Assistenzsysteme Audi setzt auf Bits und Bytes

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Audi nutzt die International Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, um die nächste Runde im Kapitel der Bits und Bytes einzuläuten. Tiefergreifende Assistenzsysteme als bisher, besseres Entertainment sowie weiterentwickelte Navigationsfunktionen stehen auf der Agenda.

Nicht wenige Nostalgiker blicken wehmütig in die 80er- oder auch noch die 90er-Jahre zurück; eine Zeit, als in Autowerkstätten noch Mechaniker arbeiteten und mit der Vokabel „Computer“ tatsächlich in den meisten Fällen der auf dem Schreibtisch thronende Rechner gemeint war. Inzwischen hat sich die Berufsbezeichnung geändert – es ist nun der Mechatroniker, der heute den Ölwechsel vornimmt. Und vermutlich nimmt die Motorsteuerung eines Neuwagens mehr Speicher in Anspruch als die meisten RAM-Module von damals. Denn die Elektronikhirne komplexer Assistenzsysteme müssen hurtig rechnen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Fahrhilfen, Entertainment und Navigation

Audi gibt anlässlich der diesjährigen International Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas einen Ausblick, was in puncto Fahrhilfen, Entertainment und Navigation noch in diesem Jahrzehnt auf die Kunden zukommen wird. Schon ein jetzt ausgelieferter Audi mit den entsprechenden Häkchen in der Ausstattungsliste kann ja eine ganze Menge: Zum Beispiel vorausfahrende Fahrzeuge erkennen und entsprechend deren Fahrverhalten selbsttätig bis zum Stillstand herunterbremsen und wieder anfahren. Und wenn man während einer vom aktiven Tempomat geführten Fahrt die Hände vom Lenkrad nimmt, hält der Wagen die Spur selbsttätig – allerdings nur wenige Sekunden lang.

Eine im US-amerikanischen Bundesstaat Nevada durchgeführte Fahr-Demonstration zeigt: Das geht heute schon länger. Die Ingenieure fügten zur bestehenden Aktuatorik und Sensorik ein Laser-Modul mit einer Reichweite von 200 Metern hinzu und erlauben dem System nun, das Ruder bis 60 km/h in die Hand zu nehmen.

Allerdings wehrt sich Wolfgang Dürheimer, Vorstand für technische Entwicklung im Audi-Konzern, wenn der Begriff „autonomes Fahren“ aufkommt. Die Audi-Verantwortlichen sprechen lieber von „pilotiertem Fahren“ und sehen in dieser Formulierung einen entscheidenden Unterschied. Das Versuchsfahrzeug kann in der Tat nicht autonom fahren, sondern nichts anderes als heutige Produkte auch schon – nur eben dauerhaft und deutlich besser abgesichert. Außerdem wollen die Techniker ihre Autos lediglich dort selbsttätig rollen lassen, wo nun wirklich kein Platz für Fahrspaß bleibt: im Stau. Mit Hilfe von Redundanzen in der Sensorik soll die Crash-Wahrscheinlichkeit in einen akzeptablen Bereich gedrückt werden. Beim Versuchsfahrzeug steckt der Kofferraum noch voller Kabel und Computergehäuse, doch Ricky Hudi, Leiter Elektrik/Elektronik, winkt ab und zeigt eine handliche Platine, die es bald richten wird.

Ein Knopfdruck genügt

In der Praxis funktioniert die modifizierte Anlage recht simpel per Druck auf einen Knopf im Multifunktionslenkrad – sofern man sich im stockenden Verkehr und auf Straßen höherer Ordnung wie Autobahnen oder Kraftfahrstraßen befindet. Prompt übernimmt der Rechner das Steuer. Er initiiert indes keine Spurwechsel, sondern nur moderate Querführung. Das heißt: Leichte Kurven verarbeitet das System problemlos.

Kräftiges Bremsen des vorderen Fahrzeugs ist auch kein Thema analog zu den jetzt schon verbauten aktiven Tempomaten. Allerdings wird künftig auch berücksichtigt, wenn jemand besonders knapp einschert. Und während der „Autopilot“ das Zepter führt, können sämtliche Entertainment-Systeme aktiviert werden, die sonst beim Fahren außer Betrieb sind. Filme schauen im Stop-and-Go wird also vermutlich noch in diesem Jahrzehnt möglich sein. Und das zu einem Preis, der sich ungefähr in den Sphären der jetzigen Assistenten bewegt. Per kamerabasierter Müdigkeitserkennung identifiziert der unter der Mitarbeit des Zulieferers Valeo entstandene Spezial-Tempomat einschlafende Fahrer und schaltet die Automatik von einem Warnton begleitet ab. Wird ein Fahrer etwa ohnmächtig, bremst das Fahrzeug sanft bis zum Stillstand herunter und schaltet die Warnblinkanlage ein. Der betreuende Ingenieur Björn Giesler geht davon aus, dass der Automatisierungsgrad sukzessive erhöht wird, bis die Systeme in absehbarer Zukunft den Stand des Versuchsfahrzeugs erreicht haben.

Manöver mit Tablet oder Smartphone

Deutlich weniger Dynamik bringt die automatisierte Parkvorrichtung mit sich, aber auch sie erfordert keineswegs wenig Aufwand. In einer Demo lassen Audi-Projektverantwortliche einen A7 per Tablet- oder Smartphone-App völlig selbsttätig aus einer Parkhaus-Nische herausmanövrieren, vor- und wieder zurück in die Lücke fahren. Noch helfen Laser-Detektoren am Fahrbahnrand, um den Luxusgleiter nicht anecken zu lassen, aber in Zukunft sei das nicht mehr nötig, erklärt Ricky Hudi.

Die Idee ist ambitioniert: Niedrigere Parkhäuser mit knapperen Abmessungen in allen Dimensionen sollen entstehen oder zumindest abgeteilte Bereiche nur für das automatisierte Parken. Dort dürfen dann auch keine Menschen mehr hinein; nicht zuletzt, weil die komplett auf das jetzt schon vorhandene Aktuator- und Sensornetz zurückgreifende Anlage den Wagen nicht anhalten lässt, wenn sich ein Hindernis in den Weg stellt. Audi führt auch Sicherheits-Argumente an – Frauenparkplätze seien mit einer solchen Lösung passé. Bleibt abzuwarten, ob deutsche Parkhausbetreiber mitspielen. Gut möglich, dass zunächst asiatische Märkte wie Japan vorpreschen.

Gegen solche Features klingt der Ausblick auf künftige Multimedia-Navigationssysteme fast schon simpel. Einfach ein Fotomotiv hinterlegen, beim nächsten Mal führt der Elektronik-Lotse wieder dorthin, denn Geoinformationen werden ja schon heute mitgespeichert. Das geht so weit, dass der Rechner Bars, Geschäfte oder Restaurants erkennt. Kurz vor der Auslieferung steht außerdem ein neuartiges Soundsystem, das in der Lage ist, einen „3D-Klang“ zu produzieren. Über 23 Lautsprecherboxen sind im Demo-Q7 platziert. Mit Hilfe von aufwendigen Berechnungen werden aus den gewöhnlichen Stereo-Aufnahmen weitere Sound-Informationen gewonnen, die das Musikerlebnis besonders räumlich gestalten.

Nostalgiker werden an den für die nächsten Jahre avisierten vielen Neuerungen schwer zu schlucken haben. Technik-Freaks dagegen wird es umso mehr freuen.