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Aufschrei nach Preiserhöhung Tarife sind intransparent

Foto: Ionity

Flüssigkraftstoff ist schnell getankt und noch schneller bezahlt. Beim E-Auto dauert beides länger. Und vor allem die Kostenfrage sorgte zuletzt für Ärger.

Preise für Fahrstrom sind ein ähnlich emotionales Thema wie die Preise für Benzin und Diesel. Das zumindest legt die Aufregung nahe, die die Ankündigung des Ladesäulenbetreibers Ionity hervorgerufen hat, die Kosten für das Stromtanken an seinen Schnellladesäulen um im Extremfall fast 1.000 Prozent zu erhöhen. Ab Februar werden für das sogenannte Ad-hoc-Laden ohne Vertrag nicht mehr pauschal 8 Euro pro Ladevorgang fällig, sondern 80 Cent pro Kilowattstunde – viel laden wird dann richtig teuer. Ein Beratungsunternehmen wiegelt nun ab, trotzdem bleibt Unsicherheit.

Rund 200 Schnellladepunkte betreibt Ionity in Deutschland, Ende 2020 sollen es 400 sein. Angesichts von rund 3.600 Ladepunkten in ganz Deutschland scheint das nicht viel – doch das Unternehmen ist vor allem an den viel frequentierten Autobahnen präsent, wo die strahlend weißen und modernen Inonity-Säulen den alten und oft schon leicht gammeligen Triple-Chargern die Show stehlen. Zukünftige Langstrecken-E-Autos dürften an den Angeboten des Münchner Unternehmens kaum mehr vorbeikommen – was wohl auch einen Gutteil der Aufregung erklärt.

Hinter Ionity stecken die Autohersteller BMW, Daimler, der Volkswagen-Konzern, Ford und Hyundai. Den Mobilitätskonzernen dürfte die Preiserhöhung durchaus nicht unrecht sein, denn wer bei ihnen ein Auto kauft, bekommt gleichzeitig auch einen Stromvertrag angeboten. Und der sieht deutlich günstigere Preise vor als im Ad-hoc-Tarif für Nicht-Vertragskunden. Beispiel Audi, wo Vielfahrer den sogenannten "Transit-Tarif" für 18 Euro pro Monat wählen können und dann nur 33 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Auch wer seinen Fahrstromvertrag über ein Energieunternehmen oder einen Automobilclub abschließt, kann sparen, zahlt in der Regel Grundgebühr plus deutlich reduziertem Energiepreis. Die Ionity-Preiserhöhung für Gelegenheitskunden dürfte den Abschluss eines Vertrags nun attraktiver werden lassen. Und das dürfte durchaus im Sinne der Betreiber sein.

Experten wie die Strategieberatung Simon + Kucher & Partners finden noch weitere Argumente für die Preispolitik von Ionity. Etwa die ungewöhnlich hohe Ladeleistung einiger Säulen, die zu besonders kurzen Ladezeiten führen – und eben auch bezahlt werden will. Allerdings gibt es aktuell und mittelfristig kaum Autos, die die Schnellladefähigkeit wirklich nutzen könnten. Und wenn, dann dürften die Fahrer in der Regel auch Hersteller-Stromverträge abgeschlossen haben. Tragfähiger ist da wohl der Hinweis auf die hohen Kosten für die Installation der Säulen. Und die sind durchaus immens: Schon eine normale Schnellladesäule mit bis zu 100 Kilowatt Leistung schlägt mit 20.000 Euro allein für die Hardware zu Buche. Ultraschnelle Säulen wie die von Ionity kosten sogar 50.000 Euro pro Stück. Die übliche Vierer-Batterie auf vielen Autobahn-Raststätten kommt damit auf 80.000 bis 200.000 Euro. Dazu kommen die Kosten für den Anschluss an das Mittelspannungsnetz in Höhe von bis zu 85.000 Euro. Allerdings übernimmt der Bund bis zu 60 Prozent der Kosten, was die Betreiber deutlich entlastet. Zudem dürften die Betriebskosten, ist die Säule einmal installiert, relativ überschaubar ausfallen.

Ionity ist aber nicht der einzige Anbieter mit komplizierten Tarifen und teils hohen Preisen. In Einzelfällen rufen Anbieter bis zu 1,40 Euro pro Kilowattstunde auf, manchmal sind die extremen Kosten für den Kunden kaum erkennbar. Prinzipiell sieht auch die Bundesregierung die undurchsichtige Preispolitik beim Fahrstrom für E-Autos als Problem an. Sie rechnet jedoch nach eigener Aussage mit einer steigenden Kostentransparenz im Zuge der fortschreitenden Marktdurchdringung. Das Problem einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Anbieter sieht sie nicht, auch nicht beschränkt auf einzelne Regionen, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage des Parlaments hervor geht. Eingriffe der Kartellbehörden seien ihr nicht bekannt, aus ihrer Sicht handele es sich um einen sich entwickelnden Markt.

Für E-Autofahrer bedeutet diese Marktentwicklung weitere Unsicherheit, was die Preisentwicklung angeht. Zumindest kurzfristig dürfte es weitere Verwerfungen geben, gegen die man sich nur durch regelmäßige Preisbeobachtungen schützen kann. Oder man tankt gleich zuhause. Dort zumindest kann man mit relativer Konstanz rechnen.