 sollen sechs weitere Modelle folgen.

Aufgereihte Schutthaufen zeugen vom Abriss der Werkshallen, die einst Alfa Romeo beherbergten. Die Zufahrt zu dem riesigen Gelände im Mailänder Vorort Arese endet vor einem Betonklotz der 60er-Jahre, dessen überall gesenkte Rollläden zeigen, dass kein Mensch hier mehr arbeitet. Auf dem Dach der ehemaligen Alfa-Zentrale grüßt der geschwungene Schriftzug der italienischen Traditionsfirma in Richtung Autobahn. Ausgerechnet hier an der Stätte des Niedergangs einer weltberühmten Legende zelebriert die Fiat-Konzernspitze die angestrebte Wiederauferstehung ihrer sportiven Tochterfirma. Ein neuer Alfa Romeo Giulia muss die Wende bringen, soll vor allem gegen den 3er von BMW, den Jaguar XE und den kommenden neuen Audi A4 antreten. Und Alfa wieder zu einer der führenden Premiummarken der Welt machen.

Heilsbringer auf Rädern

Italienische Seele pur, mit Herzschmerz, „Bella“-Rufen und Tränendrüse im inzwischen renovierten Erdgeschoß des früheren Verwaltungsgebäudes. Der knallrote Alfa Romeo rollt auf die Bühne und kommt mit dem Schlussakkord einer Arie aus „Turandot“ zum Stehen. Der ausführende Star-Tenor Andrea Boccelli hatte sich zuvor brav als Alfa-Fan geoutet. Dann der erste Blick auf den Heilsbringer auf Rädern. Die lange, leicht nach oben gewölbte Motorhaube verschiebt den Raum für die Insassen deutlich nach hinten, der gestreckte Radstand, der wenig Platz an den Enden der Karosserie übrig lässt, dazu ein knackig-kurzes Heck mit einer kecken Spoilerlippe. Ein bisschen BMW, ein Hauch Jaguar und von achtern gesehen eine Prise Audi. Aber alles so neu gemischt, dass keine Verwechslungsgefahr besteht.

Vor allem dann nicht, wenn man der Giulia (in Italien haben Autos oft weibliche Namen) tief in die schmalen Scheinwerferaugen schaut. Die innen spitz zulaufenden Leuchten zeigen auf den typischen V-förmigen Grill. Dessen schwarze Maschendraht-Optik setzt sich in den beiden unteren Lufteinlässen fort. Ohne Zweifel ist Chefdesigner Lorenzo Ramaciotti ein Werk gelungen, dass sich das Prädikat „schön“ verdient. Der Gestalter nennt als Beispiel für seine Philosophie der modernen Schlichtheit die Seitenpartie des Viertürers: „Die einzige markante Linie, die durch die Türgriffe führt, macht die Kraft deutlich, die in dem Auto steckt. So wie sich auch die angespannten Muskeln eines Rennpferdes auf dessen Fell abzeichnen, bevor es losgaloppiert“.

Optisch keine Verwandtschaft an die Ur-Giulia

Das rollende Alphatier mit dem weiblichen Namen Giulia ist eine Reminiszenz an das von 1962 bis 1978 gebaute Erfolgsmodell, auch wenn es optisch keine Verwandtschaft gibt. Die sportliche Limousine von einst zählte mit ihren 112 PS zu den Königinnen der linken Autobahnspur, spielte in zahllosen Mafia-Filmen die Rolle des Jägers mit Blaulicht. „Wir haben den Geist der Giulia wiederbelebt“, erklärt Harald Wester, der deutsche Markenchef von Alfa. Der frühere Audi-Manager ist überzeugt, dass es mit diesem Modell gelingen wird, das immer noch hohe Ansehen der Marke in finanziellen Erfolg umzumünzen. Was der Fiat-Manager natürlich verschweigt: Der Niedergang von Alfa lag auch an der Vernachlässigung der schönen Tochter durch die Mutterfirma. So degenerierte sie im Vergleich zu den  übermächtigen Rivalen aus Süddeutschland mehr und mehr zum Aschenputtel.

Jetzt gibt Konzernchef Sergio Marchionne richtig viel Geld aus, um die Fehler der Vergangenheit auszumerzen. „Fiat hatte lange nicht die finanziellen Möglichkeiten, in Alfa zu investieren. Dank des Zusammenschlusses mit Chrysler können wir uns das jetzt leisten“, sagte der wie üblich in Pullover statt Sakko erschienene Fiat-General. Das Ergebnis wird jetzt sichtbar, denn im Giulia steckt Premium-Technik. Die leichte Karosserie besteht aus einem Mix auf Stahl, Aluminium und Karbon. Der Neue hat natürlich wie der als Hauptgegner auserkorene BMW 3er Heck- oder Allradantrieb, die ideale Gewichtsverteilung von 50:50 soll für sportlichen Fahrspaß ebenso sorgen wie das elektronisch geregelte Fahrwerk und der schmale Frontspoiler, dessen Stellung automatisch der jeweiligen Geschwindigkeit angepasst wird.

Die Giulia will zum Premium-Modell aufsteigen

Im Innenraum dominieren klassische Instrumente, High-Tech ist auf der Mittelkonsole zu finden. Zwei Drehschalter vereinen die wichtigsten Funktionen. Mit dem einen wird der gewünschte Fahrmodus (sportlich, komfortabel, sparsam bis hin zur Einstellung Rennstrecke) gewählt. Der andere ist für das Entertainment und die Bedienung von Navi und Co. zuständig. Lösungen, wie sie die Nobel-Mittelklasse allerorts heutzutage bietet. Zum Premium-Modell will auch die Giulia aufsteigen: Dank feiner Materialien, gesteppter Nähte, dem Einsatz von Holz, Alu- und Karbonoptik. Eine Sitzprobe erlaubte Alfa noch nicht, aber auch durch die Scheiben war der Hang zum Edlen durchaus zu erkennen.

Der Premieren-Alfa zeigt Giulias schärfste Seite

Ähnlich geheimnisvoll und spärlich die Infos über das Superding im Motorraum: Verraten wird, dass das Sechszylindertriebwerk mit Doppelturbo für 510 PS gut ist und die Giulia in weniger als vier Sekunden auf 100 km/h spurten lässt. Hubraum, Spitze und Verbrauch des von Ferrari entwickelten Motors bleiben bis zur IAA in Frankfurt im Dunkeln. Dabei zeigt der Premieren-Alfa nur Giulias schärfste Seite, das Super-„Girl“, dass sich mit dem BMW M3 oder dem C 63 von Mercedes-AMG messen will. Über die Normal-Modelle, die sicher auf vieles werden verzichten müssen, schweigen die Italiener noch. Fest steht wohl, dass die in dieser Klasse üblichen Zweiliter-Vierzylinder als Benziner und Diesel dominieren werden. Auch die Optik der Alltagsmodelle wird ein Stück weit dezenter daherkommen, als im Mailänder Donnerbolzen. Über technische Details wie Assistenzsysteme oder Getriebe herrscht ebenfalls noch Unklarheit.

Wie dem auch sei: Alfa soll wieder besser leben und die neue Giulia den berühmten Namen in alle Welt tragen. Nach Deutschland kommt der Neue zu Preisen ab etwa 25.000 Euro im Frühjahr 2016. Ihm folgen dann ein Giulia Kombi, eine große Limousine im Format des 5er-BMW, ein kompaktes und ein großes SUV sowie ein Coupé, das wieder den Namen Spider tragen wird. 2014 wurden 68.000 Alfa verkauft. 2018 sollen es sechsmal so viele sein. Und die Zentrale soll zurück ins alte Haus. Wenn das kein gutes Zeichen ist.