Autonomes Fahren Gesetze bremsen Roboterautos aus

Mercedes-Benz F 015 Foto: Daimler

Mercedes und Audi beweisen schon heute auf Testfahrten, das ein Auto auch ohne Mensch am Lenkrad sicher fahren kann. Doch die Chancen auf baldige Verwirklichung stehen nicht gut. Zahlreiche heutige Gesetze und Vorschriften bremsen das Roboterauto aus.

"Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." Wir alle mussten diesen Schachtelsatz aus der Straßenverkehrsordnung lernen, um an den begehrten Führerschein zu kommen. Doch gilt das auch für den Roboter, der künftig das Kommando über unser Auto übernehmen will?

Las Vegas im Januar. Im Zockerparadies haben zwar die Freaks und Tüftler, die Blogger und Twitterer die Regie übernommen. Dennoch stehen sie auf der Elektronik-Messe CES nicht wirklich im Mittelpunkt. Zwei deutsche Autoriesen beherrschen mit ihren Entwürfen zum selbstfahrenden Auto, das den Fahrer zum Beifahrer macht, die Schlagzeilen. Doch bei aller Euphorie über den Mercedes und den Audi der Zukunft bleibt die Ernüchterung, dass es riesige Hürden zu überklettern gilt, bis die technischen Wunderwerke wirklich im Straßenverkehr landen. Moderne Technik mit Stereokameras, Radaraugen und sensiblen Sensoren kontra strenge Gesetze und staatliche Vorschriften. Was die Roboter heute schon können, ist laut einschlägiger Paragraphen schon seit gestern verboten.

Konkurrenten verbünden sich

"Wir müssen die Politik überzeugen, wie sicher unsere modernen Systeme sind, wozu sie fähig sind und welche Chancen für die Verkehrssicherheit in diesen Entwicklungen stecken", sagen unisono Prof. Ralf Herrtwich (Mercedes) und Alejandro Vukotich (Audi). Beide verantworten in ihren Unternehmen den Bereich der sogenannten Fahrerassistenzsysteme. Und bei aller Konkurrenz ziehen sie an einem Strick, damit die teuren Entwicklungen eine Chance auf Verwirklichung haben. Herrtwich erklärt: "Im Dachverband VDA gibt es schon seit einiger Zeit einen Arbeitskreis, der sich mit dem Thema autonomes Fahren beschäftigt. Wir stehen auch in ständigem Kontakt mit dem zuständigen Ausschuss im Verkehrsministerium."

Die zentrale Frage: Darf ein Autofahrer die Verantwortung an einen Computer übergeben? Nein, sagen die heutigen Bestimmungen, die auf der Wiener Konvention aus dem Jahre 1968 basieren. Der Mensch muss immer die Kontrolle über die Technik haben, muss dazu auch im Auto sitzen. Allerdings: Vor mehr als 45 Jahren war außer in Science-Fiction-Filmen nirgendwo vom Roboterauto die Rede. Der Computer steckte noch in den Kinderschuhen, der Begriff Internet war noch nicht einmal erfunden. Wer in dieser Zeit ein Auto wie den in dieser Woche präsentierten Mercedes F 015 vorhergesehen hätte, wäre wohl in einer geschlossenen Anstalt gelandet.

Bei Audi bleibt der Fahrer Herr der Lage

Audi-Ingenieur Vukotich: "Vor allem die Entwicklung der Sensorik, der hochauflösenden Kameras, der LED-Technik und der Vernetzung über das Internet hat sich in den letzten Jahren so rasant beschleunigt, dass wir Lösungen anbieten können, die den Fahrer von vielen Aufgaben im täglichen Verkehr entlasten können." Im Gegensatz zu ihren schwäbischen Rivalen ist bei der Nobel-Tochter von VW der Fahrer immer einsatzbereit. "Unsere Systeme sind so konstruiert, dass der Mensch im Ernstfall innerhalb von höchstens zwölf Sekunden wieder die Kontrolle übernehmen kann. In dieser Richtung zielen auch unsere Gespräche mit den Behörden." Immerhin wurde im letzten Mai die uralte Wiener Konvention schon so geändert, dass Systeme zugelassen sind, bei denen der Fahrer jederzeit wieder die Entscheidungsgewalt hat. Bei dieser Formulierung sind zwölf Sekunden allerdings immer noch viel zu lang.

Mercedes will den Fahrer komplett entlasten

Mercedes geht bei seinen Forschungen noch weiter, will dem Bordrechner und der mit ihm verbundenen Technik in gut 15 Jahren die komplette Fahrarbeit übertragen. Nur wenn der Mensch Lust dazu hat, kann er sein technisches Wunderwerk auch eigenhändig chauffieren. Das wird wohl bei allem Wohlwollen der Gesetzeshüter kaum Zustimmung finden. Daimler-Manager Prof. Ralf Herrtwich: "Wir müssen in den Gesprächen schrittweise vorgehen, uns zunächst auf spezielle Themen konzentrieren." Als Beispiel nennt er den Autobahnverkehr, der von der Technik einfacher zu bewältigen ist als das hektische Treiben in der Stadt mit Kreuzungen, Fußgängern und ständig lauernden Gefahren. Im kreuzungsfreien Überlandverkehr geht es dagegen nur in eine Richtung, die Sensoren haben die voraus und hinterherfahrenden anderen Verkehrsteilnehmer ständig im Visier.

Automatisches Einparken schon heute möglich

Für Audi-Mann Vukotich zählt auch das automatische Einparken zu den schnell lösbaren Fragen. Hierbei verlässt der Fahrer das Auto und gibt per Smartphone-App die nötigen Anweisungen. "Man könnte zum Beispiel beim Einparken in die eigene Garage beginnen, weil man sich schließlich auf dem eigenen Grundstück bewegt. Erst als nächster Schritt käme dann das selbstständige Einparken im öffentlichen Verkehr." Technisch ist beides heute schon möglich.

Dennoch wird die schöne neue Autowelt, in vielen Testfahrten von Mercedes und Audi, aber auch von Volvo schon eingeläutet, noch lange auf sich warten lassen. Weil der Erfindungsreichtum der Ingenieure dem Mut der Politiker stets weit davonfährt.