Automobilproduktion Ökologisch korrekte Geschäftswagen?

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Viele Kunden wünschen sich sparsame, ökologisch-nachhaltig produzierte Firmenwagen. ­Deshalb setzen die Autohersteller nun zunehmend auf nachwachsende ­Rohstoffe und Recycling.

Früher war sie ein belächeltes Randthema, heute ist sie ein strategisches Muss: Nachhaltigkeit wird für Unternehmen immer wichtiger. Dabei geht es nicht allein um Umweltschutz, sondern auch um Effizienz, Image und zufriedenere Mitarbeiter. "Mit dem richtigen Ansatz wird Nachhaltigkeit zum Differenzierungsfaktor werden", glaubt Sebastian Tschödrich, Marktanalyst der Managementberatung Capgemini. Das gilt auch für die Gestaltung der Fuhrparks. Immer mehr Unternehmen legen für ihre Dienstwagen CO2-Grenzen fest. Das erschwert Flottenmanagern und Dienstwagenberechtigten natürlich die Auswahl. Dabei geht es längst nicht mehr nur um niedrigere Verbräuche und geringere Emissionen im Betrieb. Mit der Vielfalt der Antriebstechnologien nimmt die Well-to-Wheel-Debatte den gesamten Lebenszyklus eines Autos in den Blick. Das tun auch die Autohersteller.

Foto: firmenauto 01/2022

"Die Autobranche bewegt sich in eine neue Ära, in der Unternehmen Verantwortung für eine ganze Reihe von ökologischen und sozialen Zielen übernehmen müssen", beobachtet Tschödrich. Nicht nur, weil gesetzliche Vorschriften zur Erreichung der Klimaziele die Autohersteller verstärkt in die Pflicht nehmen. Immerhin werden etwa 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland auf den Straßen verursacht. Auch Investoren an der Börse fordern zunehmend strategische Nachhaltigkeitsbemühungen ein. Es geht um umweltfreundliche Beschaffung, geringeren Verbrauch von Ressourcen und Transparenz in den Lieferketten. Vor allem aber wächst das Umweltbewusstsein bei den Kunden. Sieben von zehn Verbrauchern in Deutschland wollen einer aktuellen Umfrage zufolge beim Kauf darauf achten, dass der Hersteller sozial und ökologisch verantwortlich handelt.

Entsprechend wählen Kunden ihre Automarken, fand eine Capgemini-Studie heraus: 69 Prozent der befragten Autobesitzer aus Deutschland, Großbritannien und den USA gaben an, beim Autokauf auf Nachhaltigkeitsaspekte zu achten. Für 34 Prozent sind sie sogar ein Grund, die Marke zu wechseln.

BMW i-Vision 2022 Foto: BMW
Der i-Vision Circular zeigt, wie sich BMW das Klimaauto der Zukunft vorstellt: Der Viertürer besteht aus nachwachsenden Rohstoffen und recycelten Materialien. Einmal ausrangiert, lässt er sich zu 100 Prozent wiederverwerten. "Reduce, reuse, recycle" lautet die Strategie, mit der BMW die Fahrzeugfertigung künftig grüner machen will. Die Designer haben die Anzahl der Bauteile deutlich reduziert, auf Außenlacke, Leder und Chrom verzichtet und Materialien aus biobasierten Rohstoffen verwendet.

Deshalb arbeiten Autohersteller weltweit an Stellschrauben, um ihre Flotten nachhaltiger zu gestalten. Wiederverwendete Materialien belasten die Umwelt weniger und verbrauchen bei der Herstellung weniger CO2 als Primärmaterial. Damit seine Klimabelastung schrumpft, muss ein Auto so weit wie möglich in geschlossenen Wertstoffkreisläufen bleiben. "Bereits am Anfang durchdenken wir den gesamten Produktzyklus und setzen zunehmend Materialien ein, die am Ende ihrer Nutzung recycelt und für weitere Zwecke verwendet werden können", erklärt Daniela Hohlinger, zuständig für Nachhaltigkeit bei BMW Group Design.

Foto: firmenauto 01/2022

Längst läuft die Suche nach alternativen Lackierungen, Innenraum-Materialien und Karosserieteilen aus nachwachsenden Rohstoffen, um negative Umwelteinflüsse während des gesamten Autolebens so gering wie möglich zu halten. An kreativen Ideen fehlt es den Designern nicht: Seat will Hülsen von Reiskörnern, die nach der Ernte abfallen und üblicherweise verbrannt werden, zu einem stabilen Material pressen. Es soll Kunststoffe ersetzen, die zum Beispiel für Teile der Heckklappe gebraucht werden.

Porsche und Opel setzen auf Flachsfasern aus der Landwirtschaft. Auch mit Kokosnüssen, Rüben oder Kaffeesatz experimentieren die Materialforscher der Autohersteller. Weiterverarbeitete Jeansreste dienen als Baumwollersatz für Türverkleidungen und Innenraumbezüge. Kork und Sojaschaum landen in Kopfstützen. Ausgediente PET-Flaschen werden zu Sitzbezügen, und alte Fischernetze oder Plastikmüll aus dem Meer werden aufbereitet, um erdölbasiertes Nylon zu ersetzen.

Range Rover Evoque 2022 Foto: Land Rover
Wollmischgewebe statt Leder: Für das Basismaterial der Sitzbezüge im Range Rover Evoque werden 53 Halbliter-Kunststoffflaschen recycelt.

Die Forschung und Entwicklung nachhaltiger Alternativen sind jedoch aufwendig und kosten Zeit. Fraglich ist, ob sie den Trend zu immer größeren und schwereren Fahrzeugmodellen einholen oder auch kompensieren können. Im Schnitt hatten die im Jahr 2020 neu zugelassenen Pkw laut einer Studie des CAR-Instituts 5 PS mehr unter der Haube als im Vorjahr. Damit steigt auch der Materialbedarf. Verliefen durch einen Golf 1 in den Achtzigerjahren noch 214 Meter Kabel, sind es derzeit fast 1,6 Kilometer. BMW verbaut über die Flotte hinweg gerechnet aktuell durchschnittlich knapp 30 Prozent recycelte und wiederverwendete Materialien in seinen Fahrzeugen. Künftig sollen es 50 Prozent werden. Wie viel nachhaltige Materialien sie in der Fertigung einsetzen, legten die Autohersteller aber nur bei einzelnen Leuchtturmprojekten offen, aber nicht für ihre Gesamtflotte, bemängelte Philipp Sommer, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, im Bayerischen Rundfunk. Deswegen lasse sich schwer fassen, wie grün die Autohersteller in der Breite tatsächlich sind.

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Einer Alufelge zum Beispiel ist nicht anzusehen, unter welchen Bedingungen die Rohstoffe für das Aluminium gewonnen wurden. Immerhin landen laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 48 Prozent des gesamten hierzulande genutzten Aluminiums im Fahrzeugbau. Nachhaltigkeitsinitiativen der Autohersteller müssen deshalb auch die Zulieferer miteinschließen. Entsprechende Transparenz verlangt nicht zuletzt auch das deutsche ­Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft treten soll.

Vorreiter in Sachen Nachverfolgbarkeit will Jaguar Land Rover sein. Der Autobauer digitalisiert gerade seine Lieferkette für Leder. Mithilfe der Blockchain-Technologie wird das Material vom Ursprung im Rinderbetrieb bis zum Einsatz im Fahrzeug rückver­folgbar und kann letztlich mit seinem CO2-Fußabdruck bei der Herstellung in die Gesamtbilanz eines Fahrzeugs eingerechnet werden.

Mercedes EQS 2022 Foto: Mercedes-Benz
Der EQS wird in Sindelfingen in der Factory 56 gebaut. Sie soll beispielhaft für nachhaltige und CO2-neutrale Fahrzeugherstellung bei Mercedes stehen. So decken beispielsweise die Fotovoltaikanlagen auf dem Dach 30 Prozent des Strombedarfs.

Noch ist das grüne Auto Zukunftsmusik. "Die aktuelle Entwicklung von Rohstoffpreisen zeigt, mit welchen Auswirkungen eine Industrie rechnen muss, die von begrenzten Ressourcen abhängig ist", erläutert Oliver Zispe, Vorstandsvorsitzender bei BMW, den Nachhaltigkeitsansatz. Ein Ziel, mit dem BMW nicht allein dasteht. Viele führende Hersteller, darunter Volvo, der Volkswagen-Konzern, Ford, General Motors und Jaguar Land Rover, haben im letzten Jahr angekündigt, künftig in die CO2-neutrale Produktion und Logistik zu investieren. Wenn sie dabei auf echte Transparenz setzen, würde das die Wahl des nächsten Dienstwagens vereinfachen.

Wie grün kann die Auto­produktion werden?

Um den ökologischen Rucksack eines Fahrzeugs zu verkleinern, gilt es, im Kreislauf zu wirtschaften. Das heißt: zu produzieren, ohne Abfälle zu erzeugen, und eingesetzte Materialien wiederzuverwenden oder zu recyclen. Eine Branchenanalyse zeigt: Autohersteller in Deutschland und in den USA sind bei der Kreislaufwirtschaft und der nachhaltigen Fertigung führend. Doch die meisten Unternehmen haben noch einen langen Weg vor sich.

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Laut Capgemini setzen 32 Prozent der Autohersteller jetzt schon mit ihrer Lieferkette auf Wiederverwertung und Recycling. Dieser Anteil werde in den nächsten fünf Jahren auf 51 Prozent steigen. Bei den einzelnen Initiativen der Kreislaufwirtschaft gebe es zudem große Unterschiede: 75 Prozent recyceln eine beträchtliche Menge Industrieabfälle und Schrott, und 71 Prozent geben Anreize für Endverbraucher, überholte Teile und Komponenten wiederzuverwenden. Nur 51 Prozent investieren jedoch in die Infrastruktur und die Fähigkeiten, alte Komponenten oder Schrott wiederzuverwerten, und 36 Prozent setzen auf Partnerschaften, um Elektrofahrzeugbatterien ein zweites Leben zu ermöglichen.