Armin Villinger, VW Group Fleet International “Kunde, Kunde, Kunde”

Foto: Joerg Brockstedt

Armin Villinger leitet seit Februar die Volkswagen Group Fleet International. Mit FIRMENAUTO sprach er über seine Ziele, die damit verbundenen Herausforderungen und seine Vision für das Flottengeschäft der Zukunft.

Herr Villinger, für eine Zwischenbilanz ist es sicherlich zu früh. Dennoch die Frage: Wie waren die ersten Monate in Konzernfunktion?

Nun, aufgrund meiner vorherigen Tätigkeit bei der Marke Audi (Leiter Verkauf Großkunden, Behörden, Sonderabnehmer sowie das Gebrauchtwagengeschäft; Anm. d. Redaktion) ist das Thema Flotte für mich ja nicht neu und ich konnte daher nahtlos anknüpfen. Zusätzlich hat mich das Team sehr herzlich aufgenommen. Alles in allem für mich ein reibungsloser Übergang von der Marken- in die Konzernfunktion.

Was sind für Sie die wesentlichen Meilensteine in den kommenden Monaten? Welche Ziele haben Sie sich für 2017 gesetzt – und welche für 2018?

Meine Prämisse ist eindeutig: Kunde, Kunde, Kunde. Diese Einstellung habe ich schon in meiner Verantwortung bei Audi gelebt – und werde sie auch aus der Konzernperspektive weiter forcieren. Gerade in der aktuellen Transformationsphase der Automobilindustrie mit den Themen Elektrifizierung, autonomes Fahren und Connectivity möchte ich Transparenz schaffen und jeden Kunden auf diesem Weg mitnehmen. Wir haben daher erstmalig zu diesen Themen auf unserem diesjährigen Fleet Konzernforum im Mai in Leipzig Stellung bezogen. Auf der Agenda standen unter anderem: Ausführliche Diskussionen zum Thema Diesel sowie der aktuelle Status zum Thema Elektrifizierung und autonomes Fahren. Um hier mal einzelne Beispiele konkret zu benennen. Denn das Vertrauen in uns können wir nicht nur einfordern, wir müssen vielmehr durch Taten überzeugen.

Die Neuzulassungen des Volkswagen Konzerns im Flottengeschäft sind 2016 im vierten Jahr hintereinander gestiegen. Wo werden Sie ansetzen, um dem Flottengeschäft 2017 zusätzlichen Schwung zu verschaffen?

Ich lege seit jeher großen Wert auf den persönlichen Dialog zu unseren Kunden – nur so können wir verstehen, welche Mobilitätslösungen sie wirklich benötigen. Deshalb suchen wir auf verschiedenen Plattformen ganz bewusst den Kontakt, zum Beispiel wie angesprochen beim Fleet Konzernforum: Dort können die Fuhrparkverantwortlichen neben Innovationsthemen auch unsere aktuellen Modelle und Flotten-Dienstleistungen live erleben. Im persönlichen Gespräch bekomme ich dann ein ungefiltertes, ehrliches Feedback – und das ist für uns von unschätzbarem Wert. Ehrlichere Aufforderungen zum Handeln sowie Kundenwünsche für die Zukunft können Sie nicht bekommen. Unser Beitrag ist, diese Informationen in den Konzern einzuspeisen, um ein leistungsfähiges Großkundengeschäft zu garantieren, in dem jede Marke ihre Vorteile ausspielen kann

Mit welchen Anreizen könnten Sie potenzielle Großkunden perspektivisch dazu bringen, sich schlussendlich für ein Fahrzeug aus dem Volkswagen Konzern zu entscheiden?

Spricht unsere Modellpalette nicht für sich?! Spaß beiseite – das Flottengeschäft ist schon immer ein sehr persönliches Geschäft, da kommen Sie ohne Vertrauen nicht weit. Genau hier will ich weiter ansetzen. Stichwort: transparente Kommunikation! Das kann im direkten Gespräch erfolgen oder über Medien – wie dem Fleet Magazine des Konzerns. Ein anderes Beispiel ist unsere Verkäuferschulung für die Kundenberater der Großkunden-Leistungszentren. Hier werden wir die Berater mit zusätzlichen Bausteinen und Informationen im Sinne einer ganzheitlichen Transparenz qualifizieren.
Unsere Kollegen der Volks­wagen Financial Services AG bieten darüber hinaus mittlerweile in 32 Ländern harmonisierte Prozesse und Dienstleistungen sowie ein internationales Fuhr­parkreporting an, mit dem Flottenmanager den Überblick über ihre Märkte behalten.

Welche Rolle nehmen die Fahrer von Dienstwagen selbst in Ihrer Vertriebsstrategie ein?

Gerade die Kundengruppe der User-Chooser wächst stetig und trägt zu der von Ihnen erwähnten Steigerung der Neuzulassungen bei. Auch was neue Funktionalitäten im Fahrzeug betrifft, zählen diese Nutzer zu den sogenannten Early Adoptern. Daher widmen wir ihnen, beispielsweise durch intensive Marktforschungsstudien, große Aufmerksamkeit. Darüber hinaus bieten wir genau für diese Zielgruppe eine eigene Kommunikationsplattform, das Online-Magazin www.fleetdriver.de. Hier können sich Dienstwagenfahrer über Produkte, technische Neuerungen oder die aktuelle Rechtsprechung im Bereich Firmenwagen informieren. Auch für den Fuhrparkleiter bedeutet dieser Service gewissermaßen eine Erleichterung, da der Dienstwagenfahrer schon weitestgehend "aufgeklärt" zu ihm kommt.

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Armin Villinger, VW Group Fleet International.
Welche Megatrends beeinflussen den europäischen Flottenmarkt aktuell? Wie reagieren Sie darauf?

Mit Blick auf den deutschen Flottenmarkt sehe ich eine kritischere Auseinandersetzung bezüglich der Verbrennungsmotoren – insbesondere mit der Diesel­technologie. Das Abwägen von Für und Wider einzelner Antriebsformen ist für mich ein neuer Trend, den es bisher in dieser Form nicht gegeben hat. Im Bereich der Firmenkunden tritt auch die Frage nach der Nachhaltigkeit von Verbrennungsmotoren auf – immer auch vor dem Hin­tergrund alternativ ent­stehender Betriebskosten der Fuhrparks. Hiervon sind selbst Elektrofahrzeuge nicht ausgeschlossen und werden beispielsweise mit einer »Well-to-wheel«-Betrachtung weitaus differenzierter beäugt und beurteilt, als das bisher der Fall war. Inwieweit sich die Diskussion wieder entspannt, wenn das Thema "Fahrverbote in Städten" geklärt ist, bleibt abzuwarten. Aktuell spüren wir auf jeden Fall bei einigen Unternehmen eine Verunsicherung, was die Diesel-Aggregatsform betrifft. Wobei wir nicht vergessen sollten, dass sich der Selbstzünder für Firmen immer noch rechnet! Schließlich ist er einer der effizientesten Aggregate, die es gibt. Entsprechend hat der Diesel für uns Zukunft.

Darüber hinaus ist es jedoch so, dass sich die gesamte Automobilindustrie ohnehin in einem tiefgreifenden Umwälzprozess befindet – und nicht nur im Sinne von Antriebstechnologien und Digitalisierung. Ab Herbst dieses Jahres steht der gesamten Branche beispielsweise eine weitere wichtige Veränderung bevor: die sukzessive Einführung des WLTP-Prüfzyklus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.

Bleiben wir bei den Trends. Können Sie uns weitere konkrete Beispiele nennen, wie Sie auf die kommenden Kundenanforderungen reagieren?

Nehmen wir das Thema urbane Mobilität: Seat hat dazu beispielsweise seit Ende März ein sogenanntes Metropolis Lab in Barcelona etabliert, um hier zukünftige Konzepte zu erproben und konkrete Unterstützung für den städtischen Verkehr anzubieten. Dies beginnt beispielsweise bei der morgendlichen Routenoptimierung und reicht bis zur Parkplatzplanung. Da sich jede Marke auf andere Projekte konzentriert, werden wir im Konzernverbund hier am Ende ein umfangreiches Portfolio an praxisgerechten Lösungen anbieten. Jeder Kunde kann sich dann selbst sein individuelles Paket zusammenstellen.

Welche zukunftsweisenden Technologien werden Ihrer Meinung nach das Flottenbusiness nachhaltig verändern?

Letztendlich werden so gut wie alle technischen Neuerungen das Flottengeschäft direkt oder indirekt betreffen – und sei es nur, dass wir mit den neuen Technologien für einen entlastenden Verkehrsfluss sorgen. Durch detailliertere Fahrzeugdaten, etwa zu Verbrauch oder Position, können mobile Onlinedienste angeboten werden, die zusätzliche Möglichkeiten im Fuhrparkmanagement bieten. Einen Zugang zu effizienzsteigernden Diensten rund um Fahrzeugmanagement, Wartung und Service bietet beispielsweise ­Scania mit seiner neuen digitalen Plattform Scania One.

Wird das Thema Digitalisierung neue Mobilitätskonzepte speziell für Flottenkunden mit sich bringen?

Viele Ansätze im Bereich Digitalisierung sind ja speziell für diese Zielgruppe interessant, da sie – neben dem Komfort – die Faktoren Zeitersparnis sowie Sicherheit beinhalten. Vorteile also, die gerade Vielfahrer und Außendienstreisende zu schätzen wissen und die damit wiederum der Fuhrparkverwaltung zugutekommen. Ein Beispiel dafür ist der Audi Service­termin online. Eine vorausschauende Wartung, bei der das Fahrzeug automatisch dem vom Kunden in myAudi hinterlegten Audi Partner meldet, wenn ein Serviceereignis ansteht. Die umfangreichen Informationen erlauben diesem wiederum, sich kundenspezifisch auf den Servicetermin vorzubereiten. Außerdem kann die Wartung für den Dienstwagenfahrer spürbar schneller ablaufen. Ebenfalls interessant ist eine Lösung, die die Volks­wagen Financial Services AG über ihre Tochtergesellschaft CarMobility anbietet: Zentralseitig lassen sich etwa Routen in Echtzeit steuern und analysieren, was dem Unternehmen bares Geld einspart. Ich denke, dass insgesamt alle Beteiligten ganzheitlich von den digitalen Services profitieren werden.

Welche innovativen Onlineservices könnten Sie sich vorstellen und inwieweit könnten Großkunden davon profitieren – Stichwort: Mehrwert.

Ich möchte hier nicht vorgreifen, nur so viel sei gesagt: Bei unserer Ideenplanung steht der Kundennutzen im Fokus. Und hier stehen zwei Themen an erster Stelle: Erstens Kosten und zweitens Zeit. Wenn wir dem Kunden hierzu einen nachhaltigen Mehrwert bieten, haben wir seine Aufmerksamkeit.

Stichwort Daten. Wie gehen Sie mit dem Thema Datensicherheit der Kunden um?

Ein ganz wichtiges Thema für uns – wir sprechen in dem Zusammenhang von "Digital Fairness". Darunter verstehen wir, dem Kunden stets die komplette Kontrolle über seine Daten zu geben. Wir erklären ihm, wofür seine Daten verwendet werden und geben ihm die Möglichkeit, die Einstellungen jederzeit anzupassen. Der Kunde bestimmt selbst, welchen Service er nutzen und inwieweit er dafür seine Daten teilen möchte.

Welche neuen Geschäftsfelder wollen Sie über den Bereich Digitalisierung hinaus erschließen?

Neben den aktuellen Themen, wie Car-Sharing über unseren Partner Greenwheels und Ride Hailing durch unsere Beteiligung an Gett, werden es unter anderem Themen im Bereich Parken, Car Rental, Car Service Scheduling, Mobile Office und Delivery sein. Der Mehrwert für unsere Kunden wird auch hier in der höheren Effizienz und dem verbesserten Komfort bei der Nutzung von Mobilität und von Dienstleistungen rund um das Fahrzeug liegen. Des Weiteren sagen uns unsere Kunden, dass klassisches Fuhrpark- und Travelmanagement zum Mobilitätsmanagement verschmelzen. Nicht mehr die Total Cost of Ownership, sondern die Total Cost of Mobility stehen zukünftig im Mittelpunkt. Das führt dazu, dass Unternehmen ihren Mit­arbei­tern nicht mehr nur einen Dienstwagen, sondern überdies Mobilitätsbudgets zur Verfügung stellen. Die Volkswagen Financial Services AG wird dazu 2018 eine Lösung vorstellen.

Foto: Joerg Brockstedt
Armin Villinger, VW Group Fleet International.
Lassen Sie uns den Blick von der Zukunft zurück auf die Gegenwart werfen. Ab 1. September 2017 wird der WLTP-Prüfzyklus sukzessive eingeführt. Dieser wird sicherlich Auswirkungen auf das Modellangebot der Marken haben. Ihre Einschätzung: Werden verbrennungsmotorisch angetriebene Kleinwagen nach und nach durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden?

Wie Matthias Müller beim Wiener Motorensymposium vor Kurzem erläuterte, bleibt der Verbrennungsmotor noch mindestens 20 Jahre lang unverzichtbar. Wir werden daher bis 2022 rund zehn Milliarden Euro investieren, damit der Verbrenner die Emissionsvorschriften in Eu­ro­pa, USA und China einhält.

Parallel dazu arbeiten wir natürlich weiter an unserer Elektro-Strategie. Bis 2025 wollen wir Technologieführer in Europa werden und 30 zusätzliche, rein batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen. Basis dafür wird unser Modularer Elektrifizierungsbaukasten (MEB) sein. Ab 2019 werden wir dann Elektrofahrzeuge mit einer Reichweite von 600 Kilometern zum Preis eines heutigen Diesels anbieten.

Am 29. März hat das Vereinigte Königreich seinen EU-Austrittsantrag eingereicht. UK ist der größte Flottenmarkt in Europa. Wie wird sich das Ihrer Meinung nach langfristig auf die Nachfrage auswirken?

Es mag aktuell eine Phase der Unsicherheit geben – unter anderem durch Verhandlungsstrategien der Briten und Europäer, die sich jeweils die Öffentlichkeit zunutze machen wollen. Daher ist es schlichtweg noch zu früh, um hier fundierte Aussagen treffen zu können. Meine persönliche Meinung ist, dass – wie so oft – am Ende die Vernunft bei allen Parteien siegen wird.

Kommen wir zu guter Letzt noch mal zurück auf die Modellebene: Welche Neuheiten stehen bei den Konzernmarken für die nächsten Monate in den Startlöchern?

Würde ich Ihnen jetzt alle geplanten neuen Fahrzeuge für dieses Jahr vorstellen, dann bräuchten wir wohl noch ein paar Zeilen mehr. Ein Fokus wird jedenfalls auf dem Ausbau des SUV-Angebots liegen – gerade hat zum Beispiel Skoda den komplett neu entwickelten Nachfolger des Yeti präsentiert, den Karoq. Von Seat kommt bald der Arona, ein neues Kompakt-SUV unterhalb des äußerst erfolgreichen Ateca. Natürlich haben wir auch im Kleinwagensegment mit dem neuen Volkswagen Polo etwas zu bieten, und der neue Audi A8 wird wie gewohnt das Premiumsegment neu definieren. Und hier höre ich dann auch auf; wir wollen ja noch mit ein paar Überraschungen das Jahr spannend halten

Foto: Skoda
Der VW-Konzern will mehr SUV anbieten. Demnächst kommt beispielsweise der Skoda Karoq als Nachfolger des erfolgreichen Yeti.