Der VW Passat geht in die achte Runde. Trotz nahezu gleicher Länge bietet die Mittelklasse nun deutlich mehr Platz und wirkt zudem wuchtiger. In Sachen Technik und Komfort macht er ebenfalls große Sprünge.
Der Automarkt ist in zwei Lager getrennt: Ab der Kompaktklasse aufwärts gibt es Hersteller, die Autos für die breite Masse bauen und solche mit gehobeneren Modellen, die sich mit dem Zusatz Premium schmücken. Und dann gibt’s noch Volkswagen. Sobald irgendwo typische Geschäftswagen zum Test antreten, haben die Wolfsburger meist die Nase vorne. Mit ihrem hohen Nutzwert, der Alltagstauglichkeit und dem guten Preisleistungsverhältnis stellen sie aber auch dem einen oder anderen Konkurrenten aus Stuttgart, München und Ingolstadt mal ein Bein.
Mit dem neuen Passat will VW noch näher ans Premium-Ufer schwimmen. Er soll endlich die Brücke von der Mittel- zur oberen Mittelklasse schlagen. Wir haben noch den in die Jahre gekommenen Vorgänger im Mittelklasseformat vor Augen und staunen nicht schlecht, als uns VW den Neuen vor die Nase stellt. Richtig wuchtig kommt er jetzt rüber. In der Länge ist der Passat aber gar nicht gewachsen. Die Räder sind dafür um acht Zentimeter auseinandergerückt. Das schafft kürzere Überhänge und lässt den Passat mächtiger wirken. Der Kühler geht fließend in die neuen Voll-LED-Scheinwerfer (899 Euro) über und lässt den Passat dadurch breiter erscheinen.
Mehr Platz für Insassen und Gepäck
Das visuelle Breitenspiel setzt VW im Innenraum fort. Über das gewohnt geradlinige Armaturenbrett spannen die Designer von Tür zu Tür eine Zierleiste im Look eines Luftausströmers, die nur durch Analoguhr und Instrumenteneinheit getrennt wird. Das Lüftungsband sieht edel aus und gaukelt uns eben wieder mehr Breite, in diesem Falle also Raum, vor.
Wobei, vorgaukelt? Im Passat ist wirklich mehr Platz als vorher. Dank des längeren Radstands haben wir vor allem auf den Rücksitzen mehr Beinfreiheit. Und obwohl die Mittelklasse um eine Fingerbreite tiefer daherkommt, bleibt sogar noch mehr Freiraum über den Köpfen. Die Ingenieure montierten einfach die Sitze etwas tiefer. Das hat zudem den Vorteil, dass wir uns beim Einsteigen leichter tun.
In den Kofferraum passt ebenfalls mehr hinein: Elektrisch surrt der Variant die Heckklappe hoch und bietet Platz für 650 Liter Gepäck (plus 47 Liter). Unsere beiden Reisekoffer schluckt er lässig. Wer den Passat randvoll packen will (1.780 Liter), muss nur an den seitlichen Hebeln im Kofferraum ziehen. Schwupps fallen die Lehnen der Rückbank (40:20:40) vor. Für lange Gegenstände macht sich zusätzlich der Beifahrersitz flach. Vertriebler, die sich für die Ledersitze mit flauschigen Alcantara-Sitzflächen entschieden haben, möchten diese aber wahrscheinlich nur ungern mit Baumarkt-Einkäufen malträtieren.
Neues Infotainmentsystem und ein digitales Instrumentenfeld
Auch der Rest im Innenraum kann sich sehen lassen. Im Cockpit mischen die Wolfsburger feines Edelholz- oder Alu-Dekor mit schwarzem Klavierlack. Blickfang ist der 8-Zoll-Touchscreen des neuen Infotainmentsystems Discover Pro (1.831 Euro), das der Passat vom Golf übernimmt. Die Bedienung ist leicht und das Navi versteht nun Zielvorgaben in einem Satz. Besonders praktisch: Der Passat koppelt jetzt zwei Mobiltelefone gleichzeitig, beispielsweise privat und geschäftlich. Über Wlan können sich auch die anderen Mitfahrer vernetzen. Wie der Polo spiegelt der Passat ausgewählte Apps auf den Touchscreen. Einen wirklichen Mehrwert hat man dadurch nicht. Er ist nämlich ohnehin schon mit der Onlinewelt verbunden, schleust unter anderem Echtzeitverkehrsinformationen ein und beherrscht Google Street View sowie Google Earth.
Ganz neu bei VW ist das sogenannte Active Info Display, das erst vor Kurzem im Audi TT präsentiert wurde. Auf einem Bildschirm mit über 30 Zentimetern Diagonale zeigt der Passat neben Tacho und Drehzahlen alles an, was auch auf dem Zentral-Display läuft, also auch die Navikarte in 3D. Wen das vom Straßengeschehen ablenkt, kann die Mittelklasse ab Sommer 2015 mit Head-up-Display aufrüsten – die Daten projiziert der Passat auf eine ausfahrbare Glasscheibe.
Komfortables Fahrwerk, kultivierter Zweiliter-Diesel
So kann sich der Fahrer nun in aller Ruhe aufs Fahren konzentrieren. Und das machte in einem Passat noch nie so viel Spaß wie im neuen Modell. Durch den größeren Radstand und die steifere Karosserie liegt der Passat satt auf der Straße, fegt gelassen über Bodenwellen hinweg und rollt komfortabel dahin. Wenn man ihn lässt, sogar bis zu 1.650 km ohne Tankstopp. Voraussetzung: Es sitzt der neue Zweiliter-Diesel mit 150 PS unter der Haube. Dessen Normverbrauch liegt bei gerademal vier Litern (Limousine).
Per Knopfdruck (Serie) erwacht der Vierzylinder zum Leben. Kaum hörbar brummt er vor sich hin. Seine 340 Nm bringt er schon früh ins Spiel, schiebt den Passat energisch und druckvoll an. Die Lenkung arbeitet leichtgängig und dennoch direkt, die Sechsgang-Schaltung passt sich dem hohen Niveau nahtlos an. Gegen Aufpreis gibt’s ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (1.848 Euro) sowie adaptive Dämpfer (991 Euro). Der neue Topdiesel mit 240 PS hat beides Serienmäßig an Bord, genauso wie einen Allradantrieb. Als einziger Benziner steht zum Markstart im November ein Turbobenziner mit 150 PS zur Wahl.
Im Laufe des nächsten Jahres stockt VW das Angebot auf insgesamt zehn Motoren (120 bis 280 PS) auf. Auch ein Plug-in-Hybride (218 PS) folgt noch 2015. Der Passat GTE schafft 50 Kilometer rein elektrisch. In der Aufpreisliste finden sich dafür jetzt schon einige neue Assistenzsysteme: Da wäre beispielsweise der Stauassistent, der den Passat im Stop-and-go-Verkehr alleine steuert sowie der neue Einparkassistent, der den Passat wie in einem Computerspiel dreidimensional aus der Vogelperspektive zeigt. Wer sich in der Aufpreisliste verliert, landet allerdings auch schnell weit über dem Startpreis von 25.420 Euro (2.0 TDI Limousine). Der Abstand zum Audi A4 liegt auch nur noch bei rund 2.500 Euro. Auch bei den Preisen scheint VW die Grenzen etwas zu verschieben.