NCAP-Crashtest Diese Sterne sind nicht Schnuppe

Mercedes Citan Crash Test 2013 Euro NCAP Foto: MIRA PHOTO DEPT 5 Bilder

Neue Fahrzeugmodelle werden nach der Euro NCAP-Norm auf ihre Sicherheit geprüft. Welche Folgen ein schlechtes Ergebnis haben kann, erfuhr Mercedes mit dem Citan. Wo versagte der Einstiegs-Benz und was wird überhaupt getestet?

Mercedes ist in Sachen Sicherheits-technologie immer vorne mit dabei. Umso größer wiegt das schlechte Abschneiden des Citan bei einem ADAC-Crashtest Ende April. Lediglich drei von fünf möglichen Sternen hat der Hochdachkombi nach der Euro NCAP-Norm erhalten.

Der ADAC bemängelte vor allem das schwache Abschneiden beim Frontalcrash und Pfahlaufprall. Unter anderem verfing sich der Kopfairbag an der B-Säule und war somit nutzlos. Punktabzug gab es auch für fehlende Gurtwarner, mangelnden Fußgängerschutz und die harte Struktur des Armaturenbretts, die zum Sicherheitsrisiko für die Vorderleute wird.

Das Ergebnis sei "völlig unbefriedigend" und man "müsse sich damit beschäftigen", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche in einem Interview. Der Hersteller ruft deshalb alle Citan Kombis in die Werkstätten, um zunächst das Airbag-Problem zu lösen. Die Kastenwagen sind davon nicht betroffen, den Kopfairbag gibt es hier erst gar nicht. "Alle anderen Sicherheitslücken werden wir sukzessive in der laufenden Produktion angehen", sagt ein Daimler-Sprecher.

Euro NCAP-CrashTest - nach diesen Kriterien suchen die Prüfer Fahrzeuge aus

Euro NCAP testet jedes Jahr eine Auswahl der populärsten und interessantesten Modelle. Die Tests werden von Mitgliedsorganisationen wie dem ADAC durchgeführt. In den meisten Fällen handelt es sich um Modellneuheiten. Die getesteten Autos dürfen nur über die standardmäßige Sicherheitsausrüstung verfügen. Für eine Bewertung durch Euro NCAP werden bis zu vier Fahrzeuge benötigt, die auf gleiche Weise bei Händlern gekauft werden wie vom Konsumenten. Ist ein Modell noch nicht auf dem Markt, besucht Euro NCAP das jeweilige Werk und wählt auf Zufallsbasis ein Auto direkt vom Band aus. Oder der Hersteller sendet eine Liste von Fahrzeug-Identifizierungsnummern zu, die Euro NCAP nach dem Zufallsprinzip selektiert.

Wer hier gut abschneidet bekommt Sterne

Insassenschutz für Erwachsene

Frontalaufpralltest: Der Frontalaufprall erfolgt mit 64 km/h. Das Fahrzeug trifft auf ein verformbares Hindernis in versetzter Spur. Dieser Zusammenstoß soll einen Frontalcrash zweier Autos mit jeweils 55 km/h und einem ähnlichen Gewicht simulieren. Der Crash zeigt unter anderem, wie viele Fahrzeugteile durch den Innenraum schießen, wie bedrohlich die Armaturen für die Vorderleute sind und wie gut Rückhaltesysteme wie Gurte und Airbag arbeiten.

Seitenaufpralltest: Euro NCAP simuliert den Seitenaufprall mithilfe einer beweglichen, verformbaren Barriere, die mit 50 km/h auf die Fahrertür trifft. Der Testdummy befindet sich auf dem Fahrersitz. Einen wichtigen Schutz bietet ein Seiten- und Kopfairbag.

Pfahltest: Im Test wird das geprüfte Fahrzeug seitwärts mit 29 km/h auf einen unbeweglichen Pfahl bewegt. Der Pfahl ist relativ schmal, sodass er tief in die Fahrzeugseite eindringt. Der Test zeigt, wie wichtig Kopf- und Seitenairbags sind. Ohne Luftkissen liegt der Kopfbelastungswert beim Aufprall bei 5.000. Schon mit 1.000 drohen schwere Hirnverletzungen. Mit Airbags liegt der Wert zwischen 100 und 300.

Schleudertraumatest: Beim Schleudertraumatest wird ein Heckaufprall simuliert. Der Dummy wird dabei im Autositz auf einen Schlitten gespannt. In das Ergebnis fließen unter anderem die Sitzgeometrie, die Größe und Form der Kopfstützen sowie deren Nähe zum Insassen und dynamische Merkmale wie eine aktive Kopfstütze mit ein.

Insassenschutz für Kinder

Aufpralltest: Bei den Frontal- und Seitenaufpralltests sind Dummys, die eineinhalb und drei Jahre alte Kinder verkörpern, mit dem vom Fahrzeughersteller empfohlenen Rückhaltesystem auf dem Rücksitz des Fahrzeugs angeschnallt. Hauptkriterien sind Kopfbewegung, Nackenbelastung und Brustkorbbeschleunigung.

Einbauprüfung Kinderrückhaltesysteme: Die Prüfer bauen eine Auswahl an Kindersitzen ein, um die Einfachheit der Montage und deren Sicherheit zu bewerten. Sicherheitsgurtlänge, Gurtschlossposition, Zugriff auf Isofix-Kindersitzhalterungen und Stabilität des im Fahrzeug eingebauten Kinderrückhaltesystems sind typische Eigenschaften, die am Fahrzeug überprüft werden.

Andere Kinderschutzmerkmale: Für zusätzliche Sicherheitsmerkmale wie Isofix-Kindersitzhalterungen an verschiedenen Sitzpositionen, Ausschaltmöglichkeit für Beifahrerairbag mit klarer Benutzeranleitung oder integrierte Kindersitze gibt es weitere Punkte.

Fußgängerschutz

Komponententest: Um den Fuß­gängerschutz an einem Fahrzeug bewerten zu können, führt Euro NCAP drei Einzeltests durch. In einem Test mit einem Beinmodell wird der Schutz des Unterschenkels durch den Stoßfänger ermittelt, während ein Oberschenkelmodell die Beurteilung der Vorderkante der Motorhaube ermöglicht. Modelle von Kinder- und Erwachsenenköpfen dienen dazu, die Oberseite der Motorhaube zu beurteilen. Verformbare Stoßfänger, ein tiefer Aufprallpunkt am Bein und das Weglassen von unnötig steifen Bauteilen an der Motorhaube erhöhen den Schutz.

Bedarfsaktivierte Schutzsysteme: Bei einer Kollision mit einem Fußgänger wird die Motorhaube angehoben, um den Abstand zwischen verformbarem Blech und hartem Motorblock als Puffer zu erhöhen. Dadurch wird die Aufprallenergie des Kopfes absorbiert. Die meisten Systeme setzen auf Beschleunigungssensoren im Bereich des Frontstoßfängers, die mit Federn oder pyrotechnischen Stellern beziehungsweise einem externen Airbag gekoppelt sind.

Sicherheitsunterstützung

ESP: Elektronische Stabilitätssysteme werden durch eine Reihe von Tests bewertet, bei denen Lenk- und Giermomentverhalten gleichzeitig ermittelt werden. Diese werden als "Sinus mit Verweilen"-Tests bezeichnet und basieren auf Fahrspurwechseln über zwei Spuren. Sie werden mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h und Lenkraddrehung von bis zu 270 Grad ausgeführt.

Anschnallerinnerung: Das nervige Piepen der Sicherheitsgurtwarner hat seinen Grund. Forschungen haben gezeigt, dass Insassen ihre Gurte bei einer Anschnallerinnerung häufiger anlegen. Die Euro NCAP prüft die Systeme auf Stabilität und wie deutlich sie visuell und akustisch auf den anzulegenden Gurt hinweisen.