Assistenzsysteme im Firmenwagen Schwierige Fahrzeugübergabe

Hand giving car key. Vector rent and sale flat concept Foto: Fotolia

Autos haben jede Menge Assistenz­systeme. Damit die Fahrer mit ihrem neuen Firmenwagen zurechtkommen, muss sie das ­Unternehmen gut einweisen.

Die Automobilhersteller packen neue Modelle mit Assistenzsystemen voll – und die Fahrer können sie nicht bedienen. "Studien zeigen, dass nur ein ganz geringer Bruchteil der Fahrer die Assistenten nutzt", sagt Hendrik Pistor vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat. "Sie nutzen sie nicht, weil sie sich damit nicht auskennen." Wenn sie es dennoch tun, können sie in kritische Situationen geraten.

Beispiel Abstandstempomat (ACC). Er soll den Fahrer unterstützen, indem er automatisch den Sicherheitsabstand zu dem vorausfahrenden Auto hält. Das klappt in der Regel sehr gut, selbst wenn der Fahrer das System auf 140 km/h stellt und sich hinter einem langsamen Lkw einreiht. Problematisch wird’s aber, wenn er dann die Autobahn an der nächsten Ausfahrt verlassen will. Mit aktiviertem ACC beschleunigt das Auto auf 140  km/h, sobald er sich rechts in die freie Ausfahrspur einfädelt. Das kann gefährlich werden. "Es ist wichtig, in Grund­zügen zu verstehen, wie die Systeme technisch funktionieren. Unerlässlich aber ist es, ihre Grenzen zu kennen", sagt Pistor. Ein Fahrerassistenzsystem nützt nur, wenn es richtig bedient wird. Ansonsten ist es nutzlos.

Notfall-Assistenten wie ABS, ESP oder auch ein Kollisionswarner mit Brems­eingriff benötigen nicht viel Erklärung. Sie funktionieren ohne menschliches Zutun. Schwieriger wird’s bei Abstandstempomat, Spurhalteassistent oder Einparkautomatik. Um den Umgang mit den elektronischen Helferlein zu lernen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Beim Händler und Hersteller, in Automobilclubs und Fahrschulen und selbst durchs Lesen der Betriebsanleitung. Der Reihe nach.

Die Einweisung ist von der Berufs­genos­sen­schaft vorgeschrieben

Jürgen Schreck ist bei der Haufe Group zuständig fürs Fuhrparkmanagement. Bekommen die Mitarbeiter neue Firmenwagen, holen sie sie in der Regel beim Händler ab. Der erklärt ihnen dann, wie alles funktioniert. "Eine Einweisung ist bei der Übergabe also immer dabei", sagt Schreck. Bisher scheint das so vermittelte Wissen auszureichen, denn: "Bislang habe ich nichts Nachteiliges gehört." 185 gekaufte Autos betreut Schreck, hauptsächlich Mittelklassemodelle des VW-Konzerns. Nach 150.000 Kilometern oder nach vier Jahren landen sie im Fahrzeugpool. Der besteht daher aus älteren Fahrzeugen mit wenigen Assistenten. "Da kommt das Problem erst in einigen Jahren auf uns zu", sagt Schreck.

Die Dienstwagenregelung der Haufe Group schweigt sich über Assistenzsysteme aus. Entweder sie sind Serie, in Ausstattungspaketen enthalten oder der Besitzer bestellt sie explizit. "Weil er sie bezahlen muss, soll auch er selbst auswählen können." Zu verstehen, wie die Assistenten funktionieren, ist für Schreck Aufgabe der Fahrer.

Zusätzlich verlangt die Berufsgenossenschaft, dass Mitarbeiter bei der Übergabe ausführlich mit allen Funktionen ihres neuen Dienstwagens vertraut gemacht werden. Wer das übernimmt, lassen die Vorschriften offen. Das kann der Fuhrparkverantwortliche übernehmen – oder auch ein Mitarbeiter des Autohändlers. "Extrem gefährlich finde ich, wenn Logistiker das Auto bringen und auch gleich die Einweisung vornehmen", warnt Marc-Oliver Prinzing, Vorsitzender des Bundesverbands Fuhr­park­manage­ment. Nach seiner Erfahrung kennen sich die Dienstleister in den seltensten Fällen mit jedem Fahrzeugtyp aus. Rein rechtlich aber dürfen auch sie die Einweisung vornehmen.

Standardisierte Programme bringen nichts

Schreck lässt da nichts anbrennen. "Die Einweisung bei der Übergabe vermittelt das grundsätzliche Wissen. Danach ist es dann am besten, wenn man die Techniken einfach ausprobiert. Das hilft am meisten." Trotzdem denkt der Flottenmanager darüber nach, Fragen zu den elektronischen Helfern bei der jährlichen Routineschulung der Mitarbeiter zu integrieren. Diese von der Berufsgenossenschaft vorgeschriebene Prüfung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) führt die Haufe Group online mit E-Learning-Tools der Dekra durch. Außerdem können die Mitarbeiter Sicherheitstrainings besuchen.

Foto: Skoda
Im Fahrtraining bekommt der Mitarbeiter ein Gefühl für den neuen Firmenwagen und die Fahrhelfer.

Auf solche Anfragen haben sich mittlerweile auch die Anbieter von Fahrtrainings eingestellt. Der ADAC etwa richtet sein Training auf den Einsatz der Fahrhelfer ab, falls ein Firmenkunde das wünscht. Ebenso die Fahrzeughersteller. BMW beispielsweise schulte im Jahr 2016 rund 8.000 Kunden. In den Trainings werden klassische Manöver wie Bremsen und Ausweichen geübt. "Wir müssen aber auch Angebote für die neuen Antriebs- und Fahrerassistenzsysteme bringen", sagt Robert Eichlinger, Leiter BMW und Mini Fahrerlebnis. Deshalb wird bei den Trainings mit den neuen 5er- und 7er-Modellen in Theorie und Praxis gezeigt, wie das teilautomatisierte Fahren und Bremsen funktioniert.

Wie viele Assistenzsysteme braucht ein Firmenwagen eigentlich?

Von standardisierten Programmen hält Flottenprofi Prinzing jedoch nichts. Er empfiehlt individuelle Sicherheitstrainings. "Nur dort lernt man den richtigen Umgang mit den Systemen." Der Nachteil: Die Berufsgenossenschaft übernimmt nur Kosten für Standardkurse.

Das "traurige Elend mit den Fah­rer­assis­tenz­sys­te­men« beginnt nach Meinung von Prinzing aber schon weit vorher, bei der Car Policy. "Was ist wichtig, welche Sicherheitsausstattung muss ein Firmenwagen unbedingt haben, diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten." Manchmal hilft ein Blick in die Schadenstatistik des Fuhrparks. Häufen sich beispielsweise Einparkschäden, könnten Parkassistenten weiterhelfen.
Zu viele Assistenten wiederum lenken vom Fahren ab, glaubt Prinzing. "Man ist beim Fahren permanent mit ihnen beschäftigt", stellt er immer wieder fest, wenn er im Mietwagen unterwegs ist. Ähnlich müsse es den Nutzern von Poolfahrzeugen gehen: In jedem Auto müssen sie sich auf andere Schalter und Funktionen einstellen. Ganz schwierig wird’s, wenn beispielsweise das eigene Auto beim Einparken mit Piepstönen warnt, das Poolfahrzeug aber keine Parksensoren hat. "Auch bei Poolfahrzeugen ist eine Einweisung gesetzlich vorgeschrieben", sagt Prinzing. "Aber in der Praxis findet die kaum statt, weil meist die Zeit fehlt." Sein Tipp: Das Unternehmen sollte die Fahrer von Poolfahrzeugen in Gruppen sammeln und gemeinsam in die Technik einweisen.

Auch Fahrschulen könnten Flottenbetreiber unterstützen. "Unsere Fortbildungen für Fahrlehrer sind aktuell stark auf Fahrerassistenzsysteme ausgerichtet", sagt Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Der Verband motiviert seine Mitglieder, Kurse anzubieten, in denen die Teilnehmer den richtigen Umgang mit den Assistenten lernen: "Die Systeme taugen nur etwas, wenn man sich damit auskennt. Und die Kurse können eine neue Einnahmequelle für Fahrschulen sein."
Allerdings haben sich bisher nur wenige Fahrschulen auf Firmenkunden und auf deren spezielle Anforderungen eingestellt. Eine davon ist Rüdelbusch in Braunschweig mit einem Grund­lagen­semi­nar für Autofahrer. In zwei Stunden und für 99 Euro sollen alle Teilnehmer grundlegende Kenntnisse über Fah­rer­assis­tenz­sys­te­me erhalten. Seit einem guten halben Jahr bietet die Fahrschule diesen Kurs an. Angemeldet hat sich ­bislang niemand.

Das sagen die Versicherer

Fahrerassistenzsysteme sollen helfen, manche Unfälle gänzlich zu vermeiden, andere in ihrer Intensität zu reduzieren. Wie viel die Technik zur Vermeidung von Unfällen beiträgt, ist bislang unklar. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht bei einer langsamen Verbreitung von Assistenzsystemen und automatisierter Fahrfunktion bis 2035 davon aus, dass die Entschädigungsleistungen um sieben Prozent zurückgehen. Verbreitet sich die Technik schnell, könnten es doppelt so viel sein. "Für ein Unfallopfer spielt es keine Rolle, ob der Fahrer oder ein Assistenzsystem den Unfall verursacht hat", sagt Siegfried Brockmann, der die Unfallforschung im GDV leitet. Das Opfer wird immer entschädigt, weil die Kfz-Haftpflicht eine Pflichtversicherung für jeden Fahrzeughalter ist. Die reguliert den Schaden, der beim Betrieb eines  Autos verursacht wird. Egal aus welchem Grund.