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Ausbau der Ladeinfrastruktur Deutschland unter Strom?

Fastened-Charging 2021 Foto: Fastened

Zu wenig, an den falschen Orten, zu teuer: Die Defizite in der Ladeinfrastruktur stehen einem ­Erfolg der Elektromobilität im Weg. Ein neues Schnellladegesetz des Verkehrsministeriums soll dies nun ändern – und könnte genau das Gegenteil bewirken.

Eine Million E-Autos bis 2020 sind es zwar nicht geworden, allmählich nimmt die Elektromobilität in Deutschland jedoch Fahrt auf: Von 2019 auf 2020 wuchs der Bestand an reinen Batterieautos um 126 Prozent auf über 300.000, hinzu kommen fast ebenso viele Plug-in-Hybride. Nach Prognosen des KBA könnten bis 2025 über fünf Millionen Stromer fahren, bis 2030 sogar knapp 12 Millionen. Die Lade­infrastruktur muss mit diesem Wachstum klarkommen, sonst droht der Kollaps.

Dabei kann sich die reine Zahl der Ladesäulen im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen: Im April 2021 verzeichnete die Bundesnetzagentur knapp 42.000 Ladepunkte an rund 20.000 Standorten. Bezogen auf die reinen E-Autos teilen sich also rund sieben Autos einen Ladepunkt. Das Problem daran: Die eindeutige Mehrheit davon sind keine echten Schnelllader, sondern geben lediglich 11 bis 50 kW ab.

Schnellader 2021 Foto: firmenauto

High-Power Charger (HPC) mit 150 bis 350 kW sind jedoch aus zwei Gründen wichtig: Zum einen machen sie Stromer langstreckentauglich, indem auf Autobahnraststätten in zehn Minuten Saft für 100 bis 300 Kilometer nachgezapft werden kann. Zum anderen ermöglichen Schnellladeparks in Innenstädten auch solchen Menschen die Anschaffung eines E-Autos, die zu Hause nicht laden können – weil sie beispielsweise keinen festen Pkw-Stellplatz haben. Oft diskutierte Innenstadt-Konzepte wie der Umbau von Straßenlaternen zu ­Stromtankstellen klingen zwar prima, sie warten jedoch nach wie vor auf ihre Umsetzung. In einem Ladepark während eines 30-minütigen Einkaufs den Strom für die restliche Woche zu zapfen, kann daher eine Alternative zur heimischen Wallbox sein. Aber auch das geht eben nur mit hoher Ladeleistung. Laut Daten der Netzagentur schaffen von den 42.000 Ladern nicht mal 1.000 Stück 150 kW oder mehr.

Schnelllader per Gesetz

Aus diesem Grund hat das Bundeskabinett im Februar das Schnellladegesetz (SchnellLG) verabschiedet, das im Mai nun vom Bundestag beschlossen wurde. Darin ist die Ausschreibung von 1.000 Standorten für Schnelllader vorgesehen, die bis 2023 die bisherigen Standorte ergänzen sollen. Der Bund macht hierfür fast zwei Milliarden Euro locker.

Was im ersten Moment toll klingt, beinhaltet jede Menge Konfliktpotenzial: Die Ausschreibung sieht nämlich Subventionen von bis zu 100 Prozent der Kosten vor, die vor allem für weniger lukrative Standorte gewährt werden können. Ähnlich wie beim Aufbau von Mobilfunknetzen ist auch bei Stromladern eine flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum wichtig, wenn das E-Auto als vollwertiger Verbrenner-Ersatz genutzt werden soll. Ob ein Interessent den Zuschlag für den jeweiligen Standort erhält, soll auch davon abhängen, wie teuer er den Strom verkauft. Je günstiger er ihn anzubieten verspricht, desto größer seine Chance auf den Zuschlag. Viele Betreiber bisheriger Standorte fürchten daher, dass sie preislich nicht mit üppig subventionierten Ladern mithalten können. Bisher konnten nur maximal 40 Prozent der Kosten subventioniert werden, viele Standorte wurden gar komplett privat finanziert.

Ladepunkte 2021 Foto: firmenauto

Den Preis-Wildwuchs zu begrenzen, ist durchaus eine sinnvolle Maßnahme: Heute sind die Unterschiede an den Säulen beträchtlich; teils wird mehr als ein Euro für die Kilowattstunde fällig. Ein Elektroauto kommt so leicht auf dreimal so hohe Energiekosten pro 100 Kilometer wie eines mit Benzinmotor. Derartige Preis­exzesse stehen der Akzeptanz von E-Autos klar im Weg.

Dennoch müssen privat finanzierte Säulen ihre Baukosten erst einmal reinholen. Kritiker des Schnellladegesetzes fürchten daher, dass bereits geplante Bauprojekte gestoppt werden, wenn sich abzeichnet, dass in der Nachbarschaft eine hoch subventionierte »Bundes-Säule« entsteht. Damit ginge der Schuss nach hinten los.

Wo fehlen Säulen?

Um potenzielle Standorte zu identifizieren, nutzt die vom Verkehrsministerium 2020 gegründete Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur ein Flächen-Tool genanntes Onlineportal. Quasi als Tinder der Ladebranche soll das Portal Grundstücksbesitzer und mögliche Ladesäulenbetreiber zusammenbringen. Wer eine Fläche zur Verfügung stellen möchte, lädt deren Daten hier hoch. Interessenten können dann direkt mit dem Eigentümer des Grundstücks in Kontakt treten.

Prognose elektrifizierte Autos 2021 Foto: firmenauto

Neben dem Flächen-Tool kommt mit dem Standort-Tool ein weiteres Planungsinstrument zum Einsatz: Hier werden alle bestehenden und geplanten Ladepunkte eingezeichnet. Zudem soll das Tool über statistische Analysen helfen, Lücken in der Infrastruktur aufzuspüren – nach Möglichkeit vorausschauend bis ins Jahr 2030. Heute stehen die Lader nicht immer da, wo sie am dringendsten benötigt werden. Der Bund macht daher jetzt Ernst beim Ausbau.

Muss der Staat überhaupt eingreifen?

Im Schnellladegesetz schwingt jedoch der Vorwurf mit, dass der freie Markt beim Aufbau der Ladeinfrastruktur versagt habe und staatliches Eingreifen notwendig sei. Dem widersprechen Ladebetreiber. Der Aufbau der Infrastruktur ist für ­Privatunternehmen derzeit ein reines Zuschuss­geschäft, wie EnBW-Vertriebschef Timo Sillober der Zeitschrift "Moove" verriet. Die EnBW hat mit 2.800 Ladepunkten bereits heute das größte Ladenetz aller Anbieter in Deutschland und möchte bis Ende der 2020er-Jahre weitere 1,4 Milliarden Euro investieren – hauptsächlich in die schnellen HPC-Lader, die pro Standort mit acht Ladepunkten rund eine Million Euro kosten.

ENBW Schnellladesäule 2021 Foto: EnBW
In Karlsruhe steht einer von 16 innerstädtischen Schnellladeparks der EnBW.

Der Energieversorger hat aus dem Nutzerverhalten seiner Kunden gelernt und bereits Konsequenzen gezogen: An typischen Wechselstromsäulen mit 22 kW, wie sie heute in den Städten stehen, findet im Schnitt gerade einmal ein Ladevorgang pro Tag statt. Besonders gefürchtet sind Plug-in-Hybride, die 12 Stunden an einer Säule stehen und dann 3 kWh laden. Vom Aufbau schwächerer Ladesäulen mit 22 kW hat sich die EnBW daher inzwischen verabschiedet.

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Hochleistungs-Ladesäulen, die während eines 30-minütigen Einkaufs 50 kWh große Akkus füllen, können hingegen zehn Ladevorgänge am Tag stemmen, was 500 kWh Umsatz bedeutet – pro Ladepunkt. Obwohl eine Kilowattstunde am HPC-Lader von EnBW vergleichsweise günstige 46 Cent kostet (plus 5 Euro Grundgebühr pro Monat), lassen sich so die Baukosten amortisieren. Inzwischen betreibt die EnBW 16 sogenannte City-Hubs, an denen mit 300 kW geladen werden kann.