Allradantrieb bei E-Autos Kein großer Aufwand

Tesla Model 3 Foto: Tesla 6 Bilder

Allradantrieb wird auch bei E-Autos ein großes Thema sein. Die brauchen allerdings keine aufwendigen mechanischen Konstruktionen mehr. Vielmehr sorgen zwei, drei oder gar vier Motoren für die clevere Verteilung der Antriebsmomente.

Verstärkt in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Allradantrieb im Automobilbau große Verbreitung gefunden. Vor allem als Traktionsbooster für mehr Sicherheit und Fahrspaß hat er sich Freunde gemacht. Mit dem anstehenden Boom bei der E-Mobilität steht die Autoindustrie antriebsseitig vor einem Paradigmenwechsel. Auf einiges wird man dabei verzichten müssen. Nicht aber auf Allradantrieb. Im Gegenteil: Es kündigen sich viele Stromer an, die ihre zum Teil enorme Kraft an alle Räder liefern. Dabei finden sich in der Volt-Szene mehrere und zum Teil recht unterschiedliche Allradkonzepte, die bisweilen auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

Rückblick: In der langen Geschichte des Allradantriebs hat es immer Kuriositäten und Ausnahmen gegeben, doch vor allem diente die Technik dazu, Autos geländetauglich zu machen. Dafür braucht es allerdings eine aufwendige Verteilertechnik, die für mehr Gewicht, Spannungen im Antriebsstrang und Mehrverbrauch sorgt. Zudem wird mehr Technik verwendet, die kostet und außerdem kaputt gehen kann. Entsprechend waren Allradantriebe lange Zeit in Alltagsautos die Ausnahme. Erst mit Systemen wie dem xDrive von BMW, dem Quattro-Antrieb von Audi und vor allem den Haldex-Antrieben, die in großer Zahl der VW-Konzern nutzt, wurde Allradtechnik zum Massenphänomen. Dieser kupplungsgesteuerte Haldex-Antrieb vermeidet viele der Nachteile differenzialgesteuerter Systeme und sorgt bei überschaubaren Kosten für mehr Traktion, was insbesondere der Performance zuträglich ist. Vor allem sportliche Autos haben von dieser Entwicklung profitiert, da sie dank achsselektiver Momentenverteilung ihre zum Teil extreme Leistung besser in Vortrieb umsetzen können.

Auch bei den Elektroautos wird sich in naher Zukunft das Angebot an Fahrzeuge stark auffächern, die ihre zum Teil sehr hohen Leistungen geschickt auf alle vier Räder verteilen. Doch anders als bei den zuvor genannten Systemen wird dafür kein aufwendig konstruierter und teurer Antriebsstrang mehr nötig sein. Allradtechnik bei E-Fahrzeugen lässt sich vielmehr über die Anzahl der Motoren darstellen. Statt nur ein Motor können zwei, drei oder gar vier zum Einsatz kommen, über die sich die Kraftverteilung besonders fein und sogar radselektiv steuern lässt. Allradantriebe der E-Autos gehen damit technisch auf kuriose Urtypen der Allradgeschichte zurück wie etwa dem Lohner-Porsche aus dem Jahr 1900 mit elektrischem Radnabenantrieb oder dem Citroen 2CV Sahara, der pro Achse einen Verbrennungsmotor an Bord hatte.

Tesla Roadster 2.0 Foto: Tesla Motors
Tesla will vermutlich bereits 2020 seinen ersten dreimotorigen Allradantrieb auf den Markt bringen.

Letztere Lösung findet sich in moderner Form vornehmlich in aktuell verfügbaren Allrad-Stromern wieder. Schon seit Jahren bietet Tesla den in seinen Modellen optional verfügbaren Dual Drive an. Zusätzlich zum normalen Heckmotor wird hier ein weiteres E-Aggregat in die Vorderachse integriert. Im Fall der Topversion des Modell S, dem P100D, beschleunigt diese Technik ein immerhin 2,5 Tonnen schweres Auto aus dem Stand auf 100 km/h in deutlich unter 3 Sekunden. Um einen solchen Wert bei einem Verbrennerauto zu realisieren, müssten Ingenieure einen enormen Aufwand betreiben. Das vergleichsweise einfache Tesla-System kann zudem sehr schnell reagieren und ohne mechanische Kraftübertragung in besonders präziser Weise das Drehmoment an Vorder- und Hinterachse variieren. Ganz billig ist Allrad bei Tesla allerdings nicht. Während etwa das Einstiegsmodell des Model 3 mit Heckantrieb in Deutschland rund 37.000 Euro (alle Preise netto) kostet, werden für das günstigste Allradpendant über 45.400 Euro fällig.

Wie Tesla setzt auch Jaguar im E-SUV I-Pace auf Allradantrieb mit jeweils einem Motor pro Achse. Auch hier sorgen eine Systemleistung von 400 PS und die hohe Traktion für sportliche Fahrleistungen, die angesichts von rund 65.500 Euro Basispreis nach einer gehobenen Investitionsbereitschaft verlangen. Eine ähnliche Antriebstechnik und ähnliches Leistungsniveau wie der I-Pace bietet auch Audis SUV E-Tron. Porsche setzt mit dem Luxussportwagen Taycan ebenfalls auf je einen Motor pro Antriebsachse. Auch andere für 2020 angekündigte E-Auto-Neuheiten folgen diesem Prinzip. Dazu gehören der Volvo-Ableger Polestar 2, der Byton M-Byte aber auch Fords Mach-E. Nissan hat Ende 2019 einen Dual-Antrieb vorgestellt, der zunächst in einem aktuellen Leaf eingebaut wurde und Ausblick auf die nächste elektrische Antriebsgeneration der Japaner gibt.

Darüber hinaus kündigen sich Allradantriebe mit drei Motoren an. Auch hier wird Tesla eine Vorreiterrolle spielen, denn neben dem vermutlich erst 2021 startenden Tesla Roadster und dem Cybertruck sollen auch Model S und Model X, möglicherweise noch in diesem Jahr, einen dreimotorigen Antrieb mit der Bezeichnung "plaid" erhalten. Dieser besteht aus einem in der Vorderachse integrierten Motor sowie je einem Aggregat pro Hinterrad. Die Technik verspricht unter anderem noch schnellere Sprints sowie bessere Kurvenperformance.

Lightyear One Foto: Lightyear
2021 soll der Lightyear One mit vier Radnabenmotoren antreten.

Parallel wird außerdem schon an E-Autos mit vier Motoren gearbeitet, bei denen jeweils zwei Aggregate pro Achse genutzt werden. Mit einem solchen E-Antriebsquartett hat zum Beispiel Seat seinen elektrischen Rennwagen Cupra E-Racer ausgestattet. Auch Zulieferer Schäffler hat 2018 einen 1200 PS starken Prototypen mit Namen "4ePerformance" mit vier Motoren ausgestattet. Hier teilen sich je zwei E-Maschinen ein Getriebegehäuse und bilden so eine elektrische Twin-Achse. Dabei ist mit Hilfe von Stirnradgetrieben jedes einzelne Triebwerk an ein Rad direkt angebunden, was wiederum radselektives Steuern der Antriebsmomente erlaubt. Autos mit vier E-Motoren sollen sogar bald auf die Straße kommen. So hat Lotus 2019 das Hypercar-Projekt Evija vorgestellt, bei dem ebenfalls pro Rad ein Motor verwendet wird. Das Quartett soll 2.000 PS leisten. Der bereits für 2020 angekündigte Performer kostet allerdings über zwei Millionen Euro. Ähnlich teuer und ebenfalls für 2020 angekündigt ist der Pininfarina Battista, dessen vier Motoren 1.900 PS freisetzen und so einen Sprint aus dem Stand auf Tempo 100 in unter zwei Sekunden ermöglichen sollen. Weniger durch sportliche Performance als durch klassische Offroad-Tugenden sollen sich die viermotorigen Antriebe der ebenfalls für 2020 geplanten SUV- und Pick-up-Modelle des amerikanischen Start-ups Rivian auszeichnen. Hier sind vier Motoren mit je 200 PS angedacht, die für je ein Rad zuständig sind. Im Zusammenspiel kann das Elektroquartett bis zu 750 PS bereitstellen.

Bei diesen konkreteren Vier-Motoren-Projekten werden durchweg an den Achsen montierte Aggregate genutzt. In Zukunft könnten elektrische Allradantriebe wie einst beim Lohner-Porsche wieder direkt in den Räder wirken. Unter anderem wird 2021 der von Studenten der TU Eindhoven entwickelte Lightyear One mit Radnabenmotoren antreten. Die Technik soll der Limousine allerdings weniger zu sportlicher Performance als vielmehr zu hoher Effizienz verhelfen. Aktuell arbeitet auch ein Forscherteam der TH Köln an einem neuen Radnabenantrieb, der einerseits ein gewisses Maß an Fahrspaß verspricht, der aber vor allem mit dem Ziel entwickelt wird, in Zukunft Produktionskosten zu senken.