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Automobilzulieferer stellen sich neu auf Geschäftsfeld E-Mobilität

Bosch Campaign Electromobility Foto: Bosch

Automobilzulieferer stellen sich auf die Massenproduktion von E-Autos ein. Im Zuge der vernetzten Mobilität entdecken sie neue Geschäftsfelder und wagen sogar eigene Fahrzeugkonzepte. Der Konkurrenzdruck steigt, auch branchenfremde Firmen entdecken den Markt für sich.

Der Vormarsch der Elektromobilität setzt nicht nur die Automobilhersteller, sondern auch die Zuliefer­industrie unter Druck. Zwar wird der Verbrennungsmotor voraussichtlich auch über das Jahr 2030 hinaus eine wichtige Rolle spielen, doch die Marktanteile sinken. Das Center of Automotive Management prognostizierte schon Anfang 2018, dass – unter der Voraussetzung eines starken Ausbaus der Infrastruktur – im Jahr 2030 in Deutschland fast 900.000 Elektrofahrzeuge unterwegs sein werden. Das wären dann 30 Prozent aller Neuzulassungen. Allein der Vergleich zwischen Verbrennungs- und Elektromotor verdeutlicht, wie weitreichend der Strukturwandel auch für die zu 80 Prozent mittelständischen Zulieferer sein wird. Während der herkömmliche Motor aus rund 2.500 Bauteilen besteht, die konzipiert, hergestellt und montiert werden müssen, benötigt der Elektromotor weder Zylinder, Getriebe oder Turbolader noch Katalysator oder Partikelfilter und kommt mit 250 Teilen aus. Hersteller von Teilen wie Scheinwerfersystemen, Polstern, Dämpfern oder Bremsanlagen können ihre Produkte auch für Elek­trofahrzeuge anbieten. Doch besonders die Hersteller, die sich auf den klassischen Antriebsstrang spezialisiert haben, stehen vor einer schwierigen Zukunft.

Zumindest die Großen der Branche haben dies erkannt. So hat der weltweit zweitgrößte Automobilzulieferer ZF elektrische Antriebe vom Pedelec bis zum 40-Tonner im Angebot. Das Spektrum reicht von Micro-, Mild- und Plug-in- bis zu rein elektrischen Lösungen. Daneben liefert ZF Systemkomponenten mit integrierter Leistungselektronik und Fahrsteuerung. Mit elektrifizierter Mobilität erzielte ZF im Jahr 2017 bei einem konzernweiten Umsatz von 36 Milliarden Euro mehr als 1 Milliarde Euro – Tendenz steigend.

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Auch Bosch hat mit der E-Achse ein komplettes System für den Antrieb elektrifizierter Fahrzeuge entwickelt. Motor, Leistungselektronik und Getriebe sind in kompakter Bauweise kombiniert. Das macht den Antrieb effizienter und erhöht die Reichweite der Elektroautos. Da die E-Achse in Hybriden und E-Autos, vom Kleinwagen bis zum großen SUV, und sogar in leichte Nutzfahrzeuge eingebaut werden kann, erhofft sich Bosch ein großes Geschäftspotenzial.

ZF: Kooperation mit Start-ups

Neben den technischen Fragen zur Elektrifizierung sind es vor allem Trends wie Shared Mobility und autonomes Fahren, mit denen sich Zulieferer auseinandersetzen müssen. Bei der autonomen und vernetzten Mobilität stehen nicht mehr Kurvenlage und Höchstgeschwindigkeit im Vordergrund, das Auto der Zukunft wird zum Kommunikationsgerät in einer digitalen Welt. Daher wird die Entwicklung auch weniger von den klassischen Automobilherstellern und Zulieferern vorangetrieben als vielmehr von Quereinsteigern wie Tesla, Apple & Co. Erst im Oktober verkündete sogar Staubsaugermilliardär James Dyson, dass er in zwei Jahren Elektrofahrzeuge aus einer Fabrik in Singapur auf den Markt bringen wolle.

Die großen Automobilzulieferer reagieren mit Kooperationen auf die Herausforderungen. ZF arbeitet mit dem Aachener Start-up E-Go um Gründer Professor Günther Schuh, der den Elektrotransporter Streetscooter erfunden hat, zusammen. Gemeinsam will man Ende 2019 einen sogenannten People Mover auf den Markt bringen, ein autonom fahrendes E-Mobil, das 15 Personen Platz bieten soll. Zum People Mover steuert ZF die Sensoren für Radar und Kameras, ein Rechenmodul, das Brems- und Dämpfungssystem und das elektrische Achsantriebssystem mStars bei. Im ersten Produktionsjahr sollen wenigstens 10.000 People Mover hergestellt werden. "Um unsere Rolle als Systempartner zu sichern, wird ZF in den kommenden fünf Jahren mehr als zwölf Milliarden Euro in die Technologiefelder autonomes Fahren und elektrische Mobilität investieren", resümiert ZF-Chef Wolf-Henning Scheider.

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Auch Autozulieferer Bosch will zusammen mit Partnern einen eigenen vernetzten Selbstfahrstromer bauen. "Der dominierende Mobilitätsbereich in den nächsten 15 Jahren wird Shared Mobility sein. Wir arbeiten an einer eigenen Lösung und sind partnerschaftlich unterwegs", verkündete Boschs Chief Digital Officer Bernd Heinrichs auf der diesjährigen IAA. Gemeinsam mit Daimler und dem US-Grafikchiphersteller Nvidia entwickelt Bosch autonome Elektro-Shuttles, die in der zweiten Jahreshälfte 2019 in einer kalifornischen Großstadt an den Start gehen sollen.

Bosch: 600 Mitarbeiter für Mobilitätsideen

Im neuen Geschäftsbereich Connected Mobility Solutions arbeiten inzwischen mehr als 600 Mitarbeiter an digitalen Mobilitätsdienstleistungen, beispielsweise dem E-Scooter-­Sharingservice, der mittlerweile in Paris, Berlin und Madrid angeboten wird. Und der Markt entwickelt sich rasant. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC werden bis 2025 weltweit mehr als 470 Millionen vernetzte Fahrzeuge unterwegs sein. Bereits in vier Jahren soll das Marktvolumen für Mobilitätsdienste und digitale Services 140 Milliarden Euro betragen. "Als Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen erhalten wir von den Endkunden direktes Feedback zum Service und zu den eingesetzten Technologien. So haben wir die Chance, uns ständig zu verbessern und neue Entwicklungen auch für unsere Kunden, die Automobilhersteller, auf den Markt zu bringen", erklärt Dr. Rainer Kallenbach, Vorsitzender des Bereichsvorstands des Geschäftsbereichs Connected Mobility Solutions.

Doch es gibt noch weitere Geschäftsfelder, die gerade den mittelständischen Technologieunternehmen gewinnversprechende Möglichkeiten bieten könnten, wie eine Studie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau aufzeigt. Dies ist vor allem die Batteriezellenproduktion, die von deutschen Unternehmen völlig vernachlässigt wurde. Lithium-Ionen-­Batteriezellen werden bisher fast ausschließlich in Asien produziert. Erst jetzt setzt langsam ein Umdenken ein. So gaben BASF und der russische Nickel- und Kobaltproduzent ­Nornickel bekannt, dass sie kooperieren, um die steigende Nachfrage nach Batteriematerialien in Elektrofahrzeugen zu decken. Und auch Volkswagen denkt gemeinsam mit Partnern über den Einstieg in die Batteriezellenproduktion nach.

Angesichts gut gefüllter Kassen haben die meisten Zulieferer im Moment noch die Chance, Strategien zu entwickeln und ihr Geschäftsmodell zu verändern. Doch viel Zeit bleibt nicht. Zu diesem Schluss kommt die "Global Automotive Supplier Study 2018", für die Roland Berger weltweit rund 650 Zulieferer analysiert hat. "Im Moment läuft ihr Geschäft noch gut, und diese positive Entwicklung sollten sie jetzt nutzen, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Zulieferer müssen sich mit Hochdruck mit dem Wandel befassen, der auf sie zukommt", erklärt Felix Mogge, Partner bei Roland Berger.