Autonome Studie Mercedes Vision Urbanetic Blick in die Transporter-Zukunft 2030

Mercedes-Benz Vision Urbanetic Foto: Markus Bauer 25 Bilder

Daimler hat in Kopenhagen eine neue fahrerlose Konzeptstudie für den Innenstadtverkehr ab den 2030er Jahren vorgestellt. Der Mercedes Vision Urbanetic nimmt Module für Passagiere und Güter auf.

Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, die Metropolen wachsen und damit auch das Verkehrsaufkommen. Mobilitätsforscher und Städteplaner machen sich schon lange Gedanken darüber, wie man das wachsende Mobilitätsbedürfnis nicht nur in den Griff bekommen, sondern auch für alle Menschen erträglich gestalten kann. Dabei gehen sie teilweise mit drastischen Mitteln gegen den drohenden Verkehrskollaps. Beispiel Peking: Achtspurig und trotzdem im Schritttempo schleicht die Blechlawine durch die chinesische Hauptstadt. Neuzulassungen werden mittlerweile nur noch über eine monatlich stattfindende Lotterie vergeben. In Shanghai müssen Autokäufer die Zulassung ersteigern.

Mercedes-Benz Vision Urbanetic Foto: Daimler

Auch bei Daimler arbeiten Zukunfts-, Fahrzeug- und Verkehrsforscher an Lösungen für den Stadtverkehr der Zukunft. Nach Prognosen der Vereinten Nationen werden 2050 zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Bereits 2030 werden mehr als 5,2 Milliarden Menschen in Städten wohnen. "Nach Schätzungen der OECD wird sich bis 2050 der weltweite Frachtverkehr verdreifachen", sagt Volker Mornhinweg, Chef von Mercedes Vans. "Um die Mobilität von morgen aktiv zu gestalten, müssen wir noch stärker vernetzt denken und über den Rand unserer bisherigen Aktivitäten hinausblicken. Wir brauchen neue Ideen für die Mobilität der Zukunft und den Mut, diese umzusetzen". Wie das gehen könnte soll Daimler Vision Urbanetic zeigen. Das gut fünf Meter lange Konzeptfahrzeug soll zeigen, wie um das Jahr 2036 Menschen oder Waren in unseren Städten unterwegs sein könnten. Elektrisch, leise, fahrerlos.

Als Basis dient ein selbstfahrendes Chassis plus diverse Aufbauten, die an Wechselplattformen ausgetauscht werden. Dazu heben hydraulische Stützen das Chassis an, während die Hinterräder nach außen, um Platz zu machen. Über ein Schienensystem lässt sich die Kabine automatisch oder manuell übers Fahrzeugheck aufsatteln. Ohne Kran, ohne Stapler.

Mercedes-Benz Vision Urbanetic Foto: Daimler

Im Bus-Modul sollen zwölf Fahrgäste auf acht Sitz- und vier Stehplätzen Platz finden. Der Aufbau ist in drei Zonen unterteilt. Während vorne Touristen auf Sightseeingtour durch große Fenster die Stadt bewundern, fällt das Heckabteil eher heimelig aus. Den Teil könnte man beispielsweise wie eine Luxuslimousine einrichten. In der Mitte, direkt an der großen Schiebetür, stehen Fahrgäste, die nur eine kurze Strecke mitfahren. Flexible Fahrpläne und Routen machen das sognannte Ride-Sharing auch für Pendler attraktiv. Sie könnten auf ein eigenes Fahrzeug verzichten, bräuchten nicht einmal auf Carharing-Fahrzeuge zurückgreifen, ohne sich in ihrer Mobilität einschränken zu müssen. Sogenannte People Mover wie der Urbanetic wären ununterbrochen verfügbar, auch zu Tageszeiten, an denen Bus und Bahn aktuell nur selten fahren. Auch in Sachen Komfort müsste dank des variablen Sitzkonzepts niemand Abstriche machen.

Dass solche Fahrzeuge vollständig vernetzt sind, versteht sich von selbst. So werden den Passagieren anhand ihrer individuellen Nutzerprofile im Innenraum nur für sie relevante Informationen angezeigt. Touristen etwa sehen auf dem Weg durch die Stadt per Augmented Reality Hologramme der Sehenswürdigkeiten, Pendler werden mit Nachrichten zu bevorzugten Themengebieten versorgt.

Automatisiertes Fahren
Wo Autos schon fahrerlos unterwegs sind

Auch mit der Umwelt kommuniziert das Fahrzeug. Erkennen Kameras und Sensoren Fußgänger oder Fahrradfahrer, projizieren LEDs ihren Schatten auf die Seitenwand. Das zeigt dem Fußgänger, dass das Fahrzeug ihn erkannt hat.

Das für den Warentransport entwickelte, 3,70 Meter lange Cargo-Modul sieht aus wie ein Überseecontainer und hat ein Volumen von zehn Kubikmetern. Mit einem auf halber Höhe eingezogenen flexiblen Ladeboden sollen Gitterboxen hineinpassen. Bei hoher Ladung wird einfach der Zwischenboden weggeklappt. Beladen wird das Modul über eine Drehtür im Heck, manuell oder vollautomatisch. Der Urbanetic könnte etwa zu jeder gewünschten Zeit autonom Pakete zustellen. Der Kunde nimmt ein sein Paket dann durch eine Klappe im Aufbau in Empfang.

Mercedes-Benz Vision Urbanetic Foto: Daimler

Soll der Transporter Läden beliefern, würde er im Hub mit allen nötigen Waren beladen. Am Bestimmungsort setzt das Chassis das Modul ab und fährt solo zurück zum Hub. Dort übernimmt er einen neuen Aufbau, etwa ein Personen-Modul, um Pendler zur Arbeit zu bringen. Die unterschiedlichen Einsatzzwecke lasten den autonomen Wagen besser aus.

Für Mornhinweg ist der Urbanetic Teil eines ganzheitlichen Ökosystems. Es könnte die Beförderungs- und Transportbedarfe analysiere und eine flexible, bedarfsgerechte Flotte zusammenstellen. "Tagsüber befördert der Wagen in Stoßzeiten hauptsächlich Personen, nachts wird er im innerstädtischen Warentransport eingesetzt", sagt Mornhinweg. Zudem könne er als mobile Basis für Lieferdrohnen oder selbstfahrende Roboter auf der letzten Meile dienen. "Die unterschiedlichsten Unternehmen könnten sich ein Fahrzeug oder gar eine Flotte teilen, zum Beispiel Shuttleservices und Stadtwerke oder Kurierdienstleister und Paketlogistiker. Das entlastet die Städte und verbessert so in letzter Konsequenz die Lebensqualität in Ballungszentren."