Auslieferung Firmenwagen Stau in der Zulassungsstelle

Foto: Stuart G W Price www.S-P.tv

Händler können nicht ausliefern, Flottenbetreiber neue Firmenwagen nicht in Betrieb nehmen. Alles, weil das Virus Zulassungsstellen ausbremst und digitale Prozesse nicht klappen.

Die Autoindustrie produziert zwar wieder, doch die Lage ist weiter angespannt: In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden 30 Prozent weniger Pkw zugelassen. Und das liegt laut Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), auch an den Ländern und Kommunen. Sie hätten die Digitalisierung ihrer Dienstleistungen verschlafen: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass Zulassungsbehörden in dieser Situation und im Zeitalter der Digitalisierung nicht in der Lage sind, digitale An- und Ummeldeverfahren rasch umzusetzen", so Karpinski.

Das internetbasierte i-Kfz-Verfahren ermöglicht es Privatkunden, Autos ohne Vor-Ort-Termine bei einer Behörde und damit effizienter zuzulassen oder umzuschreiben. Die rechtlichen Voraussetzungen für Onlinezulassungen sind zwar bereits im Oktober letzten Jahres geschaffen worden, dennoch sind diese in vielen Zulassungsstellen bis heute nicht nutzbar. Das verhindere, dass sich die Branche erhole, sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA): "Als Folge der coronabedingten Einschränkungen in den Autohäusern und Zulassungsstellen stehen bei den Händlern Tausende Neu- und Gebrauchtwagen und können nicht übergeben werden. Die Folge sind große wirtschaft­liche Schäden für den Kfz-Handel und die Autoindustrie sowie verärgerte Kunden."

Auch Axel Schäfer, Geschäftsführer des Fuhrparkverbandes, sieht das Problem bei den Behörden. Flottenbetreiber seien durch ihren regelmäßigen Fahrzeugaustausch besonders betroffen. "Es ist sehr ärgerlich, dass die internetbasierte Fahrzeugzulassung nach wie vor nur Privatpersonen vorbehalten ist", schimpft Schäfer. Der Teufel stecke im Detail eines Paragrafen. Dieser legt fest, dass nur natürliche Personen die internetbasierte Fahrzeugzulassung i-Kfz nutzen können.

Außerdem werden Vertretungsregelungen online nicht akzeptiert, Vorgänge für juristische Personen bleiben daher außen vor. Gewerbliche Halter können Fahrzeuge also nur dann online zulassen, wenn sie natürliche Personen sind, etwa Einzelkaufleute oder Selbstständige. Schäfer ist ungeduldig: "Wir warten dringend auf die angekündigte Stufe 4 des i-Kfz-Projekts, die jetzt erst Ende 2021 kommen soll." Sie erweitert den Nutzerkreis endlich auf juristische Personen, also Firmen mit Fuhrparks oder Kfz-Händler. Doch das könnte für viele vielleicht zu spät sein.

"Unsere Händler können den Kunden nicht erklären, weshalb sie etliche Wochen auf ihre Fahrzeuge warten sollen", erklärt Karpinski vom ZDK. "Die Behörden sollten sich als Dienstleister der Bürger sehen und dafür sorgen, dass die Bearbeitungszeiten rasch wieder kürzer werden." Tausende nicht zugelassene Fahrzeuge binden Kapital der Händler, das sie in der aktuellen Situation dringend fürs wirtschaftliche Überleben benötigen. Hinzu kommen vor allem in Großstädten hohe Standkosten. Der dadurch auf der Branche lastende Druck erhöht das Risiko von Insolvenzen im Automobilhandel und fungiert wie eine Nachfragebremse.

Einen pragmatischen Ansatz fährt Philipp Kroschke, Geschäftsführer des Zulassungsdienstes Kroschke. "Wir müssen Zulassungsvorgänge derzeit zwischenlagern. Dadurch entstehen deutlich längere Durchlaufzeiten, die auch selten planbar sind, weswegen bei uns natürlich viele telefonische Rückfragen eingehen." Kroschke hat darauf reagiert: Er führt Anfang kommenden Jahres ein neues Zulassungsportal ein, das seinen Kunden mehr Transparenz über den Zustand der Zulassung geben soll, ohne dass sie an­rufen müssen. Zusätzlich könne das Portal dann Vorgänge in ein künftiges digitales Zulassungswesen einsteuern. So will Kroschke die technischen Möglichkeiten seiner Standorte verbessern, um die Prozesse flexibler zu gestalten. Außerdem arbeitet er an einer eigenen Lösung, wie ein Zulassungsprozess komplett digital durchgeführt werden kann.

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Kroschke testet dies in einem Pilotprojekt mit der Zulassungsstelle Hamm. "Wir wollen nicht am Spielfeldrand stehen, wenn das Zulassungswesen Stück für Stück digitalisiert wird, sondern mitgestalten und fester Bestandteil sein", resümiert Kroschke. Es gebe Möglichkeiten, die Zulassungsstellen zu unterstützen, damit der Arbeitsaufwand der Behörden reduziert und der Durchsatz erhöht werde, so Kroschke. Kurzfristig würde es schon helfen, mehr Mitarbeiter in Zulassungsstellen einzusetzen, um den Stau abzubauen.Schließlich geht es um einiges. Axel Schäfer vom Fuhrparkverband beziffert den bereits entstandenen Schaden: "Wäre es der Bundesregierung zügiger gelungen, die Digitalisierung in diesem Bereich voran­zubringen, hätte die deutsche Wirtschaft jährlich über 40 Millionen Euro einsparen können." Und das sei dringend benötigtes Geld, gerade in diesen Zeiten.